Vollstreckung "Freistellung von einer Verbindlichkeit"

  • Wir haben jetzt durch eine neue Richterin vermehrt folgende Konstellation:

    Kläger nimmt Anwalt vorgerichtliche in Anspruch, dafür entsteht natürlich eine Geschäftsgebühr, welche auch mit eingeklagt wird.
    Richterin hat eine BGH-Entscheidung gefunden, wonach diese vorgerichtlichen RA-Kosten gar nicht so als Zahlung tituliert werden können, solange der Anwalt noch gar nicht bezahlt wurde, weil dann der Schaden noch gar nicht eingetreten sei. (Gut, da hatte ich bislang eine andere Auffassung: Einen Anwalt beauftragen bedeutet automatisch, dass man diesen zu bezahlen hat, der dieser dann eine Forderung hat, sodass man doch einen Schaden erlitten hat, wenn gegen einen nun eine zu begleichende Forderung besteht .... naja, nichts desto trotz, der BGH hat es wohl anders gesehen).
    Sie meint, man hätte aber einen Anspruch, dass man stattdessen einen Anspruch gegen die beklagte Partei, dass diese einen von der Zahlung der eigenen Rechtsanwaltskosten "freistellt".

    So habe ich nun auch den ersten Vergleich gesehen, in dem unter Ziff. 2 tenoriert wurde: "Der Beklagte verpflichtet sich, den Kläger hinsichtlich einer Gebührenforderung in Höhe von .... seines Prozessbevollmächtigten freizustellen."

    Ich bearbeite im Moment zwar nur sehr selten Vollstreckungssachen, habe mir aber dabei die Frage gestellt, wie man so etwas vollstreckt (beginnt ja schon damit, wem der Urkundsbeamte welche vollstreckbare Ausfertigung erteilt). Ich gehe jetzt mal davon aus, dass der Anwalt keinesfalls selbst daraus vollstrecken kann. Stellt sich die Frage, ob der Kläger nun daraus verlangen kann, dass der Zahlbetrag z.B. vom Gerichtsvollzieher beigetrieben und unmittelbar an den Anwalt gezahlt wird oder ob es sich dabei (mit der "Verpflichtung") um eine unvertretbare Handlung handelt, die dann wiederum über ein Zwangsgeld durchgesetzt werden müsste. Und ungeachtet dessen: Der Anwalt hat wohl weiterhin seinen Anspruch gegen seinen Mandanten, kann nach § 11 RVG festsetzen lassen und ggf. auch gegen seinen Mandanten vollstrecken.

    Scheint mir im ersten Moment etwas verworren. Was bestehen denn hierzu für Auffassungen?

  • Mir ist so eine Titulierung auch schon untergekommen und halte sie für unbedenklich vollstreckbar zugunsten des Klägers.

    Die Formulierung, daß jemand jemanden von Kosten freizustellen hat, bedeutet im juristischen Sinn eine Verschiebung vom Innen- in das Außenverhältnis. Unstreitig hat der Anwalt einen Anspruch gegen seinen Auftraggeber im Innenverhältnis. Der Auftraggeber aber hat ggf. einen Anspruch, daß ihm sein Gegner die ihm entstandenen Kosten ersetzt. So eine Konstellation nennt man "Freistellung".

    Man begegnet dieser Begrifflichkeit z. B. auch im Regreßrecht bei Versicherungen.

    Wenn die konkrete Höhe der Gebühr angegeben ist, habe ich keine Probleme, das zu vollstrecken.

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Ich bin für die von dir noch nicht genannte Lösung :D

    Die Freistellung ist eine vertretbare Handlung, also Vollstreckung nach § 887 ZPO.

    :daumenrau

    Aus dem auf Freistellung gerichteten Vergleichstenor ist eine Zahlungsvollstreckung nicht möglich.

    Daher zunächst § 887 ZPO vor dem PG. Aus dem dann zu ergehenden Vorschusszahlungsurteil gem. Abs. 2 kann nun die Zahlungsvollstreckung - wie gewohnt - betrieben werden, aber halt auch erst dann und daraus, nicht aus dem Vergleich selbst.

  • ... bedeutet im gegenständlichen Fall: Wie genau weiter vollstrecken? Beschluss vom PG nach § 887 ZPO mit welchem Tenor ...? (was sind gemäß Abs. 2 "die Kosten der Ersatzvornahme" bzw. wer nimmt hier ersatzweise genau was vor mit welchen Kosten?)

    Irgendwie hakt es bei mir heute Abend noch etwas am Verständnis.:confused:

    Allemal umständlich ist das schon gegenüber den Titeln, wo die Zahlung dieser vorgerichtlichen Anwaltskosten direkt tituliert wurde. Ich denke mal, die Anwälte sind sich über die Folgen eines solchen Wortlautes in dem Vergleich nicht so recht bewusst.

