Fristbeginn für Erbausschlagung

  • Guten Abend,
    ich habe folgenden Fall: X stirbt.
    Durch die Erbausschlagung der Erblasserkinder sind nunmehr die Eltern zu Erben berufen und wurden auch entsprechend informiert.

    Der Vater ist dement, steht allerdings noch nicht unter Betreuung.
    Bisher konnte die Ehefrau im Rahmen der ihr erteilten privatschriftlichen Vollmacht, welche recht ausführlich (da aus dem Handel) u.a. auch Vermögensangelegenheiten enthält, alles regeln.

    Nun stellte sie also einen Antrag/eine Anregung auf Betreuung und auf mein Anraten hin auch im Rahmen einer einstweiligen Anordnung.

    Ich bin der Auffassung, dass lediglich die Erbausschlagung selbst eine öffentlich beglaubigte Vollmacht voraussetzt.
    Der Fristbeginn wird durch eine Kenntnis auch des gewillkürten Vertreters in Gang gesetzt, sofern die Vollmacht (und hier auch ggfalls eine privatschriftliche Vollmacht) dies umfasst.
    Ich bin auch der Auffassung, dass die in der Vollmacht erwähnte Vermögensangelegenheiten den "Erbanfall und Berufungsgrund" beinhaltet.

    Die Betreuungsrichterin ist dagegen der Auffassung, dass eine privatschriftliche Vollmacht eine Kenntnis ausschließt und will eine Anordnung der Betreuung im "normalen" Verfahren vornehmen.
    Mir ist durchaus bewusst, dass hier nur die Auffassung des Nachlassgerichts zählt. Die Betroffenen sollen jedoch auch nicht "unter die Räder kommen", nur weil sich das Gericht nicht einig werden kann.

    Ob die Richterin diese Entscheidung im einstw. Verfahren trifft, können die Beteiligten nicht beeinflussen. Ist dies nicht ein Fall höherer Gewalt und die Frist ab heutiger Antragstellung bis zur Anordnung der Betreuung gehemmt?

    Ich bin für jede Anregung dankbar.

  • Die Frist ist für den Vater noch nicht in Gang gesetzt worden, weil dieser dement - und also geschäftsunfähig - ist.

    Die Frist konnte auch nicht durch Mitteilung an einen durch privatschriftliche Vollmacht Bevollmächtigten in Gang gesetzt werden, weil dieser Bevollmächtigte nicht der gesetzliche Vertreter ist und er den Vollmachtgeber in dieser Angelegenheit auch nicht ordnungsgemäß vertreten kann.

  • Die für den Fristbeginn ausreichende Kenntnis des Bevollmächtigten ist das eine und die Möglichkeit, aufgrund der Vollmacht auszuschlagen, das andere. Nach meiner Ansicht daher kein Problem des Fristbeginns (inhaltlich ausreichende Vollmacht unterstellt), sondern der Fristhemmung aufgrund höherer Gewalt, weil der Vollmachtnehmer nicht ausschlagen kann, selbst wenn er es wollte.

  • Die "Kenntnis" des Betroffenen, die in zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen – hier genügt ein Hinweis auf die §§ 1944, 2082, 2306, 2332 BGB – für einen Fristbeginn maßgebend ist, setzt nach der festen Rechtsprechung des Reichsgerichts ein zuverlässiges Erfahren der in Betracht kommenden Umstände voraus, auf Grund dessen ein Handeln von ihm erwartet werden kann ..., vgl. BGH, III ZR 196/65.

    Wer nicht handeln kann, hat auch keine Kenntnis.

    In jedem Fall ist Ablauf gehemmt, eigentlich unterbrochen, weil sie mit Betreuerbestellung neu beginnt. Eine Eilbedürftigkeit sehe ich in jedem Fall nicht.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Die Frist ist für den Vater noch nicht in Gang gesetzt worden, weil dieser dement - und also geschäftsunfähig - ist.

    Die Frist konnte auch nicht durch Mitteilung an einen durch privatschriftliche Vollmacht Bevollmächtigten in Gang gesetzt werden, weil dieser Bevollmächtigte nicht der gesetzliche Vertreter ist und er den Vollmachtgeber in dieser Angelegenheit auch nicht ordnungsgemäß vertreten kann.

    So sehe ich das auch.

    LG Nicky

  • Bin noch am nachlesen, aber m. E. kann man die gesetzliche Vertretung bei Minderjährigen gerade nicht mit einer privatschriftlichen Vollmacht für einen Erwachsenen gleichsetzen.

    LGN

  • Klar, aber doch nur, wenn der Erbe selbst handeln kann. Hier kann aber niemand handeln/ausschlagen. Oder meinst du, dieser Umstand ist so unerheblich, dass in keiner Entscheidung, wenn es dafür Anhaltspunkte gegeben hätte, sich Ausführungen finden lassen würden?

    Wären die Erben ihrerseits geschäftsunfähig, würde es drin stehen. Ich finde nichts. Das ist der springende Punkt, deswegen sind diese nicht einschlägig.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Jep, bleibe bei meiner Auffassung, dass vorliegend noch kein Fristbeginn war.

    Gemäß § 1945 Abs. 3 BGB muss die Vollmacht öffentlich beglaubigt sein. Dies ist hier nicht der Fall, mithin keine wirksame Bevollmächtigung, der Betroffene selbst ist geschäftsunfähig, kann also wirksam keine Kenntnis erhalten.

