Beratungshilfe für Anhörung im Asylverfahren (Einreise- /Aufenthaltsverbot)

  • Hallo Zusammen,

    habe hier einen schriftlichen Antrag für die Angelegenheit (Originalbezeichnung im Formular): "Anhörung Bundesamt".
    Es geht inhaltlich darum, dass ein Asylbewerber vom BAMF aufgefordert wurde binnen einer Woche schriftlich die Tatsachen vorzutragen, die bei einer Entscheidung zum Einreise- und Aufenthaltsverbot als schutzwürdige Interessen zu berücksichtigen wären (Familienmitglieder in D etc.). Es handelt sich somit um eine reine Anhörung.

    Antragsteller geht zum RA, dieser schreibt an das BAMF:a
    Mandant wohnt mit Familie in Stadt XY, bei isolierter Abschiebung nach Land XY wäre er vollkommen auf sich allein gestellt. Er verfügt in seinem Heimatland auch über keinerlei Einkommen.
    Finde diesen Vortrag als solchen schon sehr seltsam und nichtssagend... aber gut, kenne mich mit Asylrecht leider noch nicht gut aus.

    Nun liegt mir der Antrag vor und mein Vertreter hat in meinem Urlaub den RA gebeten, das rechtliche Problem darzulegen, da es sich letztlich nur um einen Tatsachenvortrag handele, den der Antragsteller selbst leisten könne(dieser ist bei Gericht bekannt und spricht sehr gut deutsch, sodass das schonmal keinen etwaigen Grund darstellt).

    RA antwortet:
    Bundesamt ist überlastest und erteilt telefonisch nur Auskünfte an RA, nicht an Asylsuchende. Beantwortung des Schreibens sei für Antragsteller wichtig, da Befristung eines Einreis- oder Aufenthaltsverbots droht. Es sei nicht nur einfacher Tatsachenvortrag, da abzuwägen sei, was man dem BAMF überhaupt mitteile, was erheblich, unerheblich und ggf. sogar schädlich sei. Schließlich könne von dem Vortrag die Asylanerkennung bzw. -Ablehnung abhängen.

    Also meiner Meinung nach handelt es sich bei der Anhörung noch nicht um die Wahrnehmung von Rechten. Wäre dem so, dann müsste man jedem Antragsteller für jeden Behördenantrag bzw. jede behördliche Anhörung Beratungshilfe bewilligen, da diese Vorgänge subjektiv für jeden Antragsteller wichtig sind. Dann müsste man auch jedem SGB-Bezieher für jede Anhörung Beratungshilfe bewilligen. Dies hat das BVerfG aber ja eindeutig (im Falle des Leistungsabzugs nach SGB) abgelehnt, weil in diesem Stadium eben noch keine ablehnende Entscheidung ergangen und nur Tatsachen vorzutragen seien.
    Ich persönlich finde, dass man da für Asylbewerber keinen Unterschied machen kann und dass man nicht von der Wichtigkeit her argumentieren kann. Für jeden Menschen ist subjektiv gesehen sein "Rechtsproblem" wichtig und ein Grund einen Anwalt in Anspruch zu nehmen.

    Wie seht ihr das?
    Mein Abteilungsrichter neigt (leider) zur Bewilligung, sodass er mich im Falle eines Rechtsmittels aufheben würde. Meine Begründung in der Zurückweisung muss daher ausführlich und gut sein. ;)

    Danke & liebe Grüße

  • Ein rechtliches Problem ist grundsätzlich schon gegeben, an der "Wahrnehmung von Rechten" scheitert es hier also nicht.

    Aber Angriffspunkte wären:

    - anderweitige Hilfemöglichkeit (scheidet hier m.E. aus, in Betracht käme höchstens das BAMF oder eine caritative Einrichtung, auf die ich in meinem Beritt jedenfalls nicht guten Gewissens verweisen könnte)
    - Mutwilligkeit (Eigentätigkeit; gerade noch kein belastender Bescheid ergangen, daher Eigentätigkeit zumutbar; Tätigkeit erschöpft sich in reinem Sachvortrag).

