Verdienstausfall für Partei

  • Hallo,
    folgender Fall. Kläger verdient sein Geld durch Projektaufträge. Er beantragt jetzt für den Gerichtstermin Verdienstausfall, da er an diesem Tag nicht mehr am Projekt hätte arbeiten können. Mal abgesehen von der Frage, ob er an dem Tag wirklich nicht mehr hätte arbeiten können, stellt sich mir das Problem, ob ein Verdienstausfall überhaupt vorliegt, da er den Tag, an dem der Gerichtstermin stattfand, nacharbeiten kann, so dass er letztlich das gleiche Geld bekommt, nur ggf. einen Tag später, bzw. es ist aus meiner Sicht sogar davon auszugehen, dass er den verlorenen Tag durch Mehrarbeit an anderen Tagen kompensiert.
    Auf jeden Fall kann ich einen Verdienstausfall nicht erkennen.
    Wie seht ihr das?

  • Mal abgesehen von der Frage, ob er an dem Tag wirklich nicht mehr hätte arbeiten können,


    Das muß m. E. konkret dargelegt werden: Wann ist seine regelmäßige Arbeitszeit (fiel diese in den geltend gemachten Zeitraum)? Hat er möglicherweise Angestellte, die diese Tätigkeit für ihn übernahmen?

    stellt sich mir das Problem, ob ein Verdienstausfall überhaupt vorliegt, da er den Tag, an dem der Gerichtstermin stattfand, nacharbeiten kann,


    Das ist ein Argument, was ich nicht für überzeugend halte, weil es nicht dem Gesetzeswortlaut entspricht und ich auch meine, über den Sinn & Zweck der Entschädigung hinausgeht. Es wird aus meiner Sicht oftmals schon übersehen, daß es nicht um einen Ersatz des Verdienstausfalls geht (also es sich gerade nicht um einen vollständigen Schadensersatzanspruch handelt), sondern eine pauschalierte, in der Höhe sowieso gekappte alleine Entschädigung wegen terminsbedingter Versäumnis der Arbeitszeit. Der BGH hat das im Rahmen seiner Entscheidung zur Entschädigung des Verdienstausfalls eines Geschäftsführers einer GmbH (die er - wie man seinen Ausführungen entnehmen kann - auch auf eine natürliche Person anwendet) ausgeführt (Fettdruck durch mich):

    "Demgemäß kann aus den von der überwiegenden Rechtsprechung zutreffend angeführten Gründen einer Partei, die als natürliche Person selbst einen Gerichtstermin wahrnimmt, oder als juristische Person sich in einem solchen Termin durch einen Geschäftsführer oder andere Mitarbeiter vertreten lässt, eine Entschädigung wegen der Zeitversäumnis bzw. des Verdienstausfalls durch die Teilnahme an einem solchen Termin zugebilligt werden. Der Prozessgegner soll im Umfange seines Obsiegens von den Nachteilen freigestellt werden, die ihm aufgrund seiner Teilnahme am Rechtsstreit entstanden sind. Dies gilt auch für den terminsbedingten Zeitaufwand, der einem Geschäftsführer durch seine Teilnahme an einem Gerichtstermin entsteht. (...) Fällt die Arbeitskraft des Geschäftsführers für seine eigentliche unternehmerische Aufgabe zeitweise aus, weil er für die vertretene Gesellschaft an Gerichtsterminen teilnehmen muss, stellt sich dies vielmehr bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise für die Gesellschaft als Nachteil dar, für den sie nach Maßgabe des § 22 JVEG - wie eine natürliche Person, die als Partei persönlich am Termin teilnehmen muss - eine Entschädigung verlangen kann.


    Da § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO für einen Anspruch auf Entschädigung nur auf die entstandene Zeitversäumnis abstellt, ist für einen Anspruch auf Entschädigung nicht erforderlich, dass ein konkreter Verdienstausfall nachgewiesen ist. Es reicht - mit der überwiegenden Rechtsprechung - vielmehr aus, wenn die Zeitversäumnis einen messbaren Nachteil für die Partei mit sich bringt, was bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Teilnahme eines Geschäftsführers an einem Gerichtstermin regelmäßig anzunehmen ist. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass es einem Wirtschaftsunternehmen schwerlich möglich sein wird, die durch Abwesenheit des Geschäftsführers entstehenden konkreten finanziellen Nachteile im Einzelnen zu quantifizieren. Für die Zwecke des Kostenfestsetzungsverfahren reicht es daher im Regelfall aus, sich - wie in § 22 JVEG vorgesehen - am regelmäßigen Bruttoverdienst zu orientieren (vgl. KG, aaO; OLG Karlsruhe, aaO; OLG Stuttgart, aaO; OLG Rostock, aaO; OLG Brandenburg, aaO; OLG Düsseldorf aaO; OLG Köln, aaO)."



