§ 47 JGG Überwachung von Weisungen Zuständigkeit

  • Hallo Ihr Lieben,

    ich habe jetzt schon viele Beiträge im Forum gelesen, aber keines passt so richtig auf mein Problem, daher hoffe ich auf Eure Hilfe.

    Folgender Sachverhalt:

    Ich bin Rechtspflegerin am Landgericht und dort für die vom Rechtspfleger zu erledigenden Aufgaben in Strafsachen zuständig.

    In einer Jugendstrafsache wurde das Verfahren gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 45 Abs. 3 Satz 1, 10 Satz 3 Nr. 4 JGG ENDGÜLTIG eingestellt. Dem Angeklagten wurde aber aufgegeben, binnen 6 Monaten 100 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten.

    Das Verfahren wurde daraufhin hier ausgetragen und an die Staatsanwaltschaft nach Verfahrenseinstellung zur weiteren Veranlassung übersandt. Von dort kam die Akte zur Überwachung der Auflagenerfüllung zurück und wurde mir mit dem Vermerk vorgelegt , dass die Verfügung und die Mitteillungen gemäß Mistra etc. vom Rechtspfleger zu tätigen seien.

    Ich habe daraufhin im Kommentar (u.A. im HRP) nachgelesen, dass die Vollstreckung von Weisungen nach § 10 JGG dem Jugendrichter als Vollstreckungsleiter obliegt und dass eine Übertragung der Vollstreckung auf den Rechtspfleger nicht in Betracht kommt. Außerdem ist bei Entscheidungen der Jugendkammer immer der Jugendrichter des Amtsgerichts am Wohnort des Jugendlichen zuständig nach § 84 JGG. Da der Heranwachsende seinen Wohnort nicht im hiesigen Bezirk hat, habe ich die Akte also zur weiteren Veranlassung an das Amtsgericht am Wohnort Angeklagten geschickt.

    Von dort kam die Akte wiederum zurück mit dem Vermerk, dass es sich "nach hiesiger Auffassung bei der Überwachung nach § 47 JGG nicht um eine Aufgabe des Vollstreckungsleiters handelt, sondern um eine des erstinstanzlichen Spruchkörpers. Das Amtsgericht kann eine gesetzliche Grundlage zur Übernahme der Überwachung der Arbeitsauflagen im Rahmen der Einstellung nach § 57 JGG nicht erkennen"

    So und nun frage ich mich, bin ich als Rechtspflegerin des Landgerichts wirklich zuständig? Oder ist das Vielleicht Aufgabe der Richter, die auch den Beschluss zur Einstellung erlassen haben? Oder doch Aufgabe des Vollstreckungsleiters am Amtsgericht? Ich kann einfach keine gesetzliche Grundlage finden, nach der ich zuständig sein sollte.

  • Wir haben es hier nicht mit Strafvollstreckung zu tun, s. § 451 I StPO. Eine Strafvollstreckung erfolgt nur aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung, nicht bei einer Einstellung des Verfahrens. Aus § 22 RPFlG ergibt sich keine Rechtspflegerzuständigkeit. Allerdings könnten es UdG-Aufgaben sein, die auch auf den Rpfl. übertragbar sind.

  • Ok dann war ich wohl mit der Vollstreckung auf dem falschen Dampfer.... aber wie läuft das denn sonst so an den Amtsgerichten ab, da kommt der Fall der Einstellung mit Weisungen ja bestimmt häufiger vor? Bekommen dort die Rechtspfleger die Akte nach dem Beschluss gleich vorgelegt und machen alles weitere oder ist das dort auch keinem bekannt?

    Finde es ja bei mir auch seltsam, dass das Verfahren gleich endgültig eingestellt worden ist und nicht nur vorläufig. Wenn der Angeklagte dann den Weisungen nicht nachkommt, was dann? Dann kann der Richter doch auch nichts mehr machen oder?

