Stimmrecht Schuldnervertreter

  • Hallo,

    ich habe ein mögliches Problem:

    in einem Verfahren steht die erste Gläubigerversammlung an. Es "droht" u.a. Verwalterneuwahl und anderes. Gläubiger mit der größten Forderung ist der Schuldner-Vertreter. Der Rechtsanwalt hat massenhaft Forderungen aus ausstehenden Honoraren und diese auch bereits angemeldet. Gleichzeitig vertritt er den Schuldner weiterhin im Insolvenzverfahren.
    ich habe mir nun die bekannten Entscheidungen (LG Hamburg, AG Duisburg) zu diesem Thema angeguckt. Die schließen aus § 43a BRAO, § 3 BORA, dass der RA keine Gläubiger vertreten darf. Aber das macht er hier ja nicht. Er vertritt sich praktisch nur selbst? Kann er denn gleichzeitig sein Stimmrecht für seine eigene Forderungen wahrnehmen und den Schuldner vertreten? Und falls nicht, was ist die Konsequenz? Sein Stimmrecht auf 0 setzen dürfte doch nicht möglich sein, denn er hat sich ja nicht selbst bevollmächtigt? Oder muss ich dann die Vertretung des Schuldners "angreifen"?

    Wie seht Ihr das?

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ich erlaube mir erstmal die Entscheidungen einzustellen, vielleicht braucht man sie später ja noch einmal:

    LG Hamburg vom 01.12.2006, Aktenzeichen: 326 T 93/06 (BGH 9. Zivilsenat, 23. Oktober 2008, Az: IX ZB 235/06)
    AG Duisburg vom 08.10.2007, Aktenzeichen: 62 IN 32/07

    Aus der Hamburger Entscheidung geht es doch m.E. eindeutig hervor, wonach widerstreitende Interessen nicht vertreten werden dürfen. Die Folge davon ist § 139 BGB.

    Ich würde auf jeden Fall den Richter mit in den Termin nehmen.

  • ...

    Aus der Hamburger Entscheidung geht es doch m.E. eindeutig hervor, wonach widerstreitende Interessen nicht vertreten werden dürfen. Die Folge davon ist § 139 BGB.

    Ich würde auf jeden Fall den Richter mit in den Termin nehmen.

    Habe ich auch erst gedacht. Aber darüber lassen die sich gar nicht aus. Die schreiben in den Gründen, dass der RA eigene Forderungen hat. Aber in der weiteren Begründung geht es nur um die ihm erteilten Vollmachten anderer Gläubiger. Und diese alle wurden für nichtig erklärt.

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  • Hier dürfte eher die von rainermdvz herangezogene Entscheidung des AG Duisburg einschlagen, dort aber nicht die Ausführungen zum Rechtsanwalt (unter B. 2.), sondern zum "organschaftlichen Vertreter des Schuldners" (unter B. 3.).

    Denn es geht ja nicht um Vollmachten für einen Gläubiger, sondern der Rechtsanwalt ist selbst Gläubiger. Problematisch ist seine gleichzeitige Vertretung des Schuldners. Solange er daher weiterhin den Schuldner vertritt, ist er - mit dem AG Duisburg - "bei der Wahl eines neuen Insolvenzverwalters wegen einer schwerwiegenden Interessenkollision von der Teilnahme an der Abstimmung ausgeschlossen". Die Begründung des AG Duisburg für den Geschäftsführer einer Schuldnerin dürfte auch für den anwaltlichen Vertreter des Schuldners gelten.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Hier dürfte eher die von rainermdvz herangezogene Entscheidung des AG Duisburg einschlagen, dort aber nicht die Ausführungen zum Rechtsanwalt (unter B. 2.), sondern zum "organschaftlichen Vertreter des Schuldners" (unter B. 3.).

    Denn es geht ja nicht um Vollmachten für einen Gläubiger, sondern der Rechtsanwalt ist selbst Gläubiger. Problematisch ist seine gleichzeitige Vertretung des Schuldners. Solange er daher weiterhin den Schuldner vertritt, ist er - mit dem AG Duisburg - "bei der Wahl eines neuen Insolvenzverwalters wegen einer schwerwiegenden Interessenkollision von der Teilnahme an der Abstimmung ausgeschlossen". Die Begründung des AG Duisburg für den Geschäftsführer einer Schuldnerin dürfte auch für den anwaltlichen Vertreter des Schuldners gelten.

    Das stimmt. Was mich ja noch weiter beschäftigt, ob ich eigentlich außerhalb dieser Gläubigerversammlung möglicherweise in diesem Punkt noch tätig werden muss?

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  • Hier dürfte eher die von rainermdvz herangezogene Entscheidung des AG Duisburg einschlagen, dort aber nicht die Ausführungen zum Rechtsanwalt (unter B. 2.), sondern zum "organschaftlichen Vertreter des Schuldners" (unter B. 3.).