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Aus den Gründen eines richterlichen Beschlusses des AG Kiel vom 14.08.2015 (Az. 7 UR II 4127/15), durch den die Erinnerung gegen den Zurückweisungsbeschluss des Rechtspflegers unanfechtbar zurückgewiesen worden ist:

    "... Der Antragsteller muss sich derzeit auf anderweitig zur Verfügung stehende Beratungsmöglichkeiten, wie die der Ausländerbehörde und sonstiger Organisationen, verweisen lassen. Diese sind dem Antragsteller auch zumutbar. Da es bei der Stellung eines Asylantrags lediglich auf die Schilderung von Tatsachen, nämlich der Asylgründe ankommt, ist die Stellung eines solchen auch durch einen Antragsteller ohne Rechtskenntnisse möglich. Etwas anderes kann bei Einlegung eines Widerspruchs gegen einen ablehnenden Bescheid wegen dessen besonderer Bedeutung für das Schicksal des Betroffenen oder bei sonstigen besonderen Problemlagen gelten. Derartiges ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist nicht ausreichend, dass es im Verlauf des Verfahrens zu tatsächlichen oder rechtlichen Problemen kommen kann.

    Auch von Verfassungs wegen ist eine anderslautende Entscheidung nicht geboten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Beschlüssen vom 06.02.1992 - 2 BvR 1804/91 und vom 19.12.1988 - 1 BvR 1492/88 festgestellt, dass der Ausschluss von der Beratungshilfe keine Verletzung von Art. 16a Abs. 1 GG (Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a.F.) zu begründen vermag. Das Beratungshilfegesetz soll lediglich sicherstellen, dass "Bürger mit geringem Einkommen und Vermögen nicht durch ihre finanzielle Lage daran gehindert werden, sich außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Rechtsrat zu verschaffen. [...] Ein gesetzgeberischer Wille zur grundlegenden Sicherung des Bestandes des Asylrechts ist dem nicht zu entnehmen." Das Grundrecht auf Asyl verleihe "keinen Anspruch auf staatliche Übernahme der Kosten für einen Bevollmächtigten und einen Dolmetscher eigener Wahl im Asylverwaltungsverfahren." ..."

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Aus den Gründen eines richterlichen Beschlusses des AG Kiel vom 14.08.2015 (Az. 7 UR II 4127/15),[...]

    Da es bei der Stellung eines Asylantrags lediglich auf die Schilderung von Tatsachen, nämlich der Asylgründe ankommt, ist die Stellung eines solchen auch durch einen Antragsteller ohne Rechtskenntnisse möglich. "

    meines Erachtens nicht einschlägig, da es bei AG Kiel wohl nur um Stellen des Asylantrages an sich ging, also reinen Tatsachenvortrag. Die Anhörung zu schutzwürdigen Interessen, die im Rahmen einer Abwägung zu berücksichtigen sind (oder eben nicht), erfordert dagegen schon eher juristische Kenntnisse.

