Europäisches Nachlasszeugnis

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    ich bräuchte Eure Hilfe bei der Vorgehens-/Herangehendsweise an das Europäische Nachlasszeugnis.
    Erblasser war belgischer Staatsangehöriger mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Es liegt ein Ehegattentestament vor, wonach die Ehefrau Alleinerbin ist. Der Erblasser hat neben Vermögen in Deutschland noch ein Konto in Belgien. Die belgische Bank verlangt nun ein ENZ.
    In unserem Gericht bin ich die erste, die sich nun mit der Antragsaufnahme zum ENZ beschäftigen muss.
    Wie habt Ihr das gehandhabt? Antragsaufnahme über JUDICA/TSJ und von der Antragstellerin den Vordruck zum ENZ ausfüllen lassen und dann Richtervorlage weil Verfügung von Todes wegen vorhanden?
    Ich würde mich freuen, wenn Ihr Eure bisherigen Erfahrungen mit mir teilen würdet.

  • Zu der technischen Herangehensweise kann ich mich natürlich nicht äußern. Das Testament ist aber auf eine mögliche Rechtswahl zu prüfen. Bei einem alten Testament (Errichtet vor dem 17. August 2015) kämme eine vermutete Rechtswahl zugunsten des belgischen Rechts in Betracht (Art. 84 Abs. 4 ErbRVO). Bei einem unter der Geltung der ErbRVO errichteten Testament kommt eine konkludente Rechtswahl aus dem Inhalt des Testaments in Betracht (Art. 22 Abs. 2 ErbRVO).

  • Ich habe nun auch einen solchen Antrag auf dem Tisch.
    Ich habe mich entschlossen, zu dem mir vorliegenden ausgefüllten Vordrucksatz das in Judica bereitgehaltene Formular zu benutzen, denn dort ist die e.V enthalten, die ich im Vordrucksatz nicht finden kann, die aber nach §36 InterErbrechtsverfahrensgesetz erforderlich ist.

    Vielleicht berichtet aber noch jemand über die Vorgehensweise?

  • Ich habe nun auch einen solchen Antrag auf dem Tisch. Ich habe mich entschlossen, zu dem mir vorliegenden ausgefüllten Vordrucksatz das in Judica bereitgehaltene Formular zu benutzen, denn dort ist die e.V enthalten, die ich im Vordrucksatz nicht finden kann, die aber nach §36 InterErbrechtsverfahrensgesetz erforderlich ist. Vielleicht berichtet aber noch jemand über die Vorgehensweise?



    im Protokoll auf den als Anlage genommenen Vordrucksatz verweisen. Eidesstattliche Versicherung wie üblich. Passt. Nur nicht anfangen, die Angsben der Beteiligten in den EDV-Vordrucksatz zu übernehmen.

  • ...man kann den Antrag aber deswegen ja nicht als "rechtsmissbräuchlich" abweisen.

    Der Antrag auf Ausstellung eines ENZ ist zulässig und muss beschieden werden.

    Das NLG kann (wie beim ES auch) auf die Angabe der EV verzichten. Wenn bereits ein ES (durch Antrag mit EV) erteilt wurde oder aber der im Ausland wohnende Erbe großen Aufwand mit der EV hätte, würde ich das auch machen - sonst in der Regel nicht.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Nur weil die Banken nicht begreifen, dass sie nach den Regeln der EuErbVO einen deutschen Erbschein anerkennen müssen, sollte man sich die Erteilung eines ENZ möglichst nicht antun.


    Das sie das müssen, wäre mir neu. Genausowenig wir deutsche Gerichte oder Banken z.B. Notorietätszeugnisse französischer oder luxemburger Notare anerkennen müssen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Trotzdem schließe ich mich TL an - wenn ich einen solchen Antrag bekomme bzw. ein Erbe einen solchen Antrag stellen will, dann kann ich das schlecht ablehnen, auch wenn ich das für sinnlos erachte.

    Bisher ging dem Antragsbegehren immer ein Erbschein voraus, sodass ich bisher auf eine weitere eV verzichtet hätte. Es kam aber noch nie soweit. In der Praxis drück' ich den Leuten immer den Antragsvordruck in die Hand, damit die das erstmal schön alleine (vor-)ausfüllen können, wedel mit einem leeren ENZ-Formular rum (25 Seiten?), sage, dass die Dinger nur begrenzt gültig sind und neben dem Erbschein eine weitere Gebühr anfällt. Bisher kam keiner wieder.

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • Ich sagte ja auch nicht, dass man die Erteilung des ENZ verweigern kann, sondern ich meinte, dass man den Antragsteller unter Nennung der einschlägigen Norm der EuErbVO vielleicht darauf hinweisen könnte, das es Quatsch ist, was die ausländische Bank da veranstaltet und dass er der Bank diese Norm erst mal unter die Nase halten soll, bevor er überflüssigerweise Geld für ein ENZ ausgibt.

  • Ich sagte ja auch nicht, dass man die Erteilung des ENZ verweigern kann, sondern ich meinte, dass man den Antragsteller unter Nennung der einschlägigen Norm der EuErbVO vielleicht darauf hinweisen könnte, das es Quatsch ist, was die ausländische Bank da veranstaltet und dass er der Bank diese Norm erst mal unter die Nase halten soll, bevor er überflüssigerweise Geld für ein ENZ ausgibt.

    Da geb ich dir vollkommen Recht. Hier bei mir gings immer nur um Grundbesitz im Ausland. Wie gesagt - bisher hat sich keiner mehr gemeldet. Wenn es um Banken geht ist die Vorschrift aber ein guter Hinweis, danke :daumenrau

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • Art. 39 Abs. 1 EuErbVO.