    Kenntnis somit frühestens ab Betreuerbestellung möglich.

    LG Nicky

  • Die Vorschriften über die Erbausschlagung selbst (§1945 BGB) sind nicht unmittelbar auch auf die Kenntniserlangung (1944 BGB) anzuwenden.
    Für letztere gibt es keine Formvorschriften. Deshalb genügt hier auch die erteilte privatschriftliche Vollmacht für die Ehefrau.

  • Im Fall KG FamRZ 2004, 1903 lag lediglich eine privatschriftliche Bevollmächtigung des Steuerberaters vor. Das KG hat die Wissenszurechnung nur deshalb verneint, weil die Vollmacht inhaltlich nicht ausreichend war, weil sie sich nicht auf Erbangelegenheiten erstreckte. Es geht hier auch nicht um die Gleichsetzung der gesetzlichen Vertretungsmacht mit einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht, sondern darum, ob grundsätzlich die Kenntniserlangung durch jedweden - gleich welchen - Vertreter des Erbprätendenten genügt.

  • OLG Celle FamRZ 2010, 836


    Hier ging es um die Kenntnis des Notars - der die Ausschlagungserklärungen beglaubigt und den Vollzug übernommen, die Erklärungen nach Unterzeichnung aber über 6 Wochen im Büro liegengelassen hatte - von der Versäumung der Ausschlagungsfrist, so dass die Erklärungen der Ausschlagenden, mit denen die Fristversäumnis angefochten wurde, ins Leere gingen. Mit dem Fall, dass jemand geschäftsunfähig ist und keine zur Ausschlagung ausreichende Vollmacht vorliegt, ist das nicht vergleichbar.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Nach BayOLG (NRW 1953, 1431) genügt die Kenntnis des gewillkürten Vertreters, sofern der Umfang der Vollmacht dies hergibt.

    Nach meiner Meinung zählen Erbangelegenheiten (Ermittlungen zum Erbfall) zu Vermögensangelegenheiten. Wenn diese in der Vollmacht also enthalten sind, dann zählt auch die Kenntnis der Ehefrau.

    Sie kann nur nachfolgend keine Erbausschlagung vornehmen, weil ihr die Formvorschrift des §1945 III BGB dies verwehrt.

    Die Lösung ist nachfolgend die Hemmung der Frist bis zur Betreuerbestellung. Danke, Cromwell.

  • Im Fall KG FamRZ 2004, 1903 lag lediglich eine privatschriftliche Bevollmächtigung des Steuerberaters vor. Das KG hat die Wissenszurechnung nur deshalb verneint, weil die Vollmacht inhaltlich nicht ausreichend war, weil sie sich nicht auf Erbangelegenheiten erstreckte. Es geht hier auch nicht um die Gleichsetzung der gesetzlichen Vertretungsmacht mit einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht, sondern darum, ob grundsätzlich die Kenntniserlangung durch jedweden - gleich welchen - Vertreter des Erbprätendenten genügt.


    Und das kann m.E. nicht sein, weil eine Reaktion des Vertreters auf Grund mangelnder Vollmacht nicht möglich ist. Das würde Sinn und Zweck der Bevollmächtigung zuwider laufen. Zudem reicht hier eine Bevollmächtigung nur für Vermögensangelegenheiten auch nicht aus, es müssten, gerade weil es sich um eine private Regelung handelt, Erbangelegenheiten explizit erwähnt sein.

    Anders bei einer Betreuerbestellung für Vermögenssorge. Dieser ist als gesetzlicher Vertreter umfangreicher handlungsfähig.

    LG Nicky

  • Kann ich bitte eine richtige Bezeichnung für die angegebene Entscheidung des BayOLG haben? findet juris so nicht.

    Gewillkürter Vertreter ist ja aok, sofern öff. beglaubigte Vollmacht. ;)

    LGN

  • Wie kommst Du zu dieser Meinung? Woher ergibt sich, dass die Betreuung in der Vermögenssorge hier weitreichender ist als die gewillkürte Vertretung in Vermögensangelegenheiten?

  • Die genaue Bezeichnung ist:
    BayOLG, Beschluss vom 17.03.1953 -2 Z 180/52-.

    Ich habe die Entscheidung aus beck-online unter NRW 1953, 1431.

  • Das ist nicht geschildert. Veröffentlicht ist nur:
    Aus den Gründen: .... Dabei genügt bei gewillkürter Vertretungsmacht, welche die Regelung des Erbfalls umfasst, sowohl die Kenntnis des Vertretenen wie des Vertreters (Staudinger, BGB §1944 Anm. 12; Palandt, BGB §1944 Anm. 2b; a.A. Kipp § 52 Fußn. 6 u.d.d.G). ...

  • Wie kommst Du zu dieser Meinung? Woher ergibt sich, dass die Betreuung in der Vermögenssorge hier weitreichender ist als die gewillkürte Vertretung in Vermögensangelegenheiten?

    Weil es sich hier um gesetzliche Vertretung handelt, welche die gesamte Vermögenssorge umfasst UND der Betreuer gerade auch hinsichtlich einer möglichen Ausschlagung durch das Betreuungsgericht belehrt wird.

    LG Nicky

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