Urteilsanmerkungen / Kommentare - ZVG

  • Folgende Entscheidung entsetzt mich gerade:

    "Die Zwangsversteigerung aus einer vollstreckbaren Sicherungsgrundschuld wegen der dinglichen Zinsen setzt in Rechtsanalogie zu § 1234, § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB die Kündigung des Kapitals der Grundschuld oder die Androhung der Zwangsversteigerung und das Verstreichen einer Wartefrist von sechs Monaten voraus."
    BGH, Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 84/16 LINK

    Das kann aus meiner Sicht letztlich nur eines zur Folge haben: Dass Kreditinstitute bei den ersten Zahlungsstockungen sofort die Grundschuld kündigen. Schuldnerschutz, der dem redlichen Schuldner heftig auf die Füße fallen kann ...


    Seit wann prüft denn sowas das Versteigerungsgericht :confused:

  • Folgende Entscheidung entsetzt mich gerade:

    "Die Zwangsversteigerung aus einer vollstreckbaren Sicherungsgrundschuld wegen der dinglichen Zinsen setzt in Rechtsanalogie zu § 1234, § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB die Kündigung des Kapitals der Grundschuld oder die Androhung der Zwangsversteigerung und das Verstreichen einer Wartefrist von sechs Monaten voraus."
    BGH, Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 84/16 LINK

    Das kann aus meiner Sicht letztlich nur eines zur Folge haben: Dass Kreditinstitute bei den ersten Zahlungsstockungen sofort die Grundschuld kündigen. Schuldnerschutz, der dem redlichen Schuldner heftig auf die Füße fallen kann ...


    Ich habe seinerzeit im Sinne des BGH argumentiert und wurde vom LG aufgehoben.

    Neues bzw. Präzisierendes vom LG Hamburg (im verlinkten Beitrag mit Volltext):

    Die Kammer hält daran fest, dass hinsichtlich der Vollstreckung aus dem Grundschuldkapital eine vom Vollstreckungsgericht zu berücksichtigende offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt, wenn eine Kündigung bei Klauselerteilung noch nicht vorliegen kann. Eine Vollstreckung hinsichtlich der Zinsen ist hingegen möglich, weil die Fälligkeitsvoraussetzungen der Zinsansprüche nicht von § 1193 BGB erfasst sind und sich die Fälligkeit aus der Urkunde selbst ergibt. Sofern die Vollstreckung aus dem Kapital und den Zinsen betrieben wird, ist entsprechend zwischen dem Kapital und den Zinsen zu differenzieren.

    LG Hamburg, Hinweisbeschluss vom 09.12.2013 sowie Beschluss vom 20.01.2014, 328 T 94/13


    Siehe hierzu auch (Un)zulässigkeit des "Nachweisverzichts" im Hinblick auf § 1193 II S.2 BGB n.F.?

  • Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte die Rechtsprechung des BGH anwenden werden / wollen im Hinblick auf die Absicht eines Gläubigers,
    - eine Zwangsverwaltung wegen Zinsen einleiten zu wollen????

    Zwangsverwaltung ist zwar eine "Vollstreckungsmaßnahme", aber keine "Verwertungs-" sondern eher eine "Sicherungsmaßnahme".

  • Was passiert da heut' alles in den Sälen, das war doch früher nicht so ?

    Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 27. April 2017 – Vf. 32-VI-16

    Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn in der Zuschlagsbeschwerde behauptet wird, es sei ein weiteres Gebot als das abgegeben worden, auf das der Zuschlag erteilt ist, und wenn insoweit Protokollberichtigung beantragt wird.

    LG Arnsberg, Beschluss vom 27. Oktober 2016 – 5 T 60/16, ZfIR 2017, 327 m. abl. Anm. Ertle

    Erforderlichkeit der Zustimmung zum Absehen von Einzelausgeboten durch einen sich im Versteigerungstermin zunächst nicht offenbarenden Beteiligten

    LG Berlin, 10.05.2017 - 80 T 175/17

    Ohne amtlichen Leitsatz

    Zuschlagsversagung bei unterbliebenem Doppelausgebot nach Antrag auf höhere Verzinsung des Meistgebots

  • Doch, so oder ähnlich hat es das früher schon gegeben. Eine ganze Zeit nahmen damals die Anträge auf abweichende Versteigerungsbedingungen überhand, boten sie doch jede Menge Angriffsfläche, Bietinteressenten zu vergraulen und/oder Zuschlagsversagungsgründe zu produzieren. Die Zuspitzung dieser Lage führte u.a. zur Abschaffung der §§ 60, 61 ZVG und zur Bestimmung, dass die Versteigerungsbedingungen nur vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten geändert werden können. (Dass man dabei nicht gründlich genug vorging und gerade bei § 64 ZVG manch unsaubere Formulierung stehen ließ, sei hier nur am Rande erwähnt.)

    Jetzt und hier und heute haben findige Versteigerungsbehinderer neben § 59 ZVG mit § 63 ZVG und dort namentlich dem Verzicht auf Einzelausgebote einen neuen Tummelplatz entdeckt, bei dem Miteigentümer mit Tricks und Trug einen Zuschlagsversagungsgrund produzieren. Leider haben das - wie an der zitierten Entscheidung ersichtlich - noch nicht alle Landrichter spitzbekommen und tappen in die Falle.

