Urteilsanmerkungen / Kommentare - Kosten

  • In einigen Unterforen (InsO und Familie) gibt es für die Rechtsprechungsthreads bereits Diskussionsthreads, damit die dort eingestellten Entscheidungen nicht untergehen bzw. die Rechtsprechungsthreads nicht durch Diskussionen unübersichtlich werden.

    Dies ist nun der Diskussionsthread zu

    [h=3]Rechtsprechungshinweise Kosten[/h]

  • BGH zur Nichterstattbarkeit einer VG der Berufungsbeklagten bei Rücknahme der Berufung


    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1064758Zur Entscheidung ist noch anzumerken, daß - wie man Rn. 13 u. 14 entnehmen kann - die Berufungsbeklagten (bzw. ggf. ihre Anwälte ;)) es auch unterlassen haben, glaubhaft zu machen, daß sie vor der Rücknahme am 12.11.2014 bereits die 1,1 VG Nr. 3201 VV verdient hatten. Wie der BGH zurecht ausführt, entsteht diese nach Vorb. 3 Abs. 2 VV bereits mit der Entgegennahme der Information. Wenn diese aber vor dem 12.11.2014 erfolgte, hätte es nahegelegen, den unbedingten Auftrag zur Verteidigung entsprechend § 104 II S. 1 ZPO glaubhaft zu machen.

    Der BGH hat also nicht etwa entschieden, daß in der dortigen prozessualen Konstellation gar keine RA-Vergütung erstattbar wäre, sondern vielmehr die Erstattung der 1,1 VG mangels Glaubhaftmachung zurecht abgelehnt worden ist.

    Edit: Danke, Kai! :daumenrau;)

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  • AG Winsen/Luhe, Beschl. v. 27.12.2015, 18 II 531/11


    Für den Ansatz der pauschalen Post- und Telekommunikationsauslagen (Nr. 7002 VV RVG) kommt es nicht darauf an, ob im betreffenden Fall überhaupt Auslagen angefallen sind.

    NJOZ 2016, 1295

    In dem vom AG Winsen/Luhe entschiedenen Fall scheint die Rechtsanwältin die Versicherung nach § 104 Abs. 2 Satz 2 ZPO (i.V.m. § 55 Abs. 5 Satz 1 RVG) nicht abgegeben zu haben. Liegt diese hingegen vor, verbietet sich nach meinem Rechtsverständnis ohnehin die Nachfrage, ob tatsächlich Auslagen entstanden sind.

    Da die Entscheidung sich auf eine Beratungshilfesache bezieht, stelle ich den Beitrag im entsprechenden Unterforum ebenfalls ein.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Zur entgegengesetzten Entscheidung des OLG München zum BGH in #3:

    Danke 13! :daumenrau

    Ich finde, das OLG seziert die Entscheidung des BGH sehr gut: Denn es ist auch nicht verständlich, wieso der BGH grds. eine verminderte VG (Nr. 3101 oder 3201 VV) für erstattungsfähig hält (im dort entschiedenen Fall die Auftragserteilung zur Verteidigung noch vor Rücknahme der Berufung von dem Berufungsbeklagten nicht weiter glaubhaft gemacht worden ist), gleichwohl die volle, die durch die Einreichung des Schriftsatzes entsteht, dann aber für nicht erstattbar erklärt, weil sie "objektiv" nicht erforderlich sei und es insofern nicht auf die "subjektive" Kenntnis der Rücknahme ankommt.

    Deshalb erscheint es auch widersprüchlich, wieso der BGH dann überhaupt von einer grds. Erstattungsfähigkeit zumindest der verminderten VG (für die Aufteilungserteilung) ausgeht (die in seinem Fall nur nicht gegeben war). Stringent wäre es wohl gewesen, wenn er aus demselben Grund dann auch die grds. Erstattungsfähigkeit der verminderten VG ausgeschlossen hätte. Aber dann wäre er wohl selbst dahin gekommen, wo auch das OLG hinkommt: Daß die mit einer Klage/einem Rechtsmittel überzogene Partei anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen kann und die Kosten grds. in voller Höhe erstattbar sind, die darauf beruhen, daß weder die Partei noch ihr RA von der Rücknahme Kenntnis hat oder (schuldhaft) hätten haben müssen.

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  • Der Geltendmachung der für die Inanspruchnahme eines Privatgutachters angefallenen Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren steht nicht entgegen, dass die entsprechenden Aufwendungen nicht von der Partei selbst, sondern von einem hinter der Partei stehenden (im Streitfall: Haftpflicht-) Versicherer getragen wurden (Fortführung Senatsbeschluss vom 13. September 2011 - VI ZB 42/10, VersR 2011, 1584 Rn. 13).

    BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2016 - VI ZB 8/16 -

    Vorinstanzen:
    LG Bonn, Entscheidung vom 09.06.2015 - 9 O 339/09 -
    OLG Köln, Entscheidung vom 11.01.2016 - 17 W 255/15 -


    Die hier fortgesetzte Linie halte ich für höchst problematisch. Das Gutachten muss nicht mal vorgelegt, geschweige denn verwendet worden sein. Also was wird künftig passieren?
    Gewinnt die Versicherung den Prozess, wird es im Kostenfestsetzungsverfahren Rechnungen über nicht vorgelegte Gutachten hageln - nd man kann, da sie nicht einmal vorgelegt wurden, nicht mal beurteilen, ob sie irgendetwas mit dem Fall zu tun hatten.

    Schlechte Fälle machen schlechtes Recht, hier zwigt es sich mal wieder. Und weil es stimmig erscheint, einem Versicherungsbetrüger noch mit ein paar Kosten seiner Aufdeckung zu belasten, werden ganze Scheunentore geöffnet, durch die noch jede Menge mehr hindurchpasst.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Die hier fortgesetzte Linie halte ich für höchst problematisch. Das Gutachten muss nicht mal vorgelegt, geschweige denn verwendet worden sein.


    Woher nimmst Du das? Im entschiedenen Fall betrafen die geltend gemachten Privatgutachterkosten 4 (privat)gutachterliche Stellungnahme sowie die Teilnahme am Berufungsverhandlungstermin. Die Notwendigkeit dieser Kosten stand doch offenbar außer Frage. Allein die Frage, ob der Kostenerstattungsanspruch der Partei greift, obgleich nicht diese, sondern die dahinterstehende Haftpflicht die entsprechenden Aufwendungen des Privatgutachters hatte, stand im Streit (Rn. 5). Insofern hat der BGH (m. E. zurecht) entschieden, daß diese Kosten erstattungsfähig sind, wenn man den Versicherer hinwegdenkt und davon ausgehen kann, daß der Partei dieselben Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung entstanden wären.

    Gerade weil die Notwendigkeit solcher Kosten (dem Grunde und der Höhe nach) der vermeintlich Erstattungsberechtigte im KfV darlegen und glaubhaft machen muß (§§ 104 II 1, 294 ZPO), wird es nicht dazu kommen:

    ...wird es im Kostenfestsetzungsverfahren Rechnungen über nicht vorgelegte Gutachten hageln - nd man kann, da sie nicht einmal vorgelegt wurden, nicht mal beurteilen, ob sie irgendetwas mit dem Fall zu tun hatten.

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  • Ich vermute stark, dass AndreasH auf den BGH (NJW 2013, 1823) abzielt. Ansonsten hatte ich an anderer Stelle ja bereits darauf hingewiesen, dass der BGH [anders als viele OLG´s (oder sogar alle?!)] schon früher diese Auffassung hat durchklingen lassen und es daher nur noch eine Frage der Zeit war, dies auch für solch einen Sachverhalt ausdrücklich festzuhalten.
    Ich selbst kann mich an keinen Fall erinnern, in dem ich bei einer Verkehrsunfallsache die Gutachterkosten einer Versicherung - jeweils in Anlehnung an die Grundsätze des BGH - versagt habe. Die "Anforderungen" sind mittlerweile nicht mehr sehr hoch.

  • Ich vermute stark, dass AndreasH auf den BGH (NJW 2013, 1823) abzielt. Ansonsten hatte ich an anderer Stelle ja bereits darauf hingewiesen, dass der BGH [anders als viele OLG´s (oder sogar alle?!)] schon früher diese Auffassung hat durchklingen lassen und es daher nur noch eine Frage der Zeit war, dies auch für solch einen Sachverhalt ausdrücklich festzuhalten.
    Ich selbst kann mich an keinen Fall erinnern, in dem ich bei einer Verkehrsunfallsache die Gutachterkosten einer Versicherung - jeweils in Anlehnung an die Grundsätze des BGH - versagt habe. Die "Anforderungen" sind mittlerweile nicht mehr sehr hoch.


    Du hast das richtig interpretiert, Danke. Konnte nicht selbst antworten, weil mir ein paar Tage lang die Zeit für das Forum etwas knapp war.

    Diese Ausgangsrechtsprechung ist durch die neue Rechtsprechung das BGH jetzt m.E. deutlich erweitert worden. Das Gutachten muss nicht verwendet worden sein (Ausgangsrechtsprechung) und es kann auch von der Versicherung erholt worden sein (neue Entscheidung). Und die Kombination führt m.E. eben zu erheblicher Missbrauchsgefahr. Und sage keiner, dass Versicherungen nicht gelegentlich Missbrauch treiben, da gibt es ganze Berge von Rechtsprechung dazu, z.B. zur Erhöhung des Schmerzensgeldes wegen ersichtlich rechtswidriger Regulierungsverweigerung etc.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Laut dejure.org ist die Entscheidung auch in juris zu finden.

