Anfechtung bei Barzahlung an Gerichtsvollzieher

  • Bei Anfechtungen nach § 133 InsO kommt es häufig zum Streit darüber, ob denn nun eine Handlung des Schuldners vorliegt oder nicht. Letztendlich orientiere ich mich hierbei an BGH ZinSo 2010, 226, wo es letztendlich darm geht, ob der Schuldner noch eine freie Willensentscheidung hatte.

    Wie ist es aber nun in den Fällen, in denen der GV auftaucht und nichts beim Schuldner vorfindet. Schließt er nun eine Ratenzahlungsabrede und der Schuldner zahlt dann in der Folgezeit darauf, so haben wir es doch mit einer Handlung des Schuldners zu tun (wenn ich die BGH-Entscheidung richtig verstehe), oder?

    Kommt der GV aber einfach immer wieder vorbei (ohne Ratenzahlungsvereinbarung) und lässt sich vom Schuldner immer das Bargeld geben, das gerade da ist, dann ist die Anfechtung nach § 133 doch ausgeschlossen, da eben keine Handlung des Schuldners vorliegt, sondern eine des Gläubigers (vertr. d. d. GV).

    Ihr seht schon, es ist ein bisschen schwierig, das Ganze halbwegs verständlich darzustellen. Wie handhabt ihr denn diese Fälle?

  • Der GV hat im Regelfall den Auftrag zur Pfändung und kann gegen Zahlung von der Pfändung absehen. Der Schuldner zahlt daher zur Abwendung der Pfändung.

    Im Glaube nicht, dass im Protokoll des GV steht "Im Rahmen der Durchsuchung wurde Bargeld im Höhe von XY gepfändet."

    Zudem kommt dann noch die Fragerei dazu, hat sich der GV unter Umständen angekündigt oder den Termin abgesprochen und der Schuldner hat gerade deshalb Bargeld im Haus gehabt und und und...

    Die Zahlungen an den GV sind daher (in der Regel) anfechtbar.

  • Eine Rechtshandlung des Schuldners liegt nicht vor, wenn der Schuldner nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende, vollstreckungsbereite Vollziehungsperson zu dulden.

    (Nahezu) Alles, was darüber hinaus geht, stellt eine Rechtshandlung des Schuldners dar, die bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen, anfechtbar ist.

    Lesenswert hierzu: BGH, Urteil vom 03.02.2011, IX ZR 213/09, NZI 2011, 249

  • Praxistipp: Anfechten und dann weitersehen.

    Wenn Zahlungen in relativ regelmäßigen Abständen kommen und darüber hinaus auch noch runde Beträge (z.B. EUR 100,00) gezahlt werden, spricht viel für eine Ratenzahlungsvereinbarung. Diese ist bei den Gerichtsvollziehern mittlerweile auch die Regel. Ansonsten muss man sich fragen, ob hier der von schneider geschilderte Vollstreckungsdruck vorlag. Ich kann mich an ein Urteil des OLG München entsinnen (leider momentan nicht an das Aktenzeichen), dem ein Urteil des Landgerichts Landshut vorausgegangen war. Darin wurden Zahlungen an den Vollziehungsbeamten des Finanzamtes deshalb als Rechtshandlung des Insolvenzschuldners gewertet, weil das Vollstreckungsorgan ohne Vollstreckungsdruck - quasi als Geldbote arbeitete. Dazu habe ich mal ein Schreiben des örtl. Finanzamtes gesehen. "Fordern wir Sie auf, die Zahlungen nunmehr vor Ort zu leisten. Der Vollziehungsbeamte wird diese ab sofort nicht bei Ihnen abholen" :eek: :gruebel: :D.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Bei uns nennt man sowas Abholfälle, und genau die sind auf Grund der Anfechtungsproblematik zu unterbinden. Wer einmal vom Insoverwalter die gesammelten Vollzieherquittungen von sieben Jahren auf den Tisch bekommt und dann feststellt, dass drei verschiedene Vollzieher sieben Jahre lang regelmäßig alle zwei Wochen dort waren, obwohl sie gar nicht befugt sind Ratenzahlungen auszumachen, der sorgt dafür, dass sowas nicht mehr passiert.

    Da die Zahlungen definitiv ohne Vollstreckungs"druck" geleistet werden, sind es (leider) auch Rechtshandlungen des Schuldners.

