Ergänzungspflegschaft im Strafverfahren

  • Ich mache vertretungsweise Familiensachen. Die Staatsanwaltschaft schickt mir ihre Strafakte. Die Mutter zweiter Kinder hat hiernach gegen den Kindsvater und dessen Lebensgefährtin Strafanzeige wegen Kindesmisshandlung gestellt. Im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens wurden den Eltern bereits verschiedene Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen und auf das Jugendamt übertragen. In diesem Verfahren war auch ein Verfahrensbeistand tätig. Die Staatsanwaltschaft beantragt nun "die Bestellung eines Ergänzungspflegers für Kind A und B". Weitere Angaben hinsichtlich des Wirkungskreises gibt es nicht. Ich kann jetzt nur mal vermuten, dass es sich möglicherweise um die Bestellung eines Ergänzungspflegers wegen der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechtes betreffend des Kindsvaters handelt? Oder? Und weiter, macht es Sinn, in diesem Falle das ohnehin bereits tätige Jugendamt oder alternativ den bereits tätigen Verfahrensbeistand zu bestellen? Oder muss da eine neue Person ran? :confused:

  • Ja, das hab ich gelesen. In dem Beitrag gab es aber eine ganze Liste mit Sachen, für die der Ergänzungspfleger zuständig sein soll? Ich habe nur die Verfügung "zur Bestellung eines Ergänzungspflegers". Da ich kein Familienrechtspfleger bin, weiss ich nicht, ob dies einen Schluss hinsichtlich des Wirkungskreises zulässt. Wenn um das Zeugnisverweigerungsrecht geht, bin ich wohl zuständig und die Pflegerbestellung ist zwingend erforderlich.

  • das hab ich in Betracht gezogen. Hätte ja sein können, dass die erfahrenen Familienrechtspfleger allein aus der Formulierung des Antrags wissen, was gemacht werden soll. Danke.:D

  • Nein, etwas genauer sollten die Wirkungskreise schon angegeben werden. Ich habe insoweit das Glück, dass die StA bereits Beschlüsse im Entwurf vorlegt, in denen das genau bezeichnet ist, wie z.B.

    - Zustimmung zur Untersuchung des Kindes nach § 81c Stopp
    - Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht für die behandelnden Ärzte des Kindes
    - Entgegennahme von Zeugenladungen
    - Einwilligung in die Vernehmung
    - Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 Stopp sowie des Untersuchungsverweigerungsrechts nach § 81c Abs. 3 Stopp
    - Zustimmung zur Mitwirkung des Kindes bei der Erstattung von aussagepsychologischen Sachverständigengutachten zur Frage der Glaubwürdigkeit
    - Zustimmung zur Verwertung entsprechender früherer Explorationen
    - Aufenthaltsbestimmung in Bezug auf die vorstehend aufgeführten Untersuchungshandlungen

    Die StA möge sich also entscheiden, für was entsprechend des konkreten Untersuchungsstandes ein Ergänzungspfleger benötigt wird.

  • hab die Staatsanwaltschaft mal telefonisch kontaktiert, da wurde mir pampig gesagt, das müsse ich doch selbst wissen. Jetzt kam der Rückruf, ein Fax folgt. Mal schauen...

  • Da nach dem Sachverhalt das Jugendamt bereits Ergänzungspfleger ist, stellt sich zunächst die Frage, ob dessen Wirkungskreis ausreicht. Dann wäre gar nichts zu veranlassen.

    Sollte das nicht der Fall sein, folgt die Prüfung der funktionellen Zuständigkeit. Bei uns legt die StA seit einiger Zeit einen ähnlichen "Katalog" wie in #7 beschrieben vor. Dann ist regelmäßig Richterzuständigkeit gegeben, weil (auch) die Personensorge betroffen ist.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Dann ist regelmäßig Richterzuständigkeit gegeben, weil (auch) die Personensorge betroffen ist.

    Das ist so nicht ganz richtig. Soweit die Personensorge kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, kann und muss natürlich der Rechtspfleger einen Ergänzungspfleger bestellen. Der Richter wäre nur dann zuständig, wenn einem Elternteil ein Teil der elterlichen Sorge (Teil der Personensorge) zu entziehen ist ... und dann natürlich auch nur hierfür.
    Ich habe eine solche Akte auch schon mal meiner damaligen Familienrichterin vorgelegt, weil ich Zweifel hatte, ob unter den o.g. Wirkungskreisen nicht doch welche sind, die einem Entzug der elterlichen Sorge bedürfen, wobei ich dabei insbesondere an das Aufenthaltsbestimmungsrecht dachte, wenn es um Anhörungen oder Untersuchungen geht.

    Hier meine damalige Vorlageverfügung:

    Verfügung:

    1. Der Antrag der Staatsanwaltschaft, Blatt 3 ff., wird wie folgt rechtlich gewürdigt:

    Beantragt wird die Bestellung eines Ergänzungspflegers für

    a) Zustimmung zur Untersuchung der Kinder nach § 81 c StPO über etwaige Verletzungen und
    c) Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 52 StPO:

    Der Wortlaut des § 81c StPO lautet doch in Absatz 3:
    Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandsreife ......von der Bedeutung ihres Weigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so entscheidet der gesetzliche Vertreter; § 52 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 gilt entsprechend.

    Zur Verstandsreife wurde tatsächlich im Antrag nicht ausreichend vorgetragen.