  • Zu der von Kai um Sub-Forum Rechtsprechung eingestellten VG-Entscheidung auf S. 39 #385:

    Mich würde interessieren, ob eine Anschriften-Ermittlung in einem VFV auch anderswo grundsätzlich v.A.w. durchgeführt wird oder es sich bei der VG-Entscheidung um eine "vereinzelt gebliebene" handelt. Ich habe das bislang so gesehen wie der in der Entscheidung genannte UdG, nämlich, dass der ASt. sich um die neue zustellungsfähige Anschrift zu kümmern hat. Gibt es dazu weitere Entscheidungen? Oder sollte es sich hier (mal wieder) um eine Besonderheit in der Spezialgerichtsbarkeit handeln, obwohl dies der Entscheidung nicht zu entnehmen ist?

  • Die Entscheidung kann ich nicht nachvollziehen. :(

    Eine Amtsermittlung erfolgt aus meiner Sicht im Verfahren nach § 11 RVG - zu recht - genauso wenig wie in einem Zivilverfahren, wenn es um die Zustellung bzw. Unzustellbarkeit einer Klage geht.

    In beiden Fällen gilt meiner Meinung nach der Beibringungsgrundsatz zu Lasten des Klägers bzw. Antragstellers.

    Wenn dieser keine Anschrift des Gegners herausfindet, kann er die öffentliche Zustellung beantragen. Zurückweisen sollte man wegen fehlender Anschrift nicht, sondern ggf. weglegen nach Aktenordnung (wenn keine öffentliche Zustellung beantragt wird).

  • Danke für das Feedback. :daumenrau
    Das bestätigt meine Auffassung, dass es sich hier um eine (vereinzelte) Ausreißer-Entscheidung eines VG handelt. Ich sehe ebenfalls keinen Grund, vom bisherigen Beibringungsgrundsatz abzuweichen.

  • Danke für das Feedback. :daumenrau
    Das bestätigt meine Auffassung, dass es sich hier um eine (vereinzelte) Ausreißer-Entscheidung eines VG handelt. Ich sehe ebenfalls keinen Grund, vom bisherigen Beibringungsgrundsatz abzuweichen.


    Das sehe ich auch so.

    Ergänzend zu meinem vorherigen Beitrag:

    Einen vergleichbaren Fall stellt die Zivilklage dar. Auch diese muss durch das Gericht zugestellt werden (genauso wie der Vergütungsantrag).

    Ich habe allerdings in Zivilakten noch nie gesehen, dass nach einer Mitteilung des Klägers bzw. Klägervertreters, keine aktuelle Anschrift mitteilen zu können, dann eine Adressermittlung von Amts wegen erfolgt wäre.


  • Ich habe allerdings in Zivilakten noch nie gesehen, dass nach einer Mitteilung des Klägers bzw. Klägervertreters, keine aktuelle Anschrift mitteilen zu können, dann eine Adressermittlung von Amts wegen erfolgt wäre.

    Ich auch nicht - weder jemals selbst gemacht noch gesehen.

  • Die Entscheidung kann ich nicht nachvollziehen. :(

    Eine Amtsermittlung erfolgt aus meiner Sicht im Verfahren nach § 11 RVG - zu recht - genauso wenig wie in einem Zivilverfahren, wenn es um die Zustellung bzw. Unzustellbarkeit einer Klage geht.

    In beiden Fällen gilt meiner Meinung nach der Beibringungsgrundsatz zu Lasten des Klägers bzw. Antragstellers.

    Wenn dieser keine Anschrift des Gegners herausfindet, kann er die öffentliche Zustellung beantragen. Zurückweisen sollte man wegen fehlender Anschrift nicht, sondern ggf. weglegen nach Aktenordnung (wenn keine öffentliche Zustellung beantragt wird).

    Dem würde ich zustimmen. Wenngleich ich meine, dass die öffentliche ZU v.A.w. zu veranlassen ist, wenn die Voraussetzungen vorliegen (BGH V ZR 282/05).

  • Die Entscheidung kann ich nicht nachvollziehen. :(

    Eine Amtsermittlung erfolgt aus meiner Sicht im Verfahren nach § 11 RVG - zu recht - genauso wenig wie in einem Zivilverfahren, wenn es um die Zustellung bzw. Unzustellbarkeit einer Klage geht.

    In beiden Fällen gilt meiner Meinung nach der Beibringungsgrundsatz zu Lasten des Klägers bzw. Antragstellers.

    Wenn dieser keine Anschrift des Gegners herausfindet, kann er die öffentliche Zustellung beantragen. Zurückweisen sollte man wegen fehlender Anschrift nicht, sondern ggf. weglegen nach Aktenordnung (wenn keine öffentliche Zustellung beantragt wird).

    Dem würde ich zustimmen. Wenngleich ich meine, dass die öffentliche ZU v.A.w. zu veranlassen ist, wenn die Voraussetzungen vorliegen (BGH V ZR 282/05).


    Die Voraussetzungen (erfolglose Ermittlungsversuche), die zur Anordnung der öffentlichen Zustellungen führen können, muss aber der Kläger/Antragstelelr belegen.

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