  • Die endgültige Einstellung vor Erfüllung der Auflagen ist sicherlich ein Fehler des Richters. Hier beim AG überwacht der Richter nach der vorläufigen Einstellung die Erfüllung und stellt dann endgültig ein oder beraumt bei Nichterfüllung eine Hauptverhandlung an.
    Früher wurde hier dem Rpfl durch Hausweisungen die abschließende Bearbeitung nach endgültiger Einstellung übertragen (UdG des gehobenen Dienstes). Allerdings kam dann die Weisung von ganz oben, dass Aufgaben der Serviceeinheiten auch von diesen zu erledigen sind und damit keine hochbezahlten Rpfl. zu belasten sind.

  • also verstehe ich das aber richtig, dass eigentlich der Richter für die Überwachung der erteilten Weisungen zuständig wäre und dementsprechend die Verfügung dazu fertigen müsste? mangels einer Übertragung auf den Rechtspfleger in § 22 Rpflg?

  • Es ist keine originäre Rechtspflegeraufgabe. Allerdings können gewisse Geschäfte durch den LG-Präsidenten durch Geschäftsanweisungen übertragen werden. Da die reine Überwachung nicht zur Rechtsprechung gehört, dürfte dieses zulässig sein.

  • Wir haben es hier nicht mit Strafvollstreckung zu tun, s. § 451 I StPO. Eine Strafvollstreckung erfolgt nur aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung, nicht bei einer Einstellung des Verfahrens. Aus § 22 RPFlG ergibt sich keine Rechtspflegerzuständigkeit. Allerdings könnten es UdG-Aufgaben sein, die auch auf den Rpfl. übertragbar sind.


    § 451 StPO findet hier keine Anwendung, siehe § 2 JGG. Vorrangig ist der § 82 JGG, es handelt sich insoweit auch um Vollstreckung in diesem Sinn.

    Nach § 84 II 1 JGG ist hier der Jugendrichter am für den Wohnsitz des Angeklagten zuständigen Amtsgericht der Vollstreckungsleiter.

    Eine Übertragung auf den Rechtspfleger könnte wohl grundsätzlich nach § 31 V RpflG erfolgen.

  • Falls sich die Zuständigkeit doch nach den §§ 82 ff. JGG richtet, wäre also doch das Amtsgericht zuständig, wo ich die Akte bereits einmal hin versandt und von dort zurückerhalten habe :confused: oh man ich habe leider echt keine Ahnung und hatte so einen Fall hier auch noch nie. Bin die einzige Rechtspflegerin hier, die die Strafsachen bearbeitet. Werde wohl die Akte nochmal dem Richter m.d.B. um weitere Veranlassung bzgl. der Überwachung vorlegen. Entweder der schickt die Akte dann noch mal an das Amtsgericht, macht selbst irgendwas oder soll mir bitte sagen, woher sich meine Zuständigkeit ergibt.... :(

  • Falls sich die Zuständigkeit doch nach den §§ 82 ff. JGG richtet, wäre also doch das Amtsgericht zuständig, wo ich die Akte bereits einmal hin versandt und von dort zurückerhalten habe :confused: oh man ich habe leider echt keine Ahnung und hatte so einen Fall hier auch noch nie. Bin die einzige Rechtspflegerin hier, die die Strafsachen bearbeitet. Werde wohl die Akte nochmal dem Richter m.d.B. um weitere Veranlassung bzgl. der Überwachung vorlegen. Entweder der schickt die Akte dann noch mal an das Amtsgericht, macht selbst irgendwas oder soll mir bitte sagen, woher sich meine Zuständigkeit ergibt.... :(


    Beste Idee, da so oder so die Zuständigkeit des Rechtspflegers zur Jugendstrafvollstreckung nur besteht, wenn der Vollstreckungsleiter einen entsprechenden Übertragungsbeschluss erlassen hat.

    Strenggenommen hättest du die Akte auf eigene Initiative schon gar nicht versenden dürfen.

  • Wir haben es hier nicht mit Strafvollstreckung zu tun, s. § 451 I StPO. Eine Strafvollstreckung erfolgt nur aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung, nicht bei einer Einstellung des Verfahrens. Aus § 22 RPFlG ergibt sich keine Rechtspflegerzuständigkeit. Allerdings könnten es UdG-Aufgaben sein, die auch auf den Rpfl. übertragbar sind.