    Denn es geht ja nicht um Vollmachten für einen Gläubiger, sondern der Rechtsanwalt ist selbst Gläubiger. Problematisch ist seine gleichzeitige Vertretung des Schuldners. Solange er daher weiterhin den Schuldner vertritt, ist er - mit dem AG Duisburg - "bei der Wahl eines neuen Insolvenzverwalters wegen einer schwerwiegenden Interessenkollision von der Teilnahme an der Abstimmung ausgeschlossen". Die Begründung des AG Duisburg für den Geschäftsführer einer Schuldnerin dürfte auch für den anwaltlichen Vertreter des Schuldners gelten.

    Das stimmt. Was mich ja noch weiter beschäftigt, ob ich eigentlich außerhalb dieser Gläubigerversammlung möglicherweise in diesem Punkt noch tätig werden muss?

    M.E. nein, da der Anwalt im Tabellenprüfungsverfahren zwar seinen Mandanten zu beraten hat, aber Schweigen des Schuldners ist etwas, was das Gericht nicht auf Interessenkollision zu überprüfen hat.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
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    :daumenrau

  • Guten Morgen,

    ich greife das Thema noch einmal auf, da mir ebenfalls ein Fall vorliegt, in dem ein Rechtsanwalt Insolvenzgläubiger mit einer festgestellten Forderung ist und gleichzeitig als Schuldnervertreter auftritt. Der Schuldner ist eine natürliche Person, der die Restschuldbefreiung anstrebt.

    Ich frage mich, ob ich nicht den Rechtsanwalt generell als Vertreter des Schuldners ausschließen muss, denn der Rechtsanwalt könnte wegen seiner eigenen Forderung an der ordnungsgemäßen Vertretung des Schuldners gehindert sein.
    Es ist für ihn von Vorteil, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wird, sodass sich jede Obliegenheitsverletzung des Schuldners für ihn positiv auswirken dürfte. Wenn er aber Vertreter des Schuldners ist, müssten der Insolvenzverwalter wie auch ich als Gericht jeden Schriftverkehr mit dem Rechtsanwalt führen und nicht mit dem Schuldner.
    Wenn man den Rechtsanwalt nicht vollständig ausschließt, frage ich mich, ob der Schuldnervertreter auch bei der Prüfung von (fremden) Forderungen von der Vertretung auszuschließen ist.

    Vielen Dank und liebe Grüße

  • Ich glaube tatsächlich nicht, dass die BRAO hier greift. Die setzt immer eine Kollision zweier Tätigkeiten als RA (§ 43a BRAO) oder in anderer "dienstlicher" Funktion (§ 45 BRAO) voraus. Hier ist der RA aber einmal als Privatperson für seine eigene Forderung und nur einmal "dienstlich" tätig, so dass es "nur" zur Kollision privater und dienstlicher Interessen kommt. Man käme daher wohl nur mit der Generalklausel nach § 43 BRAO weiter, und ob das hier hilft?

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Ich glaube tatsächlich nicht, dass die BRAO hier greift. Die setzt immer eine Kollision zweier Tätigkeiten als RA (§ 43a BRAO) oder in anderer "dienstlicher" Funktion (§ 45 BRAO) voraus. Hier ist der RA aber einmal als Privatperson für seine eigene Forderung und nur einmal "dienstlich" tätig, so dass es "nur" zur Kollision privater und dienstlicher Interessen kommt. Man käme daher wohl nur mit der Generalklausel nach § 43 BRAO weiter, und ob das hier hilft?

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Ich sehe das ähnlich wie AndreasH.
    Immer gleich strukturell eine Prävarikation zu unterstellen (sie ist häufig strukturell gegeben, aber eben nicht immer !), nur weil sie situativ denkbar wäre, ohne dass die entsprechende Situation gegeben ist, hilft nicht. Stellte in dem gewählten Beispiel - und nur dann wären die Folgen der Prävarikation zu vertiefen - der schuldnerische Vertreter in seiner Eigenschaft als Gläubiger einen Versagungsantrag, dann ist er von einer Vetretung ausgeschlossen (begründet er den Antrag mit Kenntnissen aus seiner Beratungstätigkeit, wäre darüberhinaus über § 356 StGB nachzudenken).
    In Terminen mit Abstimmungen habe ich es bisher immer konsensual zum Ergebnis einer Enthaltung gebracht, selbst wenn nur ansatzweise eine Interessenkollision denkbar wäre. Der § 43 BRAO hilft hinsichtlich der Ausübung der Vertretung nicht verfahrensrechlich weiter, nur standesrechtlich.
    Andere Baustelle waren Vergleichstermine oder Planabstimmungstermine. Da gehen wir auch nicht mehr mit der Krücke der gebundenen Marschroute, da diese bei komplexen Plänen nicht mehr wirklich gangbar ist.

    mfg
    Def

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