Insolvenzanfechtung für Dummies

  • Ist das Finanzamt mal nicht Ziel von Spott, Häme und Insolvenzanfechtung, dann ist es auch nicht glücklich, sondern macht sich gleich für andere Gläubiger stark.

    Oder liegt es daran, dass eine Menge sauer eingezogene Steuergelder an ARD und ZDF gehen :gruebel:.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • nun was den "Verbraucher" betrifft, sollte sich der Schriftverkehr zur Ratenzahlungsveinbahrung angeschaut werden.......

    Wilkommen Dr. Hiebert, freut mich

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Es hätte schon einmal ausführen müssen, weshalb der Gläubiger annehmen musste, dass es noch weitere gab.

    Allgemeine Lebenserfahrung.

    Der Verbraucher nimmt sicherlich nicht in der gleichen Weise wie ein Selbständiger am Geschäftsleben teil. Aber nach allgemeiner Lebenserfahrung, von der bei den Selbständigen durch die Blume wohl auch ausgegangen wird, haben auch die Verbraucher nicht nur einen Gläubiger. Diese kommen nur aus anderen Sparten (Banken mit Hausfinanzierungen, Telekommunikationsunternehmen, Versandunternehmen etc.).

    Nicht jeder Verbraucher hat ein Haus; die meisten Deutschen leben "zur Miete". Die Handyrechnung wird zuerst bezahlt, weil das Gerät sonst schnell gesperrt ist und die Handyspiele nicht mehr genutzt werden können. Versandunternehmen? Quelle und Neckermann sind Geschichte. Und Amazon ist sehr strickt, wenn einmal nicht gezahlt wird. Aber der gutmütige Enerergieversorger mahnt erst mehrfach und Rückstände können in Raten abgestottert werden. Wenn der Kunde die Raten dann zahlt, sehe ich nicht, weshalb es einen Erfahrungssatz dahingehend geben sollte, dass der Kunde noch weitere Gläubiger hat, die ausfallen, wenn gerade meine Rate oder Rechnung als Energieversorger gezahlt wird :)

    Ich werfe an dieser Stelle mal das LG Frankfurt (Oder) vom 10.07.2006 - 14 O 426/05 - in den Raum:

    Zitat

    Kommt der Stromkunde regelmäßig in Verzug, tilgt jedoch immer wieder die Rückstände, kann selbst dann keine Kenntnis des Stromversorgungsunternehmens von der Zahlungsunfähigkeit iSd 130 Abs 1 S 1 Nr 1 InsO angenommen werden, wenn der Kunde wiederholt erst zur Abwendung der Versorgungseinstellung bzw zur Wiederaufnahme der Versorgung gezahlt hat.

    Es gibt eine schöne Statistik (der sog. Monitoringbericht der Bundesnetzagentur für 2013 im Strombereich):
    - 5.678.762 von den Lieferanten versandte Unterbrechungsandrohungen
    - 1.180.138 von den Lieferanten beauftragte Unterbrechungen
    - 321.539 tatsächlich durchgeführte Unterbrechungen

    (Gas ist weniger, jedoch im Verhältnis ähnlich zu beziffern)

    Wie viele dieser "verschont Gebliebenen" letztlich tatsächlich wegen anderer Schulden in die Insolvenz gegangen sind, weiß ich leider nicht - halte es jedoch für naheliegender, dass es nahezu ein "Volkssport" ist, Energieschulden auf den letzten Drücker zu zahlen, weil das Geld zunächst anderweitig (für andere Gläubiger?) ausgegeben wird, gerade weil allgemein bekannt ist, dass der Versorger ziemlich lange stillhält.

  • Das blöde an der Insolvenzanfechtung ist, dass man immer ausreichend Argumente pro und contra findet und die Gewichtung derselben immer vom gewünschten Ergebnis abhängt. Gerade das macht m. E. die Insolvenzanfechtung so unvorhersehbar, was m. E. mit ein Grund für die hohe Bereitschaft von Vergleichen ist.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Das blöde an der Insolvenzanfechtung ist, dass man immer ausreichend Argumente pro und contra findet und die Gewichtung derselben immer vom gewünschten Ergebnis abhängt. Gerade das macht m. E. die Insolvenzanfechtung so unvorhersehbar, was m. E. mit ein Grund für die hohe Bereitschaft von Vergleichen ist.

    :meinung: - besser kann man es nicht zusammen fassen.

    Man kann sogar den gleichen Fakt unterschiedlich interpretieren:

    SV: Schuldner zahlt eine in ihrer Höhe nur untergeordnete Forderung nicht oder nur schleppend.

    Interpretation 1: Der Schuldner ist nach seinen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mal mehr in der Lage, eine derart geringe Forderung zu zahlen.