    § 451 StPO findet hier keine Anwendung, siehe § 2 JGG. Vorrangig ist der § 82 JGG, es handelt sich insoweit auch um Vollstreckung in diesem Sinn.

    Nach § 84 II 1 JGG ist hier der Jugendrichter am für den Wohnsitz des Angeklagten zuständigen Amtsgericht der Vollstreckungsleiter.

    Eine Übertragung auf den Rechtspfleger könnte wohl grundsätzlich nach § 31 V RpflG erfolgen.


    Tut mir leid, aber ich halte Deine Ansicht für komplett falsch! Sie wird auch nicht durch die von Dir genannten Vorschriften gedeckt. Siehe dazu auch Eisenberg, 17. Aufl. § 82 Rz. 38ff JGG.


  • Das soll sich woraus ergeben? :gruebel:

    Der von dir genannte Kommentar sagt in der 18. Auflage bei § 82 Rz. 38 Folgendes:

    "Der umfassende strafprozessuale Begriff der Vollstrbezeichnet die Gesamtheit derjenigen teils richterlichen, teilsverwaltungsmäßigen Tätigkeiten, die erforderlich sind, damit die in derEntscheidung angeordneten Rechtsfolgen durchgeführt werden können."


    Zudem ist in den RLJGG (Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz) bei zu § 82-85 JGG unter III. (Vollstreckung von Erziehungsmaßregeln) aufgeführt:

    "Sind Weisungen erteilt worden, so übersendet derVollstreckungsleiter..." (analoge Regelung unter IV. für Vollstreckung von Auflagen zu finden)

  • Es tut mir leid, aber Du liegst komplett falsch. Die Weisungen und Auflagen bei §§ 45, 47 JGG sind keine vollstreckbaren Rechtsfolgen, sondern nur ein Angebot für den Angeklagten zur endgültigen Einstellung des Verfahrens. Sie sind auch nicht zwangsweise durchsetzbar (ausdrückliches Verbot des Beugearrestes, § 47 I 6 JGG). Lies Dir doch mal in dem Kommentar die Rz. 40 zu § 82 JGG durch mit dem ausdrücklichen Verweis auf § 449 StPO. Im Jugendstrafrecht gilt grundsätzlich die StPO, sofern das JGG ausdrücklich nichts anderes anordnet. Das tut es nur bei der sachlichen Zuständigkeit (Vollstreckungsleiter statt StA).

  • Würde die Vollstreckung nur aus einem Urteil möglich sein, würde in dem Kommentar denke ich wohl nicht "....die in der Entscheidung angeordneten Rechtsfolgen..." stehen. Eine Entscheidung ist für mich alles, was das Verfahren beendet, also auch ein Beschluss über die Einstellung des Verfahrens, oder?

    Und ich habe ja das Problem, dass hier bereits endgültig eingestellt und das Strafverfahren damit schon beendet worden ist. Dann kann ja eigentlich nur noch die Vollstreckung kommen. Die Richter sind wohl davon ausgegangen, dass die Vollstreckung von der Staatsanwaltschaft erledigt wird, die haben ja gleich nach dem Beschluss verfügt, dass das verfahren hier ausgetragen wird und an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Veranlassung übersandt wird. Zur Umsetzung der erteilten Weisungen haben sich nichts verfügt, aber auch keine Vorlage an den Rechtspfleger notiert.

  • Würde die Vollstreckung nur aus einem Urteil möglich sein, würde in dem Kommentar denke ich wohl nicht "....die in der Entscheidung angeordneten Rechtsfolgen..." stehen. Eine Entscheidung ist für mich alles, was das Verfahren beendet, also auch ein Beschluss über die Einstellung des Verfahrens, oder?

    Und ich habe ja das Problem, dass hier bereits endgültig eingestellt und das Strafverfahren damit schon beendet worden ist. Dann kann ja eigentlich nur noch die Vollstreckung kommen. Die Richter sind wohl davon ausgegangen, dass die Vollstreckung von der Staatsanwaltschaft erledigt wird, die haben ja gleich nach dem Beschluss verfügt, dass das verfahren hier ausgetragen wird und an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Veranlassung übersandt wird. Zur Umsetzung der erteilten Weisungen haben sich nichts verfügt, aber auch keine Vorlage an den Rechtspfleger notiert.