  • Für eine Anhörung gibt es bei mir keine Beratungshilfe. Er muss ja nur die Wahrheit sagen. Das ist (für mich) keine Wahrnehmung von Rechten. Erst dann, wenn eine Entscheidung ergeht, gegen die er Widerspruch etc. einlegen möchte.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Habt Ihr Euch schon mal mit Asylrecht beschäftigt? Da muss man verdammt genau überlegen, was man sagt. Allein die Problematik der angeblich sicheren Länder, durch die man auf der Balkanroute gekommen ist, wie man dort behandelt wurde, ob von der Polizei registriert usw. ist hoch problematisch. Das Bundesamt bietet bei der Anhörung eine Art der Antragstellung an, die zu einem beschleunigten Verfahren ohne Rechtsnachteile führen soll. Da wird aber kein Asylantrag aufgenommen. Wer das alles nicht weiß, hat seine Abschiebungsverfügung schon selbst unterschrieben.
    Übrigens gibt es dagegen keinen Widerspruch, sondern nur Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und Klage, Frist für beides eine Woche. Such Dir mal in der Zeit einen Anwalt, der Dich vorher noch nie gesehen hat, u.U. mit Dolmetscher arbeiten muss und das fristgerecht hinkriegt.
    Das rechtliche Problem haben die Leute doch schon, wenn sie die Grenze überschritten haben, dann sind sie nämlich bereits illegal hier.
    Wenn Ihr unbedingt ablehnen wollt, müsst Ihr auf andere Hilfsmöglichkeiten wie die Beratungsstellen bei Caritas etc. verweisen. Die sind heillos überlastet.

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..


  • Wenn Ihr unbedingt ablehnen wollt,

    Ich dachte, dass wir von dem Pferd schon längst abgestiegen wären... ;)

    Zitat

    müsst Ihr auf andere Hilfsmöglichkeiten wie die Beratungsstellen bei Caritas etc. verweisen. Die sind heillos überlastet.

    Darum ist ja im Einzelfall auch zu prüfen, ob die anderweitige Hilfemöglichkeit zumutbar ist. Überlastete caritative Einrichtungen, die nicht helfen können (oder bei denen man x Monate warten muss) wären in dem Fall dann auch nicht zumutbar.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Mein Abteilungsrichter neigt (leider) zur Bewilligung, sodass er mich im Falle eines Rechtsmittels aufheben würde. Meine Begründung in der Zurückweisung muss daher ausführlich und gut sein. ;)


    Wenn Ihr unbedingt ablehnen wollt,

    Ich dachte, dass wir von dem Pferd schon längst abgestiegen wären... ;).

    :gruebel: :teufel:

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..

  • Habt Ihr Euch schon mal mit Asylrecht beschäftigt? Da muss man verdammt genau überlegen, was man sagt. Allein die Problematik der angeblich sicheren Länder, durch die man auf der Balkanroute gekommen ist, wie man dort behandelt wurde, ob von der Polizei registriert usw. ist hoch problematisch. Das Bundesamt bietet bei der Anhörung eine Art der Antragstellung an, die zu einem beschleunigten Verfahren ohne Rechtsnachteile führen soll. Da wird aber kein Asylantrag aufgenommen.Wer das alles nicht weiß, hat seine Abschiebungsverfügung schon selbst unterschrieben.
    ...

    Vorweg, ich kenne mich da nicht aus. Wie wäre es denn mit der Wahrheit? Das sind doch (alles?) Tatsachenfragen. Welche Rechtsfragen wären zu klären?

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Er muss ja nur die Wahrheit sagen.


    Aus welcher Vorschrift ergibt sich das?

    Aus welcher Vorschrift ergibt sich etwas Gegenteiliges?

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Habt Ihr Euch schon mal mit Asylrecht beschäftigt? Da muss man verdammt genau überlegen, was man sagt. Allein die Problematik der angeblich sicheren Länder, durch die man auf der Balkanroute gekommen ist, wie man dort behandelt wurde, ob von der Polizei registriert usw. ist hoch problematisch. Das Bundesamt bietet bei der Anhörung eine Art der Antragstellung an, die zu einem beschleunigten Verfahren ohne Rechtsnachteile führen soll. Da wird aber kein Asylantrag aufgenommen.Wer das alles nicht weiß, hat seine Abschiebungsverfügung schon selbst unterschrieben.
    ...

    Vorweg, ich kenne mich da nicht aus. Wie wäre es denn mit der Wahrheit? Das sind doch (alles?) Tatsachenfragen. Welche Rechtsfragen wären zu klären?

    Mein Reden!

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Er muss ja nur die Wahrheit sagen.


    Aus welcher Vorschrift ergibt sich das?