  • PG-Tenor dürfte in etwa so aussehen:

    1. Der Gläubiger wird auf Kosten des Schuldners ermächtigt, den im Vergleich vom 1.2.2016 unter Zff. 2. enthaltenen Freistellungsanspruch durch Zahlung eines Betrages von 200 € außergerichtlicher Kosten an seine Prozessbevollmächtigten selbst vorzunehmen.

    2. Der Schuldner wird zur entsprechenden Vorauszahlung eines Betrages von 200 € an den Gläubiger verurteilt.

    Zff. 2. stellt nun den auf Zahlung gerichteten Titel dar, nun noch Klausel drauf und Vermerk über die amtswegige ZU und los/weiter kann es gehen wie gewohnt.

  • ... bedeutet im gegenständlichen Fall: Wie genau weiter vollstrecken? Beschluss vom PG nach § 887 ZPO mit welchem Tenor ...? (was sind gemäß Abs. 2 "die Kosten der Ersatzvornahme" bzw. wer nimmt hier ersatzweise genau was vor mit welchen Kosten?)

    Irgendwie hakt es bei mir heute Abend noch etwas am Verständnis.:confused:

    Allemal umständlich ist das schon gegenüber den Titeln, wo die Zahlung dieser vorgerichtlichen Anwaltskosten direkt tituliert wurde. Ich denke mal, die Anwälte sind sich über die Folgen eines solchen Wortlautes in dem Vergleich nicht so recht bewusst.

    Das wird sicher so sein, aber ob nun die Freistellung im Vergleich oder Urteil tenoriert wird, ist wohl letztlich der entscheidende Unterschied zu einem sofort auf Zahlung gerichteten Titelanspruch tatsächlich der, dass im einen Fall die vorgerichtliche Anwaltsvergütung eben noch gar nicht vom Kläger gezahlt wurde, im anderen Fall schon.

    Meine daher auch, dass das "deine" Richterin richtig sieht.

  • Mir fiel es heute früh auch ein, war gestern Abend nach 11 Stunden hier wohl schon zu überarbeitet.:eek:
    Nunja, ich werde es heute meiner Richterin mal erzählen, da sie auch keine Vorstellung zu dem "wie weiter" hatte. Sie wird sich freuen, dass sie dann selbst noch etwas mehr damit zu tun hat als gedacht.:)

  • letztlich ist aber ein Beschluss wie bei #8 für keine der Beteiligten (RA / Richter) ein allzu großer Aufwand/Umstand.
    Daher ist es schon besser rechtlich sauber + ein kleiner Umweg, als einen "falschen" Zahlungsausspruch zu titulieren.

  • Ansprüche auf Zahlung von Geld werden nach denspeziellen Vorschriften der § 803ff ZPO vollstreckt. Dies gilt auch bei Titelnauf Zahlung in ausländischer Währung, an einen Dritten oder auf Hinterlegungvon Geld. Ansprüche auf Befreiung von einer Verbindlichkeit oderSicherheitsleistung werden dagegen nach § 887 ZPO vollstreckt, nicht nach §§803ff. ZPO, auch wenn sie auf Geld gerichtet sind (Musielak/Lackmann ZPO 5.Aufl. § 887 Rn. 3 und 10); so dass allein deshalb aus ihnen keineForderungspfändung betrieben werden kann. Mit anderen Worten, auch wenn sich derartige Verbindlichkeiten in der Regel alsGeldforderungen darstellen, handelt es sich doch um Ansprüche auf vertretbareHandlungen im Sinne von § 887 ZPO (vgl. auchOLG München FamRZ 2012, 577-579). Unzweifelhaftkann der Befreiungsanspruch des Schuldners zwar nach § 887 ZPO vollstrecktwerden, dafür muss die Gläubigerin zunächst aber einen Antrag bei zuständigenProzessgericht des ersten Rechtszugs stellen, dass dann auf Antrag nach derGewährung des rechtlichen Gehörs eine Entscheidung nach § 887 ZPO treffen kann(Musielak/Lackmann ZPO 9. Aufl. § 887 Rn. 18; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 887Rn. 4 und 6).

  • Wir haben jetzt durch eine neue Richterin vermehrt folgende Konstellation:

    Kläger nimmt Anwalt vorgerichtliche in Anspruch, dafür entsteht natürlich eine Geschäftsgebühr, welche auch mit eingeklagt wird.
    Richterin hat eine BGH-Entscheidung gefunden, wonach diese vorgerichtlichen RA-Kosten gar nicht so als Zahlung tituliert werden können, solange der Anwalt noch gar nicht bezahlt wurde,...