    Interpretation 2:
    Da es sich nur um eine geringe Forderung handelt, kann diese für die Betrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Insolvenzschuldners nicht relevant sein.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Interpretation 2: Da es sich nur um eine geringe Forderung handelt, kann diese für die Betrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Insolvenzschuldners nicht relevant sein.

    Interpretation 2a: Da es sich aber um Arbeitnehmersozialversicherungsanteile handelte, mit den möglichen Folgen des § 266a StGB, kommt dieser Nichtzahlung eine hohe indizielle Bedeutung zu..

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Unabhängig von der Tatsache, dass eine schleppende Steuerzahlung nach Urteil des BGH vom 30.06.2011, IX ZR 134 /10, schon per se verdächtig ist, wurde heute bei uns im Büro in einer Diskussion auch die Meinung vertreten, dass schon die häufige Hinnahme vom Säumniszuschlägen [aufgrund verspäteter Zahlung] ein Indiz für eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit und damit für eine Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes ist.

    Sollte es wirklich so einfach sein?

    [Im konkreten Fall erfolgten die Steuerzahlungen meist nach der ersten formularmäßigen Mahnung des Finanzamtes. Aber eben immer unter Verwirklichung von Säumniszuschlägen].

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ich finde, allein die Tatsache, dass der Anfechtungsgegner der Fiskus ist, lässt darauf schließen, dass sämtliche Voraussetzungen für einen Anfechtungsanspruch + Zinsen vorliegen. :cool:

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Auch wenn ich Exec die Einsicht in die Notwendigkeit hoch anrechne, meine ich doch, dass allein die Hinnahme von Säumniszuschlägen kein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit ist. Sonst könntest Du auch argumentieren, die Hinnahme von gesetzlichen Verzugszinsen sei ein Beweisanzeichen. Aus meiner Sicht etwas abseits vom Weg.

    Allerdings solltest Du Dir die "formularmäßige Mahnung" nochmal genauer ansehen. Dort wird - gerne auch im Fettdruck - auf die mögliche Vollstreckung und auf die persönliche Haftung der Geschäftsführer nach § 69 AO hingewiesen. Daraus kann man möglicherweise den Vollstreckungsdruck ableiten sowie die - bei Krankenkassen wegen § 266a StGB schon anerkannte - bevorzugte Befriedigung gerade dieses Gläubigers zur Vermeidung der drohenden Haftung.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Sehe ich im Grundsatz ähnlich. Nicht die Anzahl oder die Höhe von Säumniszuschlägen gestattet den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit, sondern schlicht die Frage, wie lange die jeweilige - dem Säumniszuschlag zugrundeliegende - Forderung trotz welcher "Maßnahmen" nicht bezahlt wurde.

    Wenn z.B. eine Krankenkasse wirklich auf Zack ist und schon nach sieben Tagen Säumnszuschläge verhängt, die dann samt der jeweiligen Hauptforderung jeweils am 9. Tag bezahlt werden, gibt das m.E. auch bei 50 Säumniszuschlägen keine ZU ab.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Es gibt auch Unternehmen, die bezahlen, trotz Liquidität, immer erst nach der ersten Mahnung oder Zahlungsaufforderung .:alarm

  • AndreasH:

    Säumniszuschläge werden nicht verhängt sondern entstehen per Gesetz ab dem ersten Säumnistag ohne jedes Zutun der Behörde.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Es gibt auch Unternehmen, die bezahlen, trotz Liquidität, immer erst nach der ersten Mahnung oder Zahlungsaufforderung .:alarm

    Ein beliebtes Argument der Berufsgenossenschaft Bau.

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  • Unabhängig von der Tatsache, dass eine schleppende Steuerzahlung nach Urteil des BGH vom 30.06.2011, IX ZR 134 /10, schon per se verdächtig ist, wurde heute bei uns im Büro in einer Diskussion auch die Meinung vertreten, dass schon die häufige Hinnahme vom Säumniszuschlägen [aufgrund verspäteter Zahlung] ein Indiz für eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit und damit für eine Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes ist.

    Sollte es wirklich so einfach sein?

    [Im konkreten Fall erfolgten die Steuerzahlungen meist nach der ersten formularmäßigen Mahnung des Finanzamtes. Aber eben immer unter Verwirklichung von Säumniszuschlägen].

    Schau Dir mal die Kommentierung bei Eilenberger, in MünchKomm-InsO, 3. Auflage 2013, § 17 Rdnr. 30, an. Wenn schon die verspätete Zahlung und die Nichtinanspruchnahme von Sconti als Indiz herhalten, dann sollte das regelmäßige Anfallenlassen von SZ in jedem Fall auch dazu gehören. Dass allein dieses Indiz nicht für die Annahme einer Zahlungseinstellung ausreicht, dürfte allerdings auch klar sein.

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