    M. E. kommt es nach dieser Rechtsprechung eben nicht darauf an, daß der Selbständige Arbeitszeit "nachholen" kann oder - was ich auch schon als vermeintliche Argument erlebt habe - die Versäumnis "vermeidbar" gewesen sei. Das Gesetz stellt - wie der BGH ausdrücklich hinweist - nur auf die entstandene Zeitversäumnis der Arbeitszeit an, was bei wirtschaftlicher Betrachtung regelmäßig anzunehmen sei, eben gerade deshalb, weil die konkreten finanziellen Nachteile nicht quantifiziert werden können.

    Was ich aber für erforderlich halte, ist zumindest die Darlegung des eingangs Erwähnten.

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  • Das ist gut zu wissen. Ich bitte noch um Angabe des Aktenzeichens der Entscheidung des BGH.

    Beschl. v. 02.12.2008 - VI ZB 63/07 -, GuT 2008, 487 = ZfSch 2009, 105 = MDR 2009, 230 = EBE/BGH 2009, 20 = AGS 2009 100 = ZIP 2009, 436 = AnwBl 2009, 239 = VersR 2009, 417 = BGHReport 2009, 315 = NZG 2009, 317 = Rpfleger 2009, 274 = JurBüro 2009, 141 = NJW 2009, 1001 = ZinsO 2009, 739 = GE 2009, 445 = NJ 2009, 210 = HFR 2009, 623 = SVR 2009, 419

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  • Ich würde dringend raten, auch die Gedanken im Beschluss des BGH vom 07.04.2014, XII ZB 630/12, dort Rn. 18, zu berücksichtigen:

    "Nach § ZPO § 91 Abs. ZPO § 91 Absatz 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § JVEG § 22 JVEG erhalten Parteien, "denen ein Verdienstausfall entsteht", eine Entschädigung, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst richtet und die für jede Stunde höchstens 17 € beträgt. Der Gesetzeswortlaut setzt damit einen tatsächlich entstandenen Verdienstausfall voraus. Tritt ein solcher nicht ein, kommt lediglich eine Zeitversäumnisentschädigung nach § JVEG § 20 JVEG in Betracht (BGH Beschluss vom 26. Januar 2012 - VII ZB 60/09 - NJW-RR 2012, NJW-RR Jahr 2012 Seite 761 Rn. NJW-RR Jahr 2012 Seite 761 Randnummer 10)."

    Hier differenziert der BGH nach meiner Auffassung zutreffend zwischen Zeitversäumnis und Verdienstausfall aufgrund der Verweisung, die § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO auf die Vorschriften des JVEG bereit hält.

    Und damit sind wir hinsichtlich des Verdienstausfalls wieder genau bei der von P. aufgeworfenen Frage, ob ein tatsächlicher Verdienstausfall festgestellt werden muss.

    Zu prüfen wäre also, ob durch die Terminswahrnehmung ein Verdienstausfall eingetreten ist.

    Tatsächlich scheint mir das ausgeschlossen. Das Honorar für den Projektauftrag erhält der Kläger auf jeden Fall, auch wenn der am Tag der Terminswahrnehmung vielleicht nicht an dem Projekt arbeiten kann.
    Dafür erbringt er seine Leistungen eben entweder an einem anderen Tag oder vor bzw. nach dem Termin zu einer Zeit, die ihm sonst als Freizeit zur Verfügung gestanden hätte. Effektiv erleidet er damit allenfalls eine Freizeiteinbuße, die jedoch gerade nicht mit einer Verdienstausfallentschädigung zu entschädigen ist.

    Im Bereich der Verdienstausfallentschädigung für selbständig tätige ehrenamtliche Richter, die nach annähernd gleich lautenden Vorschriften des JVEG zu entschädigen sind, ist dazu viel entschieden worden.
    Selbst abhängig beschäftigte, die Gleitzeit in Anspruch nehmen können und bei denen es zu keiner Lohnkürzung und Verdienstausfall kommt bzw. kommen muss, weil sie im Rahmen der Gleizeit vor- bzw. nacharbeiten können, erhalten keine Verdienstausfallentschädigung.