    Aus welcher Vorschrift ergibt sich etwas Gegenteiliges?


    Ich hab zuerst gefragt... :) Es sind doch Binsen, dass man sich in rechtsstaatlichen Verfahren, im Grundsatz gerade nicht selbst belasten muss, über ein Recht zu Schweigen verfügt, es den Dispositionsgrundsatz gibt.
    Von daher wären gesetzliche Ausnahmen vom Grundsatz schon interessant (mal abgesehen davon, dass das strukturell in genau die rechtliche Prüfung hineinreicht, die für den Bürger sinnvollerweise besser ein unabhängiger Anwalt als ein Rechtspfleger am Beratungshilfegericht durchführt).
    Ich lasse mich ja gerne eines besseren belehren, aber einfach allgemein zu behaupten, man müsse stets gegenüber Behörden die Wahrheit sagen, trifft ja offensichtlich nicht zu.

  • ... Ich hab zuerst gefragt... :) Es sind doch Binsen, dass man sich in rechtsstaatlichen Verfahren, im Grundsatz gerade nicht selbst belasten muss, über ein Recht zu Schweigen verfügt, es den Dispositionsgrundsatz gibt. ...



    Könnte sein, dass die Binsen in Wirklichkeit eine Binsenweisheit ist. ;)
    Tatsächlich bedarf es des Grundsatzes, dass niemand sich selbst belasten muss, damit man von der allgemeinen Wahrheitspflicht im Umgang mit Ämtern und Behörden erstmal wegkommt. Deswegen gibt es so nette Straftaten wie mittelbare Falschbeurkundung, § 271 StGB. Und der Dispositionsgrundsatz hat mit der Verpflichtung zur Wahrheit nun überhaupt nichts zu tun. Wie § 138 ZPO zeigt, gilt die Verpflichtung zur Wahrheit auch (und gerade) bei Geltung des Dispositionsgrundsatzes.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Na das klingt doch bzgl. "Wahrheit sagen" überzeugend.
    Und wie sieht es mit der zweiten Voraussetzung von "Wahrheit sagen müssen" aus?

  • Esgibt doch zwei Arten von Behördenkontakten:

    a) Den freiwilligen, weil ich etwas von der Behörde will. Wenn ich da falsche Angaben mache, führt das im Zweifel zu einem falschen Bewilligungsbescheid (und damit § 271, ev. Betrug o.ä.). Also Pflicht zur Wahrheit.

    b) Den unfreiwilligen, weil die Behörde etwas von mir will. Z.B. von Behörden mit Zwangsbefugnissen, bei denen die Wahrheitspflicht regelmäßig noch gesondert verankert ist, es sei denn, ich genieße den Schutzstatus eines Betroffenen oder Beschuldigten. Der praktisch wichtigste Fall des unfreiwilligen Behördenkontakts dürfte das Finanzamt sein, bei dem die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben in § 90 AO besonders geregelt ist. Also auch hier Wahrheitspflicht.

    Fazit: Mir bleibt in gewissen Grenzen nur die Freiheit zu entscheiden, gegenüber einer Behörde keine Dinge zu erzählen, die nicht in deren Zuständigkeitsbereich fallen. So dürfte ich z.B. gegenüber dem Finanzamt wohl über mein Liebesleben schweigen - und vielleicht auf unverschämte Nachfrage sogar lügen, wenn sich daran nicht gerade ein steuerlicher Sachverhalt wie die behauptete zweite Haushaltsführung knüpft. Innerhalb des konkreten Antrags-/Auskunftsverfahrens sollte ich mir aber keine Unwahrheiten erlauben, weil ich die Wahrheit sagen muss.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Nach den Erläuterungen im letzten Post dürfte es dann aber keine Beratungshilfe für Anhörung zu Asylantrag geben - der Ast. will etwas und ist also verpflichtet die Wahrheit zu sagen, dafür braucht man keinen RA

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