Datenschutz Verkettung von Verfahren

  • Sicher werden einem die datenschutzrelevanten Feinheiten nicht einfach so zufliegen, aber die persönliche Unbedarftheit einiger Vorposter in dem Thema erschreckt schon.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Sicher werden einem die datenschutzrelevanten Feinheiten nicht einfach so zufliegen, aber die persönliche Unbedarftheit einiger Vorposter in dem Thema erschreckt schon.

    Mein Eindruck ist der, daß dieses Rechtsgebiet ein einziges Stochern im Nebel ist:

    a) Meistens zieht man sich schlagwortartig darauf zurück ("Das ist Datenschutz"), ohne daß eine konkrete Rechtsgrundlage genannt werden kann, wenn man bestimmte Daten einfach nicht herausgeben will
    b) Umgekehrt fließen zahllos im öffentlichen und privaten Bereich Daten, die eigentlich nicht fließen dürften
    c) Niemanden interessiert das, weil die Datenschutzbehörden zahnlose Tiger, die kaum Personal haben. Immer mal wieder kommt was hoch, daß der Datenschutzbeauftragte sich in den Medien äußert, daß diese und jene Sache nicht rechtskonform sei. Aber passiert dann was? Werden Bußgelder verhängt? Nein, keine Sau interessiert sich dafür.

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • ähhh: § 1 Abs. 2 Nr. 2 b) BDSG? Habe ich so geschätzt 5 mal im Thread erwähnt.

    Ja, ich bin trotz meines fortgeschrittenen Alters noch des Lesens mächtig. Die von Dir bezeichnete Bundesnorm besagt jedoch:

    nicht durch Landesrecht geregelt und Organ der Rechtspflege ... Den eindeutigen Wortlaut des hiesigen LDSG hatte ich ja bereits oben gepostet. Also??

  • ähhh: § 1 Abs. 2 Nr. 2 b) BDSG? Habe ich so geschätzt 5 mal im Thread erwähnt.

    Ja, ich bin trotz meines fortgeschrittenen Alters noch des Lesens mächtig. Die von Dir bezeichnete Bundesnorm besagt jedoch:

    nicht durch Landesrecht geregelt und Organ der Rechtspflege ... Den eindeutigen Wortlaut des hiesigen LDSG hatte ich ja bereits oben gepostet. Also??

    Das Landesgesetz besagt, dass es nur für Verwaltungsaufgaben von Gerichten gilt, das Bundesgesetz sagt, dass es anzuwenden ist, soweit nicht das Landesdatenschutzrecht anzuwenden ist. Also gilt für die Judikative deines Bundeslandes das Bundesdatenschutzgesetz. Nach der von mir genannten Vorschrift kann es ja auch niemals zu einer Nichtanwendung des Datenschutzrechts kommen: entweder gilt Landesrecht oder es gilt Bundesrecht. Alles andere wäre im übrigen auch ein Verstoß gegen die EU Datenschutz-Grundverordnung.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • ähhh: § 1 Abs. 2 Nr. 2 b) BDSG? Habe ich so geschätzt 5 mal im Thread erwähnt.


    Peterle zitiert nicht die Bestimmungen des BDSG, sondern des Datenschutzgesetzes von Mecklenburg-Vorpommern! Grundsätzlich liegt das auch nahe, da sowohl die StA als auch die Gerichte Behörden des jeweiligen Bundeslandes sind.

    Ansonsten wäre die Frage, wozu es Datenschutzgesetze der Länder bedarf, wenn das BDSG sowieso für alle Behörden Anwendung findet? :gruebel:

  • Ich kann es nunmal nicht ändern, dass es sich so wie in #64 dargestellt verhält. Grund dafür ist, dass der Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz für gerichtliche Verfahren hat. Daher gilt für gerichtliche Verfahren das BDSG und das Landesdatenschutzrecht hat diesen Bereich ausgeklammert.

    Aber wie BREamter schon in #59 geschrieben hat: Es muss doch wirklich jedem einleuchten, dass das Datenschutzrecht auch bei gerichtlichen Verfahren gilt! Das kann doch niemand ernstlich in Zweifel ziehen?

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Erstaunlich, für welche Furore dieses Thema seit Tagen sorgt. Ist diese Frage nicht ohnehin ein wenig müßig, wenn man stattdessen auch über die konkrete Rechtsanwendung (welche Möglichkeiten bietet oder versperrt z. B. § 4 BDSG?) sprechen könnte?

  • Sehr interessant die Diskussion. Und wie genau macht ihr das dann in der Praxis bei Mischreferaten von 2-3 und mehr verschiedenen Abteilungen?

    Ich finde die Diskussion auch sehr interessant und danke für die rege Beteiligung.

    Uns Datenschutzbeauftragten wurde in einer Datenschutzfortbildung erzählt, dass man bei Mischdezernaten "schizophren" sein muss. Das heißt, dass man die Informationen aus einer Abteilung bei der Bearbeitung einer anderen Abteilung ausblenden muss bzw. nicht verwenden darf.

