Ergänzungspfleger für das Erbscheinserteilungsverfahren - Interessengegensatz?

  • Hallo miteinander,
    ich habe erst kürzlich in der Familienabteilung angefangen und nun 2 Anfragen des Nachlassgerichts vorliegen,ob die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Wahrung der Rechte der minderjährigen Kinder im Erbscheinserteilungsverfahren erfolgt. Die Bestellung des Ergänzungspflegers setzt ja einen Interessengegensatz zwischen dem überlebenden sorgeberechtigten Elternteil und den Kindern und den dadurch vorzunehmenden Teilentzug der elterlichen Sorge voraus (§ 1796 BGB).
    Fall 1:
    Ast ist der überlebende Elternteil. Es gilt die gesetzlicheErbfolge. Das Nachlassgericht hat die Frage der Auswirkung des Güterrechts (türkische Staatsangehörige) auf die Erbteile als problematisch angesehen und deshalb die Anfrage gemacht. Allerdings denke ich mir, dass das Nachlassgericht ja nun erst einmal Ermittlungen anstellen muss (es ging auch bereits eine entsprechende Anfrage an den Ast), welches Güterrecht zum Tragen kommt, und letztendlich möglicherweise keine Unklarheiten bestehen werden. Sollte der Ast nun natürlich einen Vortrag erbringen, welcher nicht nachprüfbar ist und der die Erbquoten möglicherweise zu seinen Gunsten verschiebt, könnte ja immer nochein Ergänzungspfleger bestellt werden, da ein möglicher Interessengegensatz dann bejaht werden muss?
    Fall 2:
    Der Erblasser hat seinen Ehegatten (2. Ehe) und 4 Kinder hinterlassen, davon 2 volljährige aus 1. Ehe und 2 minderjährige aus 2. Ehe. Ast ist eines der volljährigen Kinder. Es soll die gesetzliche Erbfolge gelten. Der Ehegatte/gesetzliche Vertreter ist schriftlich angehört worden, hat sich aber nicht gerührt. Problematisch ist das Vorhandensein eines Testaments, welches vom Ast nur als Vermächtnistestament dargestellt wurde. Dies ist allerdings nicht so eindeutig, da darin Vermögensteile zugewendet wurden und dem Nachlassgerichtnoch kein Nachlasswertverzeichnis vorliegt. Nach dem Testament gilt: Der Miteigentumsanteil an der Immobilie geht an den Ast, welcher jedoch einen Wertausgleich zahlen muss. Diesen wiederum sollen der Ehegatte und die beiden minderjährigen Kinder zu gleichen Teilen bekommen. Eine Rentenversicherung soll der Ehegatte alleine erhalten.Das 4. Kind wird in demTestament nicht erwähnt! Was meint ihr? Mangels Vorlage desNachlasswertverzeichnisses ist mir nicht bekannt, ob der Erblasser über seinen gesamten Nachlass verfügt hat oder nicht und ob die gesetzliche Erbfolge für den Ehegatten vorteilhafter wäre oder nicht. Andererseits wird das Nachlassgericht sicherlich nicht über den Erbscheinsantrag entscheiden, solange ein solches nicht vorliegt. Und der gesetzliche Vertreter ist nicht der Ast. Was meint ihr? :gruebel:

  • Ich sehs grad andersrum. Zu türk. Erblassern gibts zwischenzeitlich einige Entscheidungen und Gutachten, da könnte man evtl. verzichten, bei Testamentsauslegung ist jeder gegen jeden, da ist bei unklaren Verfügungen ein Pfleger erforderlich.

    Einmal editiert, zuletzt von uschi (1. August 2016 um 17:28)

  • Zu Fall 1: Ich würde auch erst mal das Nachlassgericht die Vorermittlungen durchführen lassen und mich mit dem dortigen Kollegen kurzschließen. Wenn die Frage geklärt ist, welches Recht anzuwenden ist, sehe ich da keinen Vertretungsausschluss.

    Zu Fall 2: Hier sehe ich auch einen Vertretungsausschluss, wenn bei unklaren Verfügungen jeder gegen jeden ein möglichst großes Stück vom Kuchen haben möchte - ein möglicher Interessenskonflikt reicht ja schon für Ergänzungspflegschaft.

    Im Zweifel ist ohnehin lieber eine Pflegschaft mehr als weniger einzurichten.

    Drei Rpfl - drei Meinungen :D

  • Drei Rpfl - drei Meinungen :D


    Schwaches Bild, bei drei Volljuristen hätte es mindestens vier Meinungen gegeben :konferenz.

    Zur Sache selbst sehe ich es wie uschi. Was die Auswirkungen des Güterrechts sind, ist letztlich Rechtsfrage. Bei Fall 2 dagegen geht's irgendwann auf eine förmliche Beweisaufnahme zu, und spätestens dann ist's mit der Vertretung durch die Eltern vorbei.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Super, vielen Dank für die Antworten! Würdet ihr in Fall 2 bei der Kindesmutter anfragen, ob sie eine Person kennt, welche die Ergänzungspflegschaft ehrenamtlich übernehmen würde oder von Vornherein darauf hinwirken, dass ein RA als (beruflicher) Ergänzungspfleger eingesetzt wird?

  • Würdet ihr in Fall 2 bei der Kindesmutter anfragen, ob sie eine Person kennt, welche die Ergänzungspflegschaft ehrenamtlich übernehmen würde oder von Vornherein darauf hinwirken, dass ein RA als (beruflicher) Ergänzungspfleger eingesetzt wird?

    Letzteres, weil es um die Auslegung des Testaments geht und deshalb juristische Kenntnisse erforderlich sind.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Muss ich für die Kinder im Verfahren nach § 1796 BGB zwingend einen Verfahrensbeistand bestellen? Beide sind noch so klein, dass ich auf eine persönliche Anhörung verzichten würde.

  • Hallo,

    nochmal ein etwas anderer Fall:

    Es gibt ein privatschriftliches Testament (Ehefrau befreite Vorerben und mdj. Kinder Nacherben). Das Testament ist inhaltlich völlig eindeutig. Das einzige Problem ist die Tatsache, dass der Erblasser die türkische Staatsangehörigkeit hatte und der zuständige Kollege der Nachlassabteilung mir erklärt hat, die Rechtslage sei im Hinblick auf die EU-ErbVO (Anwendung welchen Rechts> geht der Konsularvertrag ggf. vor?; bislang gibt es wohl keine Rechtsprechung zu dem Thema) nicht so ganz eindeutig. Letztendlich würde es inhaltlich wohl aber keinen großen Unterschied machen, da auch das türkische Recht die Vor- und Nacherbfolge kennt. Seht ihr hier einen möglichen Interessengegensatz? Letztendlich wird die Antragstellerin den Antrag genau so stellen, wie ihr das Nachlassgericht das sagt, weil sie auch keine Ahnung hat. :gruebel:

  • In der Nachlassakte ist vermerkt, dass streitig sei, ob Art. 75 EuErbVO auch für bilaterale Abkommen Anwendung findet. Ist dem nicht so? Der Konsularvertrag hat also unstreitig Vorrang vor der EuErbVO?

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