    Prüft sie denn auch tatsächlich, ob der RA nicht ggf. sich die Geschäftsgebühr im Vorschussweg von seinem Mandanten hat zahlen lassen?

  • Richterin hat eine BGH-Entscheidung gefunden, wonach diese vorgerichtlichen RA-Kosten gar nicht so als Zahlung tituliert werden können, solange der Anwalt noch gar nicht bezahlt wurde, weil dann der Schaden noch gar nicht eingetreten sei.


    Diese Freistellungsgeschichte wird i. d. R. dann erst ein Thema, wenn der Beklagte bestreitet, daß der Kläger seinen RA überhaupt schon bezahlt hat. Dann ist es in der Tat so, daß lediglich auf Freistellung dieser Kosten geklagt werden kann. Allerdings - und das wird oft übersehen - hat der BGH (z. B. in NJW 2004, 1868) entschieden, daß sich ein Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch wandelt in dem Moment, wo der Erstattungspflichtige "ernsthaft und endgültig" eine Erstattung verweigert. Das geschieht wohl spätestens dann, wenn der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen (sollte er nicht schon vorgerichtlich "ernsthaft und endgültig" die Erstattung verweigert haben). Insoweit ist dann dieses Bestreiten letztlich auch nur "ein stumpfes Schwert". ;)


    Ich bin für die von dir noch nicht genannte Lösung :D

    Die Freistellung ist eine vertretbare Handlung, also Vollstreckung nach § 887 ZPO.

    :daumenrau

    Aus dem auf Freistellung gerichteten Vergleichstenor ist eine Zahlungsvollstreckung nicht möglich.

    Daher zunächst § 887 ZPO vor dem PG. Aus dem dann zu ergehenden Vorschusszahlungsurteil gem. Abs. 2 kann nun die Zahlungsvollstreckung - wie gewohnt - betrieben werden, aber halt auch erst dann und daraus, nicht aus dem Vergleich selbst.


    :daumenrau

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • :daumenrau wie Bolleff. Die Titulierung als Freistellungsanspruch ist eigentlich ein alter Hut. Mit der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung wandelt sich der Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch, etwa durch den Klageabweisungsantrag (BGH, Urt. v. 17.02.2011 - III ZR 144/10, Rn. 22; OLG München, Urt. v. 26.02.2016 - 10 U 579/15, Rn. 32).

    OLG München (a.a.O.): "Nach Bezahlung kann der Geschädigte Zahlung, vor Bezahlung Freistellung (§ 257 BGB) verlangen. Aus prozessualer Sicht gilt jedoch, dass bei unbezahlter Rechnung dann, wenn sich der Schädiger oder seine Haftpflichtversicherung wie hier ernsthaft weigert, Schadensersatz zu leisten (...), was auch in einem entsprechenden prozessualen Verhalten (z. B. einem Klageabweisungsantrag) liegen kann (...), der Geschädigte sich nicht auf einen Freistellungsanspruch nach § 257 BGB verweisen lassen muss (...), weil sich dieser gem. § 250 S. 2 BGB in einen Zahlungsanspruch verwandelt hat (...). Der Kläger kann dementsprechend hier unabhängig von der Frage, ob er seinen Anwalt bereits bezahlt hat, Leistung an sich verlangen."

    Andy.K: Welche BGH-Entscheidung hat denn Deine Richterin hier ausgegraben?

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Mir fiel es heute früh auch ein, war gestern Abend nach 11 Stunden hier wohl schon zu überarbeitet.:eek:
    Nunja, ich werde es heute meiner Richterin mal erzählen, da sie auch keine Vorstellung zu dem "wie weiter" hatte. Sie wird sich freuen, dass sie dann selbst noch etwas mehr damit zu tun hat als gedacht.:)

    Jaja ...

    Kannst ihr ja meinen Hammer-Tenor anbieten ...

    :D

  • Mir fiel es heute früh auch ein, war gestern Abend nach 11 Stunden hier wohl schon zu überarbeitet.:eek:
    Nunja, ich werde es heute meiner Richterin mal erzählen, da sie auch keine Vorstellung zu dem "wie weiter" hatte. Sie wird sich freuen, dass sie dann selbst noch etwas mehr damit zu tun hat als gedacht.:)

    Jaja ...

    Kannst ihr ja meinen Hammer-Tenor anbieten ...

    :D

    Den Tenor hab ich ihr angeboten, und sie war dankbar dafür.
    Sie ist jetzt schon wieder am Überlegen wie sie es zukünftig macht.:)

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