Sittenwidrige Darlehen/Bürgschaft - Objektverwertung in InsO

  • Hallo zusammen, folgendes Problem: Schuldnerin ist in InsO. Derzeit läuft die Frist zur Forderungsanmeldung. Schuldnerin bringt nun den Einwand, dass sämtl. Darlehen u. BÜ aus 2001 und später ggf. sittenwidrig sind, da sie bei Abschluss der Verträge immer ohne Einkommen war, da bereits ein bzw. später mehrere Kinder vorhanden waren und sie fortdauernd in Elternzeit war. Sie war somit nicht einmal in der Lage, die laufende mtl. Zinsverpflichtung zu erbringen.

    Nun trat die Frage auf, ob ich zum einen die Forderungen wirksam feststellen oder vorl. bestreiten soll und zum anderen was mit dem hälftigen Erlös aus der Immo, welche sich in ZVG befindet, passiert. Schuldnerin ist hälftige Miteigentümerin. Müssen die Banken den hälftigen Erlös an die Schuldnerin bzw. nunmehr an die Masse herausgeben, oder können diese den Anteil, welcher pro Rang auf den ME-Anteil der Frau entfallen würde, wirksam mit der gesamtschuldnerischen Darlehensforderung des geschiedenen Ehemannes, welcher ebenfalls hälftiger Eigentümer ist, verrechnen. Müsste die Schuldnerin bei Sittenwidrigkeit ggf. auch die Rechtmäßigkeit der geschlossenen Sicherheitenverträge (Zweckerklärung) angehen? Bei einem Darlehen ist die Schuldnerin nur Bürgin, hat allerdings eine (Dritt-)Sicherheit in Form einer (werthaltigen erstrangigen) Grundschuld gestellt; Darlehensnehmer ist nur der geschiedene Ehemann. Sie bewohnt das Objekt nach wie vor mit ihren Kindern, hat somit zumindest den kostenfreien Wohnvorteil.

  • 1. Von einem sittenwidrigen Darlehen habe ich noch nie etwas gehört, aber man lernt ja nicht aus.

    2. Wenn man an der Ausssage, dass eine gegebene Bürgschaft sittenwidrig sein könnte, sollte man die geltend gemachte Forderung bestreiten. Vorläufiges Bestreiten bedeutet, dass man auf alle Fälle die Tabelle noch einmal in die Bearbeitung nehmen muss.

    3. Zum gegenwärtigen Stand hat die Schuldnerin mit der weiteren Verfolgung der Sache nichts am Hut. Das ist dann Sache des IV.

    4. Warum zahlt die Schuldnerin keine Nutzungsentschädigung an die Masse?

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Hallo,

    also meiner Meinung nach gibt es keinen Grund, die Forderungen nicht festzustellen. Sofern die Schuldnerin der Meinung ist, dass die zugrundeliegenden Verträge ggf. aufgrund von Sittenwidrigkeit nichtig sind, dann kann sie ja Widerspruch gegen die Feststellung erheben. Vor allem wären, um beurteilen zu können, ob ggf. eine Sittenwidrigkeit gegeben sein könnte, weitere Sachverhaltsangaben notwendig. Grob gesagt kommt es ja drauf an, aus welchen Gründen sie die Verträge damals abgeschlossen hat. Sofern dies aus freien Stücken geschehen ist und geplant war (z.B. weil sie ein Haus bauen wollte und dies finanziert werden musste), würde ich die Chancen da als recht gering einstufen. Wollte nur ihr Mann was abschließen für sich und die Bank hat es zur Bedingung gemacht, dass ein weiterer Darlehensnehmer mit unterzeichnet, dann wäre das ggf. was anderes. So zumindest Urteil des OLG Dresden vom 06. Dezember 2006, Az. 12 U 1394/06.
    Und was den ZV-Erlös angeht muss man ja auch unterscheiden zwischen der persönlichen Forderung und der dinglichen Sicherheit mit Absonderungsrecht (Stichwort Abstraktionsprinzip).
    Und warum sollte die Bank das, was sie vom Anteil der Schuldnerin erhält, nicht auf die Forderung auch des Ehemannes verrechnen dürfen? Dafür sind sie ja Gesamtschuldner. Da wäre dann allenfalls zu prüfen, ob die Schuldnerin daraus einen Ausgleichsanspruch erhält, den man ggf. im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend machen müsste.

    Edit nach dem Beitrag von La Flor:
    Sicher KÖNNTE man (vorläufig) bestreiten, aber das m.E. nur, wenn es nach dem Sachverhalt (der hier nicht vollständig bekannt ist) handfeste Anhaltspunkte gibt, dass die Verträge tatsächlich sittenwidrig nichtig sein könnten und man die Masse damit einem Kostenrisiko aussetzen kann, wenn es zu einer Feststellungsklage kommt.

  • Sofern die Schuldnerin der Meinung ist, dass die zugrundeliegenden Verträge ggf. aufgrund von Sittenwidrigkeit nichtig sind, dann kann sie ja Widerspruch gegen die Feststellung erheben.

    ..und dann? Der Schuldnerin kann es, sofern später die RSB erteilt wird, egal sein, ob die Forderung festgestellt worden ist oder nicht. Im Gegensatz zum IV.


    Und warum sollte die Bank das, was sie vom Anteil der Schuldnerin erhält, nicht auf die Forderung auch des Ehemannes verrechnen dürfen? Dafür sind sie ja Gesamtschuldner. Da wäre dann allenfalls zu prüfen, ob die Schuldnerin daraus einen Ausgleichsanspruch erhält, den man ggf. im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend machen müsste.

    Was in sich zusammenbricht, wenn man die Sittenwidrigkeit erfolgreich angeht.

