Zuschlagserteilung bei Restforderung von unter 1000 ,- €?

  • Hallo zusammen,

    ich bräuchte mal Hilfe bzw. Meinungen zu einer Sache.

    Ich habe über eine Zuschlagserteilung oder auch Versagung zu entscheiden.

    Betreibende Gläubigerin ist eine WEG-Verwalterin wegen rückständiger Hausgelder. Der Schuldner hat sich zum Verfahren immer wieder gemeldet und wohl auch Zahlungen geleistet, da zum Schluss selbst der Gläubigervertreter nicht mehr sicher war ob die Forderung nun beglichen ist, habe ich einen Verkündungstermin angesetzt.

    Nun stellt sich die Sache so dar:
    Es besteht noch eine Restforderung von unter 1000,- € und ich habe nun Bauchschmerzen bei solch kleiner Summe den Zuschlag zu erteilen.
    Auf der anderen Seite sieht das ZVG keine Zuschlagsversagung wegen einer "Bagatellforderung" vor und dem Schuldner wurde mit Aussetzung der Entscheidung eine letzte Zahlungsfrist gegeben (nachdem es schon ein Vorverfahren gab und auch dieses Verfahren seit Längerem läuft).
    Hinzu kommt noch, dass wohl auch schon "neue" Rückstände bei der WEG angelaufen sind.

    In Kommentaren und Rechtsprechung bin ich auch nicht so recht fündig geworden, sodass mir auch eine fundierte Begründung schwer fällt.

    Vielen Dank schon mal für die kommende Hilfe :)

  • Hat der Schuldner denn irgendeinen Antrag gestellt?
    Hat der Gläubiger etwas beantragt?
    Sind denn bei den noch offenen ca 1.000 schon die Gerichtskosten für dein Verfahren einberechnet oder kommen die noch dazu?

    Davon abgesehen: irgendwann ist Schluss, der Schuldner hatte gem SV wohl ausreichend Zeit, ALLES zu bezahlen. Wenn er das nicht macht...

    Von Amts wegen würde ich weder den Zuschlag versagen noch den Verkündungstermin weiter vertagen.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ich kann das Verfahren wegen einer Forderung von unter 1.000,00 € anordnen, da kann ich auch den Zuschlag nicht versagen. Der Schuldner bekommt ja einen Gegenwert für den Verlust der Wohnung. Sollte ein Übererlös entstehen, bekommt er ihn ausgezahlt. Sind im GB noch andere Forderungen eingetragen, verringern sich seine Schulden. Ich hätte jetzt kein Problem damit.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • @rechtspflegerline:

    De jure kannst Du natürlich den Zuschlag erteilen.

    Trotzdem möchte ich Dich (noch neu in dem Geschäft?) in Deiner grundsätzlichen Hemmung/Sensibilität, in solch einem Falle den Zuschlag so ohne weiteres zu erteilen, bestärken.

    Selbst mit 30 Jahren Zwangsversteigerung auf dem Rücken, fällt es mir nach wie vor schwer, in solchen Fällen, insbesondere wenn das Objekt ansonsten unbelastet ist, den Zuschlag zu erteilen.

    Mehrfach habe ich in derartigen Fällen, allerdings in einem früheren Verfahrensstadium, nach Alternativen gesucht (Einschaltung des Betreuungsgerichts, der Sozialbehörde etc) und das mit Erfolg. (Sozialamt übernahm im Darlehnswege die Rückstände, um den zumeist recht betagten oder intellektuell einfach gestrickten Schuldnern vor einer für die Allgemeinheit sehr viel kostenspieligeren Obdachlosigkeit zu bewahren).

    Meine Kollegen werfen mir zwar gelegentlich vor, ich wäre besser Sozialarbeiter als Rechtspfleger geworden, aber sei`s drum.

    Mein allgemeiner Rat "als alter Sack" an eine wahrscheinlich noch junge Kollegin:

    Bewahr Dir Deine Sensiblität! Entscheide nicht mit dem Bauch, sondern mit dem Kopf! Wenn das Gesetz aber Alternativen ermöglicht, nutze sie!

    Macht zwar alles sehr viel Arbeit, aber wenn es Erfolg hat, ist es auch sehr befriedigend.

    (So, Kollegen, jetzt könnt ihr meckern!)

  • Von meiner Seite gibt es da nichts zu meckern, ich kann jeden Satz unterschreiben (sogar die 30 Jahre ZVG :)).