    Leider kämpfen wir gerade um einen Fall, in welchem der VZB der Schuldner mehrfach nicht angetroffen hat und eine Terminankündigung hinterließ. An dem Termin war der Schuldner vor Ort, mit der Hälfte der Summe. Nach Mitteilung durch den VZB, dass er trotzdem zur Pfändung schreiten muss, bot der Schuldner an, die andere Hälfte in 14 Tagen zu bezahlen, daraufhin lies der VZB von der Pfändung ab und kam 14 Tage später wieder. Jetzt heißt es, dass eine Rechtshandlung vorlag, weil der Schuldner dafür gesorgt hat, dass Geld da ist.

  • Leider kämpfen wir gerade um einen Fall, in welchem der VZB der Schuldner mehrfach nicht angetroffen hat und eine Terminankündigung hinterließ. An dem Termin war der Schuldner vor Ort, mit der Hälfte der Summe. Nach Mitteilung durch den VZB, dass er trotzdem zur Pfändung schreiten muss, bot der Schuldner an, die andere Hälfte in 14 Tagen zu bezahlen, daraufhin lies der VZB von der Pfändung ab und kam 14 Tage später wieder. Jetzt heißt es, dass eine Rechtshandlung vorlag, weil der Schuldner dafür gesorgt hat, dass Geld da ist.

    Das ist wohl auch so. Die Anfechtungskralle kennt kein Erbarmen.

    Zu den "Abholfällen": In der Anfechtungspraxis erlebt man Sachen, die man nicht geglaubt hätte: Bei einem Schuldner, ein angesehener Rechtsanwalt, trafen sich jede Woche am Freitagmittag der Gerichtsvollzieher und der Vollziehungsbeamte des Hauptzollamtes und haben den Wochenüberschuss unter sich verteilt (gedrittelt, also 1/3 der GV, 1/3 der VzB und 1/3 der Schuldner). Dazu bestellten sich die drei jedesmal Pizza oder Kaffee & Kuchen, wobei auch jede Woche ein anderer bezahlt hat. Und das ging über fast zehn Jahre so, ohne dass sich jemand daran gestört hätte. Bis dann der böse Verwalter § 133 InsO aufrief und die 10-Jahres-Frist voll ausnutzte. Gemein.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • @ Meandor:
    Ich meine, dass die Zahlungen anfechtbar sind. Meine Kontrollüberlegung dahingehend ist immer, ob der Insolvenzschuldner sich der Vollstreckung bzw. dem Verlust des Geldes entziehen konnte. Bei einem angekündigten Besuch ist dies durchaus möglich. Der Schuldner ist nicht zu Hause, der Schuldner räumt vorher die Kasse leer.... Dass er sich damit evtl. größerem Ungemach (Haftbefehl, Insolvenzantrag etc.) aussetzt, ist nicht von Bedeutung. Der diesbezüglich hat er die Wahl zwischen Pest und Cholera.

    [Edit: Jetzt ist mir Silberkotelett wieder zuvor gekommen.]

    Noch eine Anmerkung zu regelmäßigen Besuchen der Vollstreckungsorgane: Ich hatte als "letzten Akt" einen Fall, in welchem ich aufgrund der Regelmäßigkeit der Zahlungen von einer Ratenvereinbarung mit dem Gerichtsvollzieher ausgegangen bin. Der hat mir dann aber erzählt, dass er immer vollstreckt habe. Freiwillig ging bei dem Insolvenzschuldner gar nix. Einmal habe ihn sogar der eigene Arbeitnehmer "ausgelöst". Naja - das war es dann. Vielleicht also die Vollziehungsbeamten nochmals ins Gebet nehmen. Aber Du hast Recht, am Besten der Anschein kommt erst gar nicht auf. Denn die beste Prävention der Insolvenzanfechtung ist es, als Gläubiger keine Spuren zu hinterlassen. Ist wie bei Diebstahl und Erpressung :teufel:

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  • Grundsätzlich lasse ich dem VZB schon seinen Freiraum und ein gewisses Anfechtungsrisiko muss man immer eingehen, denn wenn alles gut geht, gibt es ja kein Inso-Verfahren.

    Aber bei Pizza & Co. kommen selbst mir Gedanken in Richtung Verletzung von Dienstpflichten.

    Gegs: In Deinem Fall gab es wenigstens noch einen Arbeitnehmer der die Sache bezeugen konnte. Ich bin inzwischen froh, wenn die Schuldner nie zu Hause sind und wir die Wohnung auf Grund einer richterlichen Anordnung durchsuchen. Da ist meist kein Schuldner da, und wenn wir dann Bargeld finden, dann liegt das da nicht auf Grund einer Handlung des Schuldners. Und... wir haben Zeugen dabei.

