Verdienstausfall Selbständiger, aufstockend ALG II

  • Hallo,

    im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens macht der Kläger Verdienstausfall in Höhe von 21,00 € pro Stunde geltend. Er ist selbständig und erhält aufstockend ALG II- Leistungen. Wie wird das im Rahmen des Festsetzungsverfahrens berücksichtigt?
    Wie soll der Selbständige den Nachweis des Verdienstausfalls (Höchstsatz) erbringen können?

  • Dazu das OLG Hamm:

    Zitat

    OS

    Bei Selbstständigen ist in aller Regel ein Verdienstausfall bis zum gesetzlichen Höchststundensatz, der als Entschädigung für Verdienstausfall gem. § 22 S. 1 JVEG zugebilligt werden kann, auch ohne Nachweis - der auch nur schwer zu führen wäre – zuzuerkennen [Rn. 9].

    OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2005 – 4 Ws 357/05

    juris

  • 21 Euro/h würde ich ihm aber nicht geben, da Anhaltspunkte vorhanden sind, dass er keinesfalls Verdienstausfall in dieser Höhe hatte. Denn ALG II-Aufstockung bekommt er nur, wenn sein Einkommen unter einer (sehr geringen) Grenze liegt. Ich würde sein Monatseinkommen umrechnen auf den durchschnittlichen Stundenlohn (bei einer üblichen 40-Stunden-Woche) und ihm das geben. Aber auch nur dann, wenn er belegen kann, dass er seine Tätigkeit (oder seine Termine) tatsächlich nicht verschieben konnte. Wenn er seine Arbeit/Arbeitszeit frei einteilen und seine Termine selbst bestimmen kann, erleidet er durch die Wahrnehmung des Gerichtstermin keinen Verdienstausfall. Dann bekommt er 3,50 Euro/h.

  • 21 Euro/h würde ich ihm aber nicht geben, da Anhaltspunkte vorhanden sind, dass er keinesfalls Verdienstausfall in dieser Höhe hatte. Denn ALG II-Aufstockung bekommt er nur, wenn sein Einkommen unter einer (sehr geringen) Grenze liegt. Ich würde sein Monatseinkommen umrechnen auf den durchschnittlichen Stundenlohn (bei einer üblichen 40-Stunden-Woche) und ihm das geben.


    So kann man jedenfalls nicht rechnen.

    Mir ist schon unklar, woraus du entnimmst, dass er "keinesfalls Verdienstausfall in dieser Höhe hatte". Er kann z. B. durchaus einen Stundenlohn von 50,- € von seinen Kunden verlangen, aber entsprechend wenig Aufträge bekommen, so dass sich dennoch ein Anspruch auf ALGII ergibt.

    Auch die Umrechnung auf eine fiktive 40-Stunden-Woche halte ich daher für untauglich.

  • 21 Euro/h würde ich ihm aber nicht geben, da Anhaltspunkte vorhanden sind, dass er keinesfalls Verdienstausfall in dieser Höhe hatte. Denn ALG II-Aufstockung bekommt er nur, wenn sein Einkommen unter einer (sehr geringen) Grenze liegt. Ich würde sein Monatseinkommen umrechnen auf den durchschnittlichen Stundenlohn (bei einer üblichen 40-Stunden-Woche) und ihm das geben.


    So kann man jedenfalls nicht rechnen.

    Mir ist schon unklar, woraus du entnimmst, dass er "keinesfalls Verdienstausfall in dieser Höhe hatte". Er kann z. B. durchaus einen Stundenlohn von 50,- € von seinen Kunden verlangen, aber entsprechend wenig Aufträge bekommen, so dass sich dennoch ein Anspruch auf ALGII ergibt.

    Auch die Umrechnung auf eine fiktive 40-Stunden-Woche halte ich daher für untauglich.

    Und dann geht er nur 20 Stunden im Monat arbeiten? Und genau am Tag der Hauptverhandlung wollte er von diesen 20 Monatsstunden 8 Stunden abreißen? Auch wenn ich Verständnis dafür habe, dass auch ein Selbständiger anlässlich der Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung keine Verluste erleiden soll, sollte man die Kirche im Dorf lassen. Bei uns tauchen in Gerichtsverhandlungen auch ständig Zeugen auf, die selbständig tätig sind und wegen der Teilnahme an Gerichtsverhandlungen immer Millionenaufträge ablehnen mussten. Das sind dann aber auch genau die Selbständigen, die bei der Steuerberechnung immer nur ein negatives Einkommen erwirtschaften.

  • Mir müsste der Selbständige erst einmal glaubhaft machen, dass bei ihm überhaupt ein Verdienstausfall eingetreten ist.
    Erst im zweiten Schritt erfolgte dann die Prüfung, in welcher Höhe.