    Ich erinnere mich noch gut an die Praxis in den 1980ern, bevor die Gesetze gegen die Geldwäsche und die Abführung der Kapitalertragssteuer eingeführt wurden.
    In mancher Teilungsversteigerung blieb der Übererlös oft mit der Zustimmung der Berechtigten unter der Treuhand des Rechtspflegers gut verzinslich auf einem Konto der örtlichen Sparkasse, bis die Beteiligten
    sich geeinigt oder das ganze ausprozessiert hatten.
    Der Mehraufwand, auch unter der Berücksichtigung der Zeit die man brauchte um die Beteiligten dahin zu bringen war oft enorm.
    Aber es war ein gutes Gefühl, mal wieder Rechtsfrieden herbeigeführt zu haben.

    Und auch in Vollstreckungsversteigerungen hilft oft, die Beteiligten (wieder) an einen Tisch zu bringen.
    Denn bis es zum Versteigerungsantrag kommt ist leider schon vieles zerschlagen worden.

    Aktuell habe ich einen Fall, wo es noch um einen vierstelligen Restbetrag geht, incl.Verfahrenskosten.
    Ich werde mit Sicherheit keinen Zuschlag erteilen.

    Natürlich kann man ganz formal vorgehen und es ist rechtlich ohne jeden Zweifel.
    Ich hätte allerdings manchmal einen schlechten Geschmack auf der Zunge.

  • Na, dann will ich mal, also meckern: Du bist kein alter Sack!

    Vermutlich würde ich die gleichen Gedanken wie Du nicht angestellt haben, aus folgenden Gründen:
    Ich habe nur in einem einzigen Fall erlebt, dass die WEG-Verwaltung aus Hausgeldansprüchen betrieben hat und im Grundbuch sonst keine Belastungen eingetragen sind.
    Mir "stinkt es", wenn ein Schuldner zwar immer mal "alte" Hausgeldforderungen abgezahlt, dafür aber neue auflaufen lassen - es droht insoweit ein alsbaldiger Beitritt aus 10 I 2 (soweit dort durch die Bezahlung Platz geworden ist - diese manchmal zu absurden Ergebnissen führende 5 %- Hürde). Dies spricht auch dafür, dass er mit der WEG nicht nach einer Lösung sucht. Wir stehen weit vorgerückt im Verfahren, direkt vorm Zuschlag - könnte also gut sein, der Schuldner will sich für wenig Geld sein kostenloses Wohnrecht noch eine Weile erhalten.

    Dieses vorausgeschickt, schließe ich mich Dir "Sozialarbeiter " an: Entscheidungen trifft man mit dem Kopf. Fürs Entscheiden braucht man Tatsachen. Und da siehst du nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Gilt nicht nur für kleine Prinzen. Also danke für den Appell!

  • Ich würde auch wegen unter 1000 Euro den Zuschlag erteilen!
    Damit will ich aber nicht sagen, dass ich alles andere als eure sozialen Adern habe.

    ABER:
    Der Schuldner bekommt mehrfach Post vom Gericht, idR vorher vom Gläubiger, er wird mehrfach belehrt, bei geringen Forderungen gibt es ein Schreiben vor der Begutachtung, in dem regelmäßig auch auf das Verhältnis Forderung/Kosten (zB durch den noch zu beauftragenden SV) hingewiesen wird, er kann im Versteigerungstermin erscheinen, er kann bis zum Zuschlag noch immer Anträge stellen, schriftlich und mündlich und unabhängig der Erfolgsaussichten (die wir meistens ja alle kennen) gibt es die Möglichkeit des Verkündungstermins. Wenn er sich aber über das komplette Verfahren nicht ein einziges Mal meldet, keinerlei Anstalten macht, die Forderung beim Gläubiger zu begleichen oder sich wenigstens bei diesem meldet, scheint er ja offensichtlich damit einverstanden zu sein, dass für 50% der Zuschlag erteilt wird. Da höre ich nicht mal mehr an. Wozu auch, dem Gesetzgeber langen 50% als Schuldnerschutz, warum sollten sie mir nicht genügen? "

    Wir haben hier vermehrt Verfahren (WEG), da sind die Eigentümer noch nicht lange Eigentümer, tlw. +/- ein Jahr. Wenn man den Titel dann liest, haben manche NIE Hausgelder gezahlt, andere so gut wie nie. Es wird niemand gezwungen, sich Grundeigentum anzuschaffen. Eigentum verpflichtet", uU ist das manchen auch zu viel und sie sind mit einer Mietwohnung besser bedient. Und auch der Gläubiger hat Schutz verdient, das gerät manchmal in den Hintergrund. Wir sind als Gericht neutral dazwischen und haben BEIDE Interessen im Rahmen der Gesetz zu beachten.