    Der Verweis auf § 52 Abs. 2 Satz 2 BGB ("Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter ....") sagt aber doch gerade, dass der Vater auch für den Fall des § 81c StPO gesetzlich von der Vertretung ausgeschlossen ist, sodass es eines Ergänzungspflegers bedarf, ohne dass es dafür vorher anderer Maßnahmen nach (§ 1666, 1796 BGB) bedarf.

    Zu a und c liegt demnach ein gesetzlicher Vertretungsausschluss des Vaters vor.

    b) Entbindung von der Schweigepflicht für die behandelnden Ärzte der Kinder:

    Dies fällt wohl unter die gesetzliche Vertretung eines Elternteils, sodass man sich gemäß des wohl ersichtlichen Interessengegensatzes zwischen Vater und Kindern über § 1796 BGB behelfen und das Vertretungsrecht entziehen könnte. Dies fällt in die Zuständigkeit des Rechtspflegers.

    d) Die Aufenthaltsbestimmung in Bezug auf die oben angeführten Untersuchungsbehandlungen und Zeugenvernehmungen:

    Dies fällt wohl offensichtlich nicht in das Vertretungsrecht, sondern ist ein Teil der elterlichen Sorge. Bevor für diesen Wirkungskreis eine Ergänzungspflegschaft angeordnet werden kann, muss grundsätzlich ein Teil der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB entzogen werden. Hierfür besteht aber Richtervorbehalt.

    Abgesehen davon wurde bereits eine Ergänzungspflegschaft eingeleitet für alle Angelegenheiten der elterlichen Sorge, nachdem festgestellt wurde, dass die elterliche Sorge des Vaters gemäß § 1674 BGB ruht. Sämtliche Wirkungskreise, für die hier erneut auf der Bestellung eines Ergänzungspflegers bestanden wird, sind damit in der bereits bestehenden Pflegschaft enthalten. Insoweit besteht aus Sicht des Unterzeichners derzeit kein Rechtsschutzbedürfnis für eine weitere Entscheidung. Das Vorbringen der Staatsanwaltschaft, man könne schließlich nicht ständig den Gesundheitszustand des Vaters überwachen und es werde dieser u.U. der Wegfall der bestehenden Pflegschaft entgehen, ist nicht erfolgversprechend, denn die Ergänzungspflegschaft bzw. das Ruhen der elterlichen Sorge sind vom Gericht zu überwachen, und der Kindesvater erlangt diese erst nach einer entsprechenden Feststellung in Beschlussform wieder. Insoweit ist es völlig ausreichend, dann über eine Fortsetzung der Pflegschaft in Teilbereichen zu entscheiden. Für eine Entscheidung über eine (weitere) Pflegschaft zu einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft dürfte derzeit kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen.

    Nach alledem ist zunächst über einen teilweisen Entzug der elterlichen Sorge (Aufenthaltsbestimmungsrecht) zu entscheiden, bevor über die Pflegschaft im beantragten Umfang entschieden werden kann, sofern hierfür insgesamt zum derzeitigen Zeitpunkt überhaupt ein Bedürfnis besteht. Auf Grund des sachlichen Zusammenhangs wird daher die Akte zur Prüfung an den Familienrichter vorgelegt.


    2. Frau Familienrichterin zur weiteren Veranlassung im Hinblick auf obige Feststellungen und den Inhalt der Akte Blatt 3- 29

    (sofern eine richterliche Zuständigkeit in Teilbereichen gesehen wird, wird um Anlage eines neuen Verfahrens gebeten)

    Sie hat daraufhin erwidert:

    "Für die AO der EPfl ist der Rpfl zuständige (§ 3 Nr. 2a RpflG i.V.m. §151 Nr. 5 FamFG). Die gilt auf für die Entscheidung über Punkt d) des Antrages. Dieses Recht ist als Annexkompetenz zu den Punkten a) und c) zu sehen. Eine Entscheidung über die teilweise Entziehung der eSo, welche dem Richtervorbehalt unterliegt, ist damit nicht erforderlich. ........"

  • hab die Staatsanwaltschaft mal telefonisch kontaktiert, da wurde mir pampig gesagt, das müsse ich doch selbst wissen. Jetzt kam der Rückruf, ein Fax folgt. Mal schauen...


    Dann vielleicht mit einem ganz geringen Aufgabenkreis anordnen. Dann wird sich die StA schon melden und sagen, was sie noch brauchen. :teufel:

  • Sind die Eltern von der Vertretung gem. § 1909 BGB auch ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte der Bruder des geschädigten Kindes ist? Würde es einen Unterschied machen, ob der Bruder minderjährig oder volljährig ist?

    Kraft Gesetzes (§ 52 StPO) sind die Eltern nicht von der Vertretung ausgeschlossen. Allerdings dürfte hier ein Fall des § 1796 BGB (i.V.m. § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB) gegeben sein, und zwar unabhängig davon, ob der Bruder minderjährig oder volljährig ist.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Hallo,

    mein aktueller Problemfall deckt sich nahezu mit dem Ausgangsfall. Allerdings mit dem Unterschied, dass die StA den gewünschten Aufgabenkreis mit 'Entscheidung über das Ausüben des Zeugnisverweigerungsrechts in einem Strafverfahren' recht konkret bezeichnet hat.

    Spricht etwas dagegen, das Jugendamt auch für diesen Teilbereich als Ergänzungspfleger zu bestellen (also den Aufgabenkreis lediglich zu erweitern) oder ist es notwendig, neben Jugendamt und Verfahrenspfleger nun noch eine weitere Person (Rechtsanwalt) als weiteren Ergänzungspfleger für den oben genannten Aufgabenkreis ins Boot zu holen?

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