Pflegeeltern verweigern Jugendamt jeglichen Kontakt

  • Hallo liebe Kollegen und Kolleginnen,

    ich habe hier einen recht komplizierten Fall in einer Vormundschaftssache und bräuchte da euren Rat.

    Das 15-jährige Kind lebt seit mehreren Jahren in einer Pflegefamilie. Zum Vormund ist das Jugendamt mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmungsrecht und Gesundheitsfürsorge bestellt worden. Der Kontakt zwischen Pflegeeltern und Jugendamt gestaltete sich bereits von Anfang an schwierig.
    Nun ist es bereits seit längerem so, dass die Pflegeeltern jeglichen Kontakt des Jugendamtes als Vormund zu dem Kind verweigern.
    In dem Bericht des Jugendamtes wurde mitgeteilt, dass das Kind selbst bereits seit etwa 2 Jahren nicht mehr persönlich "besucht" werden konnte. Durch Umfragen an der Schule etc. ist dem Jugendamt jedoch bekannt, dass der Junge regelmäßig zur Schule geht, keine Auffälligkeiten zeigt und bei den Pflegeeltern gut aufgehoben sein dürfte.

    Das Jugendamt hat keine Zweifel, dass die Pflegeeltern sich sehr um das Wohl des Jungen bemühen. Die Pflegeeltern haben jedoch in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit einem anderen Träger bzw. dem Jugendamt gemacht und sind nun der festen Überzeugung, dass jeglicher Kontakt des Jugendamtes mit dem Jungen dessen Verhalten negativ beeinflussen würde.
    Nach Angaben der Pflegeeltern würde der Junge nach Kontakten mit dem Jugendamt wieder auffällig werden und Dinge zerstören etc.

    Inwieweit dies zutrifft lässt sich aus sich des Vormundschaftsgerichts nicht genau überprüfen. Nun stellt sich jedoch die Frage, wie ich als Vormundschaftsgericht darauf reagiere. Das Jugendamt hat sich an mich gewandt und bittet um Mithilfe bzw. Auskunft, wie weiter verfahren werden soll.
    Meiner Ansicht nach, kann die Vormundschaft so nicht weitergeführt werden, da das Gesetz eindeutig vorgibt, dass regelmäßige persönliche Kontakte zwischen Vormund und Kind stattzufinden haben. Andererseits steht das Kindeswohl im Vordergrund. Eine Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie würde sich sehr wahrscheinlich negativ auf die Entwicklung des Kindes auswirken. Daher bin ich nun etwas überfragt, wie hier korrekt vorzugehen ist.
    Ich würde mich freuen, wenn ich einige Ratschläge oder sogar Rechtsgrundlagen erhalten könnte, die mir hier weiterhelfen :confused:
    Da ich so einen Fall noch nie hatte und die Vormundschaftssachen noch nicht lange bearbeite, bin ich hier etwas überfragt...

    Vielen Dank im Voraus :dankescho

  • Zum Vormund ist das Jugendamt mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmungsrecht und Gesundheitsfürsorge bestellt worden.


    Wie das? Dann ist es wohl Ergänzungspfleger? Ein Vormund übt doch an sich die volle elterliche Sorge zu allen Aufgabenkreisen aus. Wer übt denn die elterliche Sorge zu den anderen Aufgabenkreisen aus?

    Zur Frage an sich:

    Ja, wenn der Fall so kompliziert ist, was ich so auch noch nicht hatte, würde ich wohl dazu neigen, den JA-Mitarbeiter, die Pflegeeltern und das Kind zu einem Termin bei mir zu laden und alles zu erörtern, auch das Kind persönlich anzuhören, ihm auch zu erklären, dass es erforderlich ist, dass in gewissen Zeitabständen der JA-Mitarbeiter sich zu dem Befinden einen persönlichen Eindruck verschaffen muss. Insoweit wird man dann sehen, inwieweit man gemäß § 1793 Abs. 1a BGB von längeren Zeitabständen und einem anderen Ort Gebrauch machen kann.

  • Oh, mein Fehler. Es ist selbstverständlich eine Ergänzungspflegschaft und keine Vormundschaft.

    Daran, die Pflegeeltern vorzuladen habe ich auch bereits gedacht. Das Kind würde ich ebenfalls gerne anhören. Die zuständige JA-Mitarbeiterin hat jedoch bereits mitgeteilt, dass davon auszugehen ist, dass der Kindesvater das Kind zum Termin nicht mitbringen wird.
    Der Pflegevater verweigert ja wie gesagt jeglichen Kontakt zwischen dem Kind und Behörden, Trägern, Jugendamt etc.

    Die zuständige JA-Mitarbeiterin erscheint heute noch zur Erörterung der Angelegenheit bei mir im Büro.

  • Komische Sache...
    Das Familiengericht kann ja nur entscheiden, wer Vormund/Pfleger wird und nicht, wo das Kind sich aufzuhalten hat. Das Jugendamt sollte m. E. allerdings die Geeignetheit dieser Pflegeeltern mal gründlich prüfen.

  • Ich glaube, bei der Konstellation würde ich alle ins Gespräch bitten und dabei auch prüfen, ob die Ergänzungspflegschaft nicht eventl. auf die Pflegeeltern übertragen und das Jugendamt entlassen werden könnte.
    Möglicherweise sind die Pflegeeltern ja zur Führung der Pflegschaft geeignet und es würde die bestehenden Probleme zur allseitigen Zufriedenheit lösen.

  • .... dass davon auszugehen ist, dass der Kindesvater das Kind zum Termin nicht mitbringen wird.