    Selbst wenn der VZB abends alleine ausrückt und eine Kassenpfändung macht, und der Schuldner extra für den VZB noch alle Gäste abkassiert, dann dürfen wir uns streiten, ob es auf Anweisung des VZB war oder eine freiwillige Handlung des Schuldners, und leider war wieder kein Zeuge dabei.

  • Grundsätzlich lasse ich dem VZB schon seinen Freiraum

    Das meinte ich nicht. Mit "ins Gebet nehmen" meinte ich die hochnotpeinliche Frage, ob denn trotz der vielen Jahre und Monate, die er immer mal wieder beim Insolvenzschuldner vorbei geschaut hat, nicht vielleicht doch ein Vollstreckungsdruck vorlag.

    dann dürfen wir uns streiten, ob es auf Anweisung des VZB war oder eine freiwillige Handlung des Schuldners

    Für mich wäre dies egal, denn aus meiner Sicht liegt auch bei entsprechender Anweisung des Vollziehungsbeamten eine Rechtshandlung des Schuldners vor. Denn wenn der Insolvenzschuldner nicht kassiert, dann kann der Vollziehungsbeamte wohl kaum selbst von Tisch zu Tisch gehen und das Geld einsammeln :gruebel:. Zudem auch Forderungen gegenüber Dritten doch nicht der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen unterliegen. Ich würde jetzt damit argumentieren, dass der Gläubiger die Forderungen, welche der Gastwirt gegenüber den Gästen hat, pfänden muss. Oder gehen meine Ausführungen jetzt völlig an den praktischen Gegebenheiten vorbei?

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • dann dürfen wir uns streiten, ob es auf Anweisung des VZB war oder eine freiwillige Handlung des Schuldners.

    Für mich wäre dies egal, denn aus meiner Sicht liegt auch bei entsprechender Anweisung des Vollziehungsbeamten eine Rechtshandlung des Schuldners vor. Denn wenn der Insolvenzschuldner nicht kassiert, dann kann der Vollziehungsbeamte wohl kaum selbst von Tisch zu Tisch gehen und das Geld einsammeln :gruebel:. Zudem auch Forderungen gegenüber Dritten doch nicht der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen unterliegen. Ich würde jetzt damit argumentieren, dass der Gläubiger die Forderungen, welche der Gastwirt gegenüber den Gästen hat, pfänden muss. Oder gehen meine Ausführungen jetzt völlig an den praktischen Gegebenheiten vorbei?

    Der VZB darf nicht in Forderungen vollstrecken. Er müsste dann die Namen der Gäste aufnehmen, jemand vom Innendienst müsste Pfändungen schreiben und sie den Gästen zustellen. Leider müssten wir auf unbarer Zahlung per Überweisung bestehen, da die Gäste keine Vollstreckungsschuldner sind und daher Niemand berechtigt ist Bargeld anzunehmen :)

    Die Praxis sieht meist so aus, dass der VZB den Gastwirt auffordert abzukassieren, bzw. der Gastwirt dies von selbst tut. Alternativ könnte der VZB auch den Rest des Abends in der Gaststätte verbringen und jede bezahlte Rechnung anschließend pfänden.

    Vollstreckungsdruck

    Bei dem Rechtsanwaltsfall war natürlich Druck dar. Dem RA als Kenner der Materie war natürlich bekannt, dass wenn er den VZB nicht bedient, die Sache vom Innendienst übernommen wird und dann innerhalb von sechs Monate die Vermögensauskunft und anschließend die Entziehung der Zulassung droht. Um das abzuwenden blieb ihm ja nichts anderes übrig als den VZB zu bedienen. Aber wie Du selbst schon erwähnt hast, er hatte ja die Wahl.

  • Ich kann mich an ein Urteil des OLG München entsinnen (leider momentan nicht an das Aktenzeichen), dem ein Urteil des Landgerichts Landshut vorausgegangen war. Darin wurden Zahlungen an den Vollziehungsbeamten des Finanzamtes deshalb als Rechtshandlung des Insolvenzschuldners gewertet, weil das Vollstreckungsorgan ohne Vollstreckungsdruck - quasi als Geldbote arbeitete.

    Jetzt bin ich wieder an diesem Punkt und kann mich an das Aktenzeichen bzw. die Akte, in denen ich die Angaben mal gebraucht habe, immer noch nicht erinnern.

    Hat jemand vielleicht das Urteil bzw. Datum / Aktenzeichen parat?

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