    Abweichendes gilt nur im Grundbuchverkehr, weil die VO für diesen Bereich nicht gilt.

    Art. 40 enthält einen abschließenden Katalog von negativen Anerkennungsvoraussetzungen. Die VO gilt auch im Grundbuchbereich, soweit es sich um Nachweis der erbrechtlichen Nachfolge handelt. Nationale Entscheidungen sind auch im Grundbuchverkehr anzuerkennen, wenn sie im Ursprungsstaat mit einer entsprechenden Bescheinigung versehen sind, die bestätigt, dass es sich um eine Entscheidung i.S.d. Art. 39 ErbRVO handelt. Wie, als nicht durch eine nationale Entscheidung, könnte man im Mitgliedstaat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers, dass nach Art. 4 ErbRVO für die Nachlasssache in der Regel ausschließlich zuständig ist, eine Nachlassteilung bzw. Auseinandersetzung vornehmen?

  • Der Geltungsausschluss ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 lit. l) EuErbVO.

    Es geht also nicht um die Anerkennungsausschlüsse nach Art. 40, sondern darum, dass das besagte Rechtsgebiet schlechthin vom Anwendungsbereich der VO ausgenommen ist.

  • Der Geltungsausschluss ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 lit. l) EuErbVO.

    Es geht also nicht um die Anerkennungsausschlüsse nach Art. 40, sondern darum, dass das besagte Rechtsgebiet schlechthin vom Anwendungsbereich der VO ausgenommen ist.

    Mal sehen... hoffentlich in der zweiten Jahreshälfte 2017.
    Derzeit halte ich diese Auslegung für eine, gelinde ausgedrückt, Mindermeinung.

  • Das ist aber exakt der Grund, weshalb aufgrund ausländischer Erbscheine (eines Mitgliedsstaates der VO) nach wie vor keine Grundbucheintragungen erfolgen können - was keine Mindermeinung, sondern mit der von mir gegebenen Begründung die absolut herrschende Meinung darstellt.

  • Ich habe der Antragstellerin nun den Vordruck Antrag ENZ nebst Anlagen übersandt.
    An alle die mit TSJ arbeiten: Ich habe entdeckt, dass dort Verfügungen zum europäischen Erbrecht eingestellt sind. Die Vordrucke für den Antrag und das ENZ müssen jedoch weiterhin von der bekannten I-Netseite heruntergeladen werden.

  • Art. 39 Abs. 1 EuErbVO.

    Abweichendes gilt nur im Grundbuchverkehr, weil die VO für diesen Bereich nicht gilt.

    Der Geltungsausschluss ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 lit. l) EuErbVO.

    Es geht also nicht um die Anerkennungsausschlüsse nach Art. 40, sondern darum, dass das besagte Rechtsgebiet schlechthin vom Anwendungsbereich der VO ausgenommen ist.

    Wenn man sich die Begründung zur EUErbVo durchliest, war sie sicher nicht so gemeint, dass für bewegliches Vermögen die nationalen Erbnachweise gelten und für unbewegliches Vermögen ein ENZ. Vielmehr sollte mit dem ENZ ein einheitlicher Nachweis für die Erbfolge im Ausland geschaffen werden. Im Ausland bleibt es zwar unbenommen auch andere Nachweise zu akzeptieren, aber man muss nicht.
    Wenn die VO im Grundstücksverkehr überhaupt nicht gelten sollte, würde auch ein ENZ nichts nützen, da dieses ja in der VO geregelt ist. Insofern wäre das wohl ein Widerspruch.... Nach der Begründung ist damit wohl gemeint, dass man keine Rechte an Immobilien mit der VO durch ausländisches Recht begründen kann, die das nationale Recht nicht kennt.

  • Art. 39 Abs. 1 EuErbVO.

    Abweichendes gilt nur im Grundbuchverkehr, weil die VO für diesen Bereich nicht gilt.

    Der Geltungsausschluss ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 lit. l) EuErbVO.

    Es geht also nicht um die Anerkennungsausschlüsse nach Art. 40, sondern darum, dass das besagte Rechtsgebiet schlechthin vom Anwendungsbereich der VO ausgenommen ist.

    Wenn man sich die Begründung zur EUErbVo durchliest, war sie sicher nicht so gemeint, dass für bewegliches Vermögen die nationalen Erbnachweise gelten und für unbewegliches Vermögen ein ENZ. Vielmehr sollte mit dem ENZ ein einheitlicher Nachweis für die Erbfolge im Ausland geschaffen werden. Im Ausland bleibt es zwar unbenommen auch andere Nachweise zu akzeptieren, aber man muss nicht.
    Wenn die VO im Grundstücksverkehr überhaupt nicht gelten sollte, würde auch ein ENZ nichts nützen, da dieses ja in der VO geregelt ist. Insofern wäre das wohl ein Widerspruch.... Nach der Begründung ist damit wohl gemeint, dass man keine Rechte an Immobilien mit der VO durch ausländisches Recht begründen kann, die das nationale Recht nicht kennt.

    Deswegen wurde § 35 GBO ja dahingehend geändert, dass auch ein ENZ für die Grunbuchberichtigung aufgrund Erbfolge ausreicht. Ohne ENZ bleibt es aber beim Erfordernis des deutschen Erbscheins und ich gehe davon aus, dass es andere Länder zumindest ähnlich geregelt haben. Wenn die Besonderheiten des Registerrecht einen ausländischen Erbschein (aus unserer oder aus ausländischer Sicht) nicht genügen lassen, heißt das aber nicht, dass der ausländische Erbschein (also auch unser Erbschein im Ausland) auch im Übrigen nicht akzeptiert werden muss. Dass er zu akzeptieren ist, ist klar in Art. 39 Abs. 1 EuErbVO geregelt.

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