    Ich nehme mal an, du meinst den Pflegevater.

    Aber wo kämen wir denn hin, wenn man sich darüber hinwegsetzt, wenn ein Kind zu einer persönlichen Anhörung geladen wird, welche in manchen Fällen sogar gesetzlich vorgeschrieben ist ... Dann muss er eine formelle Ladung mit Hinweisen auf die Folgen eines Nichterscheinens (Ordnungsgeld) bekommen. Er hat insoweit keinerlei Entscheidungsrechte, zumal das Aufenthaltsbestimmungsrecht ja beim Jugendamt besteht. Jemand, der so stur ist und den gesetzliche Vorgaben überhaupt nicht interessieren, käme jedenfalls für mich als Vormund (o.ä.) nicht in Betracht.

  • Ich habe nun die JA-Mitarbeiterin bei mir im Termin gehabt und die Angelegenheit erneut mit ihr besprochen.
    Zu einem weiteren Termin habe ich den Pflegevater und den Jungen gemeinsam geladen, möchte sie aber getrennt voneinander anhören.

    Sollte der Vater dann tatsächlich nicht erscheinen dürfte es schwierig werden hier etwas die "Wogen zu glätten", da ich diesem ja keinerlei Anweisungen geben kann. Auch eine zwangsweise Ladung kann ich daher nicht aussprechen oder ihn sonst in irgendeiner Weise "bevormunden".
    Daher warte ich mal ob, ob er kommt oder nicht und wie das Gespräch verläuft.

    Ansonsten habe ich der JA-Mitarbeiterin erörtert, dass es Pflicht und Aufgabe des Jugendamtes ist, zu prüfen, ob die Pflegeeltern weiterhin geeignet sind oder eine Herausnahme des Kindes erforderlich ist. Mehr kann ich als Familiengericht vorliegend wohl nicht tun.


    @ Doro: Ggf. könnte ich das Jugendamt auch nochmal darauf hinweisen, dass von dort aus beantragt werden kann, die Ergänzungspflegschaft an den Pflegevater abzugeben. Das wäre wohl die einfachste Lösung. Aber da das Jugendamt aktuell noch an der "Tauglichkeit" des Pflegevaters zweifelt, ist für einen solchen Antrag momentan noch kein Raum. Aber guter Hinweis! ;)

  • Leider geht aus Deinem Bericht nicht hervor, ob die Amtspflegerin oder die Fachkraft des Pflegekinderdienstes (PKD) erschienen ist. M.E. hätten beide erscheinen müssen. Der PKD hat zur Qualität der Pflegefamilie zu berichten, der Amtspfleger über sein konkretes Handeln - viel wird es ja nicht sein. Den Aufenthalt stellt niemand in Frage und der Jugendliche könnte durchaus gesund sein. Die monatliche Besuchspflicht ist unter diesen Umständen obsolet. Wer will denn sowas? Auf keinen Fall hat die Kollegin die Aufgabe, über ihren Aufgabenkreis hinaus tätig zu werden. Evtl. Wissen - z.B. Kind schwänzt die Schule - dürfte der Amtspfleger nicht einmal an den PKD weitergeben. (§ 68 SGB VIII)

    Doros Vorschlag findet meine volle Unterstützung.

    Will das Familiengericht sich in die Frage der Qualität der Pflegefamilie einmischen, kann das nur über die Fragestellung nach dem Kindeswohl gehen. Deswegen könnte man die Akte an den Familienrichter geben, ob der tätig werden will.

    Ich bin übrigens über jede Pflegschaft froh, in der ich kaum etwas zu tun habe. Fall ist Fall.

  • Ich habe nun die JA-Mitarbeiterin bei mir im Termin gehabt und die Angelegenheit erneut mit ihr besprochen.
    Zu einem weiteren Termin habe ich den Pflegevater und den Jungen gemeinsam geladen, möchte sie aber getrennt voneinander anhören.

    Sollte der Vater dann tatsächlich nicht erscheinen dürfte es schwierig werden hier etwas die "Wogen zu glätten", da ich diesem ja keinerlei Anweisungen geben kann. Auch eine zwangsweise Ladung kann ich daher nicht aussprechen oder ihn sonst in irgendeiner Weise "bevormunden".
    Daher warte ich mal ob, ob er kommt oder nicht und wie das Gespräch verläuft.

    Ansonsten habe ich der JA-Mitarbeiterin erörtert, dass es Pflicht und Aufgabe des Jugendamtes ist, zu prüfen, ob die Pflegeeltern weiterhin geeignet sind oder eine Herausnahme des Kindes erforderlich ist. Mehr kann ich als Familiengericht vorliegend wohl nicht tun.


    @ Doro: Ggf. könnte ich das Jugendamt auch nochmal darauf hinweisen, dass von dort aus beantragt werden kann, die Ergänzungspflegschaft an den Pflegevater abzugeben. Das wäre wohl die einfachste Lösung. Aber da das Jugendamt aktuell noch an der "Tauglichkeit" des Pflegevaters zweifelt, ist für einen solchen Antrag momentan noch kein Raum. Aber guter Hinweis! ;)

    Vielleicht dann die Pflegemutter? Die Pflegeeltern scheinen ja insoweit tauglich zu sein, dass sie sich um die Belange des Kindes kümmern und nur an massivem Misstrauen dem Jugendamt, bzw. Behörden generell gegenüber leiden. Vollständig ungeeignet können sie wohl nicht sein, wenn das Jugendamt selbst das Kind bei ihnen unterbringt und das auch eigentlich so belassen möchte.

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