    Anders würde ich den Fall nur beurteilen, wenn konkret zu der Terminszeit ein Auftrag angestanden hätte, den die Partei nur zu diesem Zeitpunkt hätte erfüllen können (beispielsweise terminierte Vortragstätigkeit), da hier der Verdienstausfall unmittelbar durch die Terminswahrnehmung entstanden ist und nicht vermeidbar war.

  • Ich würde dringend raten, auch die Gedanken im Beschluss des BGH vom 07.04.2014, XII ZB 630/12, dort Rn. 18, zu berücksichtigen:

    "Nach § ZPO § 91 Abs. ZPO § 91 Absatz 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § JVEG § 22 JVEG erhalten Parteien, "denen ein Verdienstausfall entsteht", eine Entschädigung, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst richtet und die für jede Stunde höchstens 17 € beträgt. Der Gesetzeswortlaut setzt damit einen tatsächlich entstandenen Verdienstausfall voraus. Tritt ein solcher nicht ein, kommt lediglich eine Zeitversäumnisentschädigung nach § JVEG § 20 JVEG in Betracht (BGH Beschluss vom 26. Januar 2012 - VII ZB 60/09 - NJW-RR 2012, NJW-RR Jahr 2012 Seite 761 Rn. NJW-RR Jahr 2012 Seite 761 Randnummer 10)."

    Hier differenziert der BGH nach meiner Auffassung zutreffend zwischen Zeitversäumnis und Verdienstausfall aufgrund der Verweisung, die § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO auf die Vorschriften des JVEG bereit hält.

    Und damit sind wir hinsichtlich des Verdienstausfalls wieder genau bei der von P. aufgeworfenen Frage, ob ein tatsächlicher Verdienstausfall festgestellt werden muss.

    Zu prüfen wäre also, ob durch die Terminswahrnehmung ein Verdienstausfall eingetreten ist.


    Das wollte ich mit meinem Beitrag nicht in Abrede stellen - sollte das so angekommen sein. Ich bin der gleichen Meinung, daß eine solche Feststellung getroffen werden muß. Nur ist die Frage, wie weit ein Nachweispflicht geht. Und dazu verhält sich der BGH m. E. eindeutig, indem er auf den Gesetzeswortlaut verweist, der keinen solchen Nachweis verlangt. Der BGH macht es daran fest, daß allein die Zeitversäumnis wegen der Teilnahme einen wirtschaftlichen Nachteil darstellt, der über § 22 JVEG entschädigt wird.

    Deshalb gehen m. E. die weiteren Ausführungen von Dir auch genau deshalb in eine vekehrte Richtung, weil auf diesem Wege erneut ein konkreter wirtschaftlicher Nachteil nachgewiesen werden soll - was im Bereich des Unmöglichen liegt. Jeder Dienstleister/Selbständige ist - wenn nichts anderes vereinbart - seinem Auftraggeber erst einmal vorschußpflichtig mit seiner Leistung und erhält das Geld erst nach Erledigung des Auftrages. Daher kann das Argument, die selbständige Partei müsse in dieser Zeit einen konkreten Geldbetrag verloren haben, nicht ziehen. Gerade das sagt m. E. der BGH, daß dieser wirtschaftliche Nachteil schwerlich quantifiziert werden kann - was die Heranziehung also monetär verursacht hat. Aufgrund dessen und aufgrund des Gesetzeswortlautes läßt er es zu, daß es allein darauf ankommt, daß Arbeitszeit durch die Heranziehung/Terminsteilnahme versäumt wurde. Das wird man daran festmachen können, ob zu der Zeit der Heranziehung der Selbständige seine reguläre Arbeitszeit (oder auch speziell einmal gerade eine außergewöhnliche Arbeitszeit) versäumt hat. Deshalb hätte m. E. auch sein Selbständiger beispielweise, wenn er in seinem Urlaub herangezogen werden würde bzw. am Gerichtstermin teilnehmen würde, keinen Anspruch auf diese Entschädigung.

    Diese Behauptung, die Arbeitszeit sei nachzuholen oder es sei nachzuweisen, daß der Verdienstausfall nicht vermeidbar war, geht m. E. über die auch vom BGH genannte Voraussetzung des Anspruches unzulässigerweise hinaus, weil das letztlich darauf hinausläuft, daß damit ein konkreter wirtschaftlicher Nachteil nachgewiesen werden soll.

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