    Und wenn jemand mit "Obdachlosigkeit" bei Versteigerungen kommt...NIEMAND wird aufgrund eines Versteigerungsverfahrens obdachlos. Außer er setzt sich selbst unter eine Brücke.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Man sollte auch nicht vergessen, dass der Gesetzgeber der WEG eine bevorrechtigte Stellung auch wegen solch niedriger Forderungen eingeräumt hat, und es auch darum geht, einen säumigen Schuldner aus der Gemeinschaft zu entfernen.

  • Ich sehe das wie Araya. Ich bin gerne bereit auch über das übliche Maß mal zu telefonieren und evtl. auch mit dem Gläubiger zu sprechen. Aber der Schuldner muss sich melden. Wenn er das nicht tut, dann hat das Verfahren seinen Lauf. Und manche sind tatsächlich mit einer Mietwohnung besser dran. Wenn das Grundstück nicht arg belastet ist, bekommt der Schuldner ja noch was raus und hat ein schönes Startkapital.

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    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki




  • Hinzu kommt noch, dass wohl auch schon "neue" Rückstände bei der WEG angelaufen sind.

    Ohne vertiefte Kenntnisse in K-Sachen: die obige Aussage scheint mir ein deutliches Argument für eine Zuschlagserteilung.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • wie araya und anett:
    meist sind diese Forderungen - zumindest hier - von öffentlichen Trägern in Rangklasse 3. Zum Glück kommt ein solcher Fall hier nicht so oft vor. Ich hab da zwar auch Bauchschmerzen und finde es eigenartig, aber ich würde auch den Zuschlag erteilen.

    Ich bin gerne bereit, Hilfe zu leisten - wie auch die Vorredner schon dargelegt haben - aber dazu gehört auch, dass der Schuldner nach Hilfe direkt oder indirekt fragt. Ich hab auch schon Zuschlagsentscheidungen länger als ne Woche ausgesetzt, um dem Schuldner die Gelegenheit zur Regelung zu geben oder ich schiebe Termine nach hinten. Das mache ich dann gerne mal. Aber Erfahrungsgemäß sind unsere Ämter hier in Rangklasse 3 oft sehr zurückhaltend mit Versteigerungsanträgen und überlegen sich vorher genau, wann sie die Versteigerung beantragen (insbesondere auch wegen der Kostentragung z. B. Gutachter). Vom örtlichen Zweckverband weiß ich, dass die sogar die Leute an das Sozialamt verweisen und bei Anträgen teilweise Unterstützung leisten. Von anderen Ämtern weiß ich, dass oft die Schuldner sehr renitent sind und oft bis zum letzten warten oder Machtspielchen spielen. So kann ich aus meinen Sachen sagen, dass die Versteigerungsverfahren mit so geringen Forderungen oft auf diesen Gründen basieren und da eine Hilfeleistung zwecklos oder nicht erwünscht ist bzw. mit dem Abwägungsprinzip nicht vereinbar ist. Deswegen bin ich mit solchen pauschalen Aussagen vorsichtig, aber nach Hilfe suchen sollte der Schuldner in meinen Augen ...

  • Das Zwangsversteigerungsgericht ist keine Wohlfahrtseinrichtung. Wenn es bis zum Versteigerungstermin kommt, war selbst das hiesige Verfahren mindestens 9 Monate am laufen; vorhergehende Titulierung und Vollstreckungsversuche nicht eingerechnet.

    Gerne kann man als Rechtspfleger auch mal telefonieren oder das Gespräch suchen um eine gütliche Einigung zu versuchen; das ist aber nicht unsere vorrangige Aufgabe.

    Ich sehe keine gesetzliche Grundlage für eine Zuschlagsversagung - und nichts anderes ist hier maßgeblich.

  • ... für die Antworten und stärkenden Worte.

    Bin in der Tat noch neu und da tut es gut sich ein paar Meinungen einholen zu können :)

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