    ... und man die Masse damit einem Kostenrisiko aussetzen kann, wenn es zu einer Feststellungsklage kommt.

    welches wahrscheinlich überschaubar sein dürfte, da sich der Wert nach der Höhe der Quote und nicht nach dem Wert des Absonderungsrechtes richtet.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ja, das ist auch wieder wahr ;)

    Aber wie gesagt: Um beurteilen zu könne, ob hier überhaupt eine Nichtigkeit in Betracht käme (auch nur im Entferntesten) wären weitere Sachverhaltsangeben erforderlich.

  • Es gibt in der Tat Rechtsprechung des BGH, wonach das Bürgschaftsversprechen einer wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Person nichtig ist.

    Dieses Urteil bezog sich auf eine Hausfrau ohne jegliches Einkommen und mit zahlreichen Kindern. Sobald der Bürge bei seiner Unterschrift auch nur über das kleinste Einkommen verfügt, ist das Urteil nicht mehr anwendbar.

    Eine Bürgschaft kann aber schon deshalb nichtig sein, weil ein besonders grobes Missverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Bürgen besteht und dieser aus Geschäftsunerfahrenheit ohne wesentliches Eigeninteresse gehandelt hat (BGH,Urt. v. 24.02.1994 – IX ZR 93/93).

    Wenn noch nicht rechtskräftig tituliert ist, wäre auch die Verjährung zu prüfen:

    Der Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen verjährt selbständig nach der allgemeinen Verjährungsfrist des § 195 BGB; mithin nach drei Jahren mit Ablauf des Kalenderjahres. Die Verjährung gegenüber dem Bürgen beginnt mit Fälligkeit der Bürgschaftsforderung; im Falle einer selbstschuldnerischen Bürgschaft somit regelmäßig mit Fälligkeit der gesicherten Forderung.
    https://www.anwalt.de/rechtstipps/wi…ird_000223.html

    Für eine genaue Prüfung fehlen aber die Einzelheiten.

  • Bei der Frage der Nichtigkeit von Bürgschaft und/oder Kreditverpflichtung ist im Kern wie folgt abzuschichten:

    a) Hat die Bürgin/Mitdarlehensnehmerin für die Bürgschaft/das Darlehen einen unmittelbaren eigenen Vorteil erlangt? Das ist z.B. der Fall, wenn damit eine Immobilie finanziert wurde und sie beim Immobilienerwerb selbst Miteigentümerin wurde. Falls ein solcher unmittelbarer Vorteil vorliegt, stirbt an dieser Stelle die Diskussion um die Nichtigkeit. Es muss aber ein unmitelbarer Vorteil sein, ein mittelbarer Vorteil, z.B. weil die Ehefrau nun im größeren Haus ihres Ehemannes (mit-)lebt, reicht nicht.

    b) Falls kein unmittelbarer eigener Vorteil dabei ist, kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse bei Aufnahme der Bürgschaft/des Darlehens an. Waren die Verhältnisse so schlecht, dass aus dem pfändbaren Anteil nicht einmal die Zinsen bedient werden können, greift die Sittenwidrigkeit. Können zwar die Zinsen bedient werden, aber keine Tilgung geleistet werden, dürfte auch das noch sittenwidrig sein. Wenn noch ein wenig getilgt werden kann, dann setzt die Einzelfalldiskussion ein. Tilgung in 30 Jahren ist regelmäßig nicht sittenwidrig -es sei denn, es handelt sich um eine 80jährige mit noch 5 Jahren Lebenserwartung ... (etc.)

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Der Zinssatz könnte sittenwidrig sein, wenn größer als der doppelte, übliche Bankzins bei Abschluß des Vertrages. Die Schin sollte auch vorsichtig sein. Ein "kleinlicher" Staatsanwalt könnte es als Betrug auslegen, wenn ein Sch einen Kredit aufnimmt, obwohl er nicht in der Lage ist Raten zu zahlen.

  • ... Die Schin sollte auch vorsichtig sein. Ein "kleinlicher" Staatsanwalt könnte es als Betrug auslegen, wenn ein Sch einen Kredit aufnimmt, obwohl er nicht in der Lage ist Raten zu zahlen.


    Nur wenn sie über ihre finanziellen Verhältnisse falsche Angaben gemacht hat, sonst fehlt es bereits an einer Täuschung.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Sonst hätte er den Kredit wohl kaum bekommen. ;)

    Kommt drauf an. Der "klassische" Fall der sittenwidrigen Bürgschaft bzw. Mitverpflichtung der bekanntermaßen einkommenslosen Ehefrau durch die Bank ist folgender:

    Ehemann ist selbstständig und beantragt Darlehen für seine geschäftliche Tätigkeit. Die Bank befürchtet, dass die persönliche Haftung im Krisenfall ins Leere gehen könnte, weil Gütertrennung vereinbart wurde und dann auf einmal alle noch in guten Zeiten erworbenen relevanten Vermögenswerte offiziell im Eigentum der Ehefrau stehen.

    Eine solche Bürgschaft kann später als sittenwidrig festgestellt werden, wenn kein eigenes Interesse der Ehefrau (mehr) besteht und diese tatsächlich einkommens- und vermögenslos geblieben ist.

    Beim Sachverhalt in der Ausgangsfrage sehe ich keine Chance. Wie AndreasH schon ausführte: Durch den hälftigen Immobilienerwerb ist Sittenwidrigkeit allein wg. fehlender eigener Einkünfte nicht zu begründen.

  • Seh ich wie Olaf K. (denke noch mit Schrecken an die ende der 80'er hochstreitige Diskussion zu dem Thema der sittenwidrigen Angehörigenbürgschaft).

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

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