    Lies Dir einfach mal die fragliche Stelle im Kommentar komplett durch! Da steht auch genau was unter Entscheidung zu verstehen ist. Eine Einstellung gem. § 47 JGG fällt nicht darunter.

  • Es tut mir leid, aber Du liegst komplett falsch. Die Weisungen und Auflagen bei §§ 45, 47 JGG sind keine vollstreckbaren Rechtsfolgen, sondern nur ein Angebot für den Angeklagten zur endgültigen Einstellung des Verfahrens. Sie sind auch nicht zwangsweise durchsetzbar (ausdrückliches Verbot des Beugearrestes, § 47 I 6 JGG). Lies Dir doch mal in dem Kommentar die Rz. 40 zu § 82 JGG durch mit dem ausdrücklichen Verweis auf § 449 StPO. Im Jugendstrafrecht gilt grundsätzlich die StPO, sofern das JGG ausdrücklich nichts anderes anordnet. Das tut es nur bei der sachlichen Zuständigkeit (Vollstreckungsleiter statt StA).


    Sehe ich nach wie vor anders.

    Aber es handelt sich hier auch um eine sehr ungewöhnliche Konstellation, die mir noch nicht untergekommen ist. Richtig laufen muss es eigentlich im Verfahren so, dass die vorläufige Einstellung nach §§ 45, 47 JGG mittels Beschluss erfolgt und die Auflagen für die endgültige Einstellung mitgeteilt werden (üblicherweise in der Hauptverhandlung). Erst wenn die Auflagen erbracht wurden, gibt es die endgültige Einstellung.

    Weshalb man im von der TS erwähnten Verfahren zwar die endgültige Einstellung feststellt, aber gleichzeitig eine weitere Auflage macht, habe ich so noch nie gesehen. Halte es auch fraglich, ob die Arbeitsleistung hier nicht eher als ganz normale Weisung oder Auflage nach § 10 bzw. 15 JGG zu sehen ist. Für deren Vollstreckung wäre jedenfalls der Vollstreckungsleiter zuständig, also müsste die Akte zum für den Wohnsitz des Angeklagten zuständigen Amtsgericht gesandt werden (§ 84 II JGG).


    @ Zimtsternchen:

    Was droht laut Entscheidung eigentlich für eine Folge, wenn der Angeklagte die Stunden nicht leistet?

  • Der Beschluss lautet folgendermaßen:

    1. Das verfahren wird mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 45 Abs. 3 Satz 1, 10 Satz 3 Nr. 4 JGG endgültig eingestellt.

    2. Dem Angeklagten wird aufgegeben, binnen 6 Monaten ab dem heutigen Tag 100 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten, die Auswahl der Arbeitsstelle wird der Jugendgerichtshilfe übertragen.

    3. Die Ableistung von Arbeitsstunden hat der Angeklagte der Jugendgerichtshilfe monatlich unaufgefordert durch Vorlage einer geeigneten und aussagekräftigen Bescheinigung nachzuweisen.

    4. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

    Es werden keine Folgen bei Nichtleistung angedroht. Das ist alles :(

  • ja... also ich lege die Akte jetzt dem Richter m.d.B. um weitere Veranlassung bzgl. der Überwachung der erteilten Weisungen vor.

    Soll der herausfinden, ob es sich dabei nun um eine Vollstreckungstätigkeit oder nicht handelt und wer jetzt zuständig ist.

    Blöd nur, wenn das am Ende aus irgendeinem Grund doch ich wäre :oops: aber naja... dann weiß ich es für die Zukunft besser.

  • "Blöd" wäre es nur dann, wenn Du sie kommentarlos dem Richter vorlegst. Ich würde in Ansätzen schon einmal das Gedankenspiel offenbaren - natürlich mit einer vorgezogenen Tendenz, dass man selber nicht zuständig ist :D. Erfahrungsgemäß neigt dann der "Entscheider" dann zu der plausiblen Variante, die Zeit und Aufwand im eigenen Interesse spart.

    Einmal editiert, zuletzt von Sersch (23. November 2016 um 15:57) aus folgendem Grund: ergänzt um Erfahrungswert

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