    Das Taktieren um Einzelausgebote der Bruchteile hätte es früher nicht gegeben, wenn man für dieses Früher nur weit genug zurückgeht. In der "guten alten Zeit" wurde vertreten, aus § 864 Abs. 2 ZPO ergebe sich, dass der betreibende Gläubiger, dessen Grundpfandrecht auf dem gesamten Grundstück ruht, die Zwangsvollstreckung genauso gut in das Grundstück als solches wie in die Summe der Bruchteile betreiben könne; sein Antrag sei im Zweifel im ersteren Sinne zu deuten, denn durch das Einzelausgebot der ideellen Anteile "würde eine ganz zwecklose Verwickelung des ganzen Verfahrens eintreten", so Nußbaum, Die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, § 33 I.

  • ich weiß nicht, ob das früher wesentlich anders war.
    Aber insb. die ersten beiden zitierten Entscheidungen sind schon echte Hämmer finde ich!
    Manchmal hat man den Eindruck (in meinen positiv gestimmten Momenten bin ich mir gewiss, dass er trügt), dass es erklärtes Ziel mancher Rechtsmittelgerichte ist, die Zwangsversteigerung an sich nach Möglichkeiten ins Absurde zu verschieben

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • ich weiß nicht, ob das früher wesentlich anders war.
    Aber insb. die ersten beiden zitierten Entscheidungen sind schon echte Hämmer finde ich!
    Manchmal hat man den Eindruck (in meinen positiv gestimmten Momenten bin ich mir gewiss, dass er trügt), dass es erklärtes Ziel mancher Rechtsmittelgerichte ist, die Zwangsversteigerung an sich nach Möglichkeiten ins Absurde zu verschieben

    Manchmal machen wir es den Instanzgerichten aber auch zu einfach. Hätte er/sie den Anwärter gehört (minimalster Aufwand), wäre wohl alles durchgelaufen.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Da teile ich Arayas Sicht - manchmal liegt es an uns Rechtspflegern, sowohl die Fäden in der Hand zu halten als auch gewissenhaft die gesetzlichen Vorgaben zu beachten.
    Eben fällt mir auf: Besagt die Entscheidung des Bayrischen Verfassungsgerichts etwa, der Rechtspfleger habe den Anspruch auf rechtliches Gehör zu gewähren? Ist da wirklich ein Perspektivwechsel im Vergleich zum BVerfG zu sehen, wonach der Rechtspfleger nicht rechtliches Gehör gewähre, weil er eben kein Richter sei, sondern wonach er nur ein faires Verfahren zu gewähren habe? Es ist wohl schon zu lange her, dass ich die Entscheidung aus Bayern gelesen habe.

  • Wenn es uns zum Nachteil gereicht, sind wir dann wohl doch wie Richter...

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    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Das betrifft mE aber nur die Beteiligten, die sich auch als Beteiligte zu erkennen geben. Ich frage immer bei den zu treffenden Beschlüssen, ob noch Beteiligte erschienen sind. "Ohne Anlass" vor der Aufforderung zum Bieten nicht. Das lese ich auch nicht aus der Entscheidung. Wenn dort steht, dass der Schuldner vor der Aufforderung erschienen ist, hat er sich geoutet.
    Gerade die Schuldner sitzen ja häufiger als stille Beobachter im Saal, und sei es nur aus Scham. Das halte ich auch für völlig in Ordnung. Soll ich diese nun "nötigen", sich zu melden?

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    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Das LG Arnsberg hat aber (für meine Begriffe in völliger Verkennung der Abläufe eines Versteigerungstermins) gemeint, dass sich der verspätete Beteiligte gerade nicht zu erkennen geben müsse, um als anwesend zu gelten. Heißt: Wer von Anfang an dabei ist, muss sich (da das Gericht ja im Protokoll die anwesenden Beteiligten protokolliert) zu erkennen geben; wer trödelt, hat seine Anwesenheitsrechte ohne eigenes Zutun.

  • Zur Not: Wer ist schon das LG Arnsberg? Das wäre so nicht umsetzbar.

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  • "Wer ist schon der BGH?" könnte man genauso fragen.
    Das Problem sehe ich darin , dass womöglich die diversen ZVG-Kommentare das LG Arnsberg "ungefiltert" und also unwidersprochen zitieren und die ZVG-phoben Landrichter andernorts einfach nur abschreiben. Und dann gilt: Wer zu spät kommt, den - belohnt das Landgericht.

  • Der BGH ist zumindest in meinem Instanzenweg, das LG Arnsberg aber nicht. Und gerade LGs entscheiden gerne mal unterschiedlich.

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  • Möchte mich hier mal anhängen:
    Zwangsversteigerung beantragt wegen Grundschuldkapitalforderung mit Zinsen.
    Kündigung der Grundschuld wurde nicht mit vorgelegt.
    Lasst ihr euch vor Anordnung die Kündigung und entsprechende Wartefrist nachweisen?

  • ich würde darauf abstellen, wann die Klausel erteilt wurde
    wurde die Klausel zu einem unmöglichen Zeitpunkt erteilt (vor 6 Monaten nach Urkundserrichtung) würde ich mir die Zustellung der Kündigung nachweisen lassen;
    erst dann wenn seitdem mehr als 6 Monate verstrichen sind kann die Versteigerung aus der dinglichen Forderung angeordnet werden
    wenn die Klausel nicht zu früh erteilt ist, würde ich anordnen

    aber die Diskussion gehört eig eher in den anderen (zitierten) thread glaube ich

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


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    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • LG Münster, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – 5 T 557/18 –, juris

    Weiß jemand, ob gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt wurde?

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Danke.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
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