    Je nach Branche ist das Vorliegen eines Verdienstausfalls nämlich schon dem Grunde nach äußerst zweifelhaft, weil üblicherweise zur Terminsstunde gar nicht gearbeitet wird.
    Insbesondere "Kleinunternehmer" sind überdies keineswegs den ganzen Tag mit Aufträgen eingedeckt, ggf. wäre es auch vor oder nach dem Termin möglich gewesen, den Auftrag zu erledigen. Damit wäre dann durch die Terminswahrnehmung allenfalls ein Freizeitverlust, jedoch kein Verdienstausfall eingetreten.

    Ganz so einfach, dass stets ohne Ansehung des Einzelfalls ein Verdienstausfall zum Höchstsatz zuzubilligen wäre, liegt die Sache damit m.E. nicht.

  • 21 Euro/h würde ich ihm aber nicht geben, da Anhaltspunkte vorhanden sind, dass er keinesfalls Verdienstausfall in dieser Höhe hatte. Denn ALG II-Aufstockung bekommt er nur, wenn sein Einkommen unter einer (sehr geringen) Grenze liegt. Ich würde sein Monatseinkommen umrechnen auf den durchschnittlichen Stundenlohn (bei einer üblichen 40-Stunden-Woche) und ihm das geben.


    So kann man jedenfalls nicht rechnen.

    Mir ist schon unklar, woraus du entnimmst, dass er "keinesfalls Verdienstausfall in dieser Höhe hatte". Er kann z. B. durchaus einen Stundenlohn von 50,- € von seinen Kunden verlangen, aber entsprechend wenig Aufträge bekommen, so dass sich dennoch ein Anspruch auf ALGII ergibt.

    Auch die Umrechnung auf eine fiktive 40-Stunden-Woche halte ich daher für untauglich.

    Gemäß § 22 JVEG, den man ja in der Kostenfestsetzung analog anwendet, berechnet sich die Entschädigung für Verdienstausfall nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst. Ich würde daher wie Meiki den regelmäßigen Gewinn auf eine 40-Stundenwoche umrechnen. Wenn bekannt ist, dass es sich um einen Aufstocker handelt, kann man m.E. nicht unterstellen, dass er einen regelmäßigen Bruttoverdienst von 21 € hat.

  • Genau den Nachweis, dass er gerade zur Terminszeit gearbeitet hätte (und zu welchem Verdienst) kann der Selbständige typischerweise nie führen - und gerade deshalb hat ihm das OLG Hamm "in aller Regel" den Höchstsatz zugebilligt.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Genau den Nachweis, dass er gerade zur Terminszeit gearbeitet hätte (und zu welchem Verdienst) kann der Selbständige typischerweise nie führen - und gerade deshalb hat ihm das OLG Hamm "in aller Regel" den Höchstsatz zugebilligt.

    Die Entscheidung des OLG Hamm ist ersichtlich eine Einzelfallentscheidung.

    Der dortige Zeuge war ein Detektiv, der seine Dienste ausschließlich einer einzigen Firma für Detektivdienstleistungen angeboten hat, er stand damit in einem arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnis. Nicht umsonst findet sich in der Entscheidung ein Seitenhieb zur Scheinselbständigkeit.
    Überdies deutet dieser Teil der Begründung "Die Vorlage weiterer Belege wie z.B. einer Bescheinigung der Firma H, dass Herr L gerade am 21.01.2005 für eine Zeit von 10 Stunden eingeplant worden wäre, halte ich im Hinblick auf die inzwischen verstrichene Zeit und den bisherigen Verfahrensgang sowie die Höhe der noch fraglichen Beträge aber nicht mehr für angezeigt." darauf hin, dass nur in Ansehung der besonderen Umstände die Glaubhaftmachung des Verdienstausfalls für entbehrlich erachtet wurde.

    Zu Rn. 13 der zitierten Entscheidung finden sich ganz andere Grundsätze: "So wird z.B. bei Freiberuflern, die einer Sozietät angehören, davon ausgegangen, dass typischerweise kein Verdienstausfall entsteht, weil der Zeuge während seiner Abwesenheit von den anderen Sozien vertreten wird. Auch wenn für den Zeugen die Möglichkeit besteht, die Arbeit ohne finanzielle Einbußen zeitlich zu verschieben, wird eine Verdienstausfallentschädigung nicht gewährt" - nur war der vorliegende Fall aus o.g. Gründen anders gelagert.

    Insgesamt wird deutlich, dass selbst das OLG Hamm nicht generell einen Verdienstausfall annimmt, dann aber, wenn ein solcher glaubhaft gemacht ist, "in der Regel" den Höchstsatz entschädigen will, ohne dass der Selbständige die Höhe seines Verdienstausfalls nachweisen muss.

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