    Ich hatte als Datenschutzbeauftragte nunmehr auch ein Gespräch mit der Verwaltung mit dem Ergebnis, dass man die Bediensteten über die Problematik "nicht erlaubte Verkettung von Verfahren" unterrichten sollte.
    Meine Kollegin, die immer die Grundakten zur Nachlassakte zieht, werde ich darauf hinweisen, dass ich die Verfahrensweise datenschutzrechtlich bedenklich finde.
    Ich weiß, dass das nicht meine Aufgabe, sondern die der Verwaltung ist. Habe dies aber mit der Verwaltung so abgesprochen.
    Zumal die Geschäftsstellen auch total genervt von der ständigen Aktenbeiziehung der einen Kollegin sind und wir den Sinn der Beifügung nicht nachvollziehen können. In begründeten Einzelfällen halte ich die Aktenbeiziehung für sinnvoll, aber nicht standardmäßig in jedem Nachlassverfahren.

  • Ich weiß, dass das nicht meine Aufgabe, sondern die der Verwaltung ist. Habe dies aber mit der Verwaltung so abgesprochen.
    Zumal die Geschäftsstellen auch total genervt von der ständigen Aktenbeiziehung der einen Kollegin sind und wir den Sinn der Beifügung nicht nachvollziehen können. In begründeten Einzelfällen halte ich die Aktenbeiziehung für sinnvoll, aber nicht standardmäßig in jedem Nachlassverfahren.

    Böse Zungen könnten meinen, dass man sich damit vor den Karren der Verwaltung spannen lässt, damit sich der Zorn am Datenschutzbeauftragten abreagiert. In der Folge wäre es kein Wunder, wenn sich dann weitere Kollegen über den Datenschutzbeauftragten aufregen...

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

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    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Sehr interessant die Diskussion. Und wie genau macht ihr das dann in der Praxis bei Mischreferaten von 2-3 und mehr verschiedenen Abteilungen?

    Uns Datenschutzbeauftragten wurde in einer Datenschutzfortbildung erzählt, dass man bei Mischdezernaten "schizophren" sein muss. Das heißt, dass man die Informationen aus einer Abteilung bei der Bearbeitung einer anderen Abteilung ausblenden muss bzw. nicht verwenden darf.

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    Halte ich für die Tätigkeit als Rechtspfleger völlig undenkbar. Wenn ich positive Kenntnis über einen Vorgang aus einer anderen Abteilung habe, der die Tätigkeit der anderen Abteilung beeinflusst, dann werde ich mit Sicherheit meine Augen nicht davor schließen wollen, als mir meine Haftung doch recht lieb und teuer ist.

    Einfaches Beispiel: Der Rechtspfleger ist sowohl in der Betreuung, als auch im Nachlass an einem kleinen Amtsgericht tätig. In einem Betreuungsfall, in der der Sohn Betreuer der Mutter ist, hat der Rechtspfleger Kenntnis über einen weiteren Sohn der Betreuten durch persönliche Gespräche mit ihr. Die Betreute stirbt, der Sohn beantragt den Alleinerbschein ohne Angabe des zweiten Sohnes. Soll jetzt tatsächlich ein Datenschutzgesetz meine positive Kenntnis über den zweiten Sohn verhindern und dazu führen, einen Alleinerbschein auf den Antragsteller auszustellen?!
    Wohl eher nicht...

  • Ich weiß, dass das nicht meine Aufgabe, sondern die der Verwaltung ist. Habe dies aber mit der Verwaltung so abgesprochen.
    Zumal die Geschäftsstellen auch total genervt von der ständigen Aktenbeiziehung der einen Kollegin sind und wir den Sinn der Beifügung nicht nachvollziehen können. In begründeten Einzelfällen halte ich die Aktenbeiziehung für sinnvoll, aber nicht standardmäßig in jedem Nachlassverfahren.

    Böse Zungen könnten meinen, dass man sich damit vor den Karren der Verwaltung spannen lässt, damit sich der Zorn am Datenschutzbeauftragten abreagiert. In der Folge wäre es kein Wunder, wenn sich dann weitere Kollegen über den Datenschutzbeauftragten aufregen...

    Du hast Recht. Das mache ich auch nicht nochmal, aber die Kollegin ist gleichzeitig meine Vertreterin und wir haben ein gutes Verhältnis. Sie wird mir das sicher nicht für übel nehmen.

  • Kann dich verstehen. Werde die Problematik bei der nächsten Datenschutzfortbildung mal ansprechen. Meist kommt von den Dozenten bei Fragen zu solchen Spezialfällen aber auch nur ein Achselzucken.
    Das nervt mich total an meiner Arbeit als Datenschutzbeauftragten, dass es keine klare Linie und Lösung zu einigen Fällen gibt.

  • Noch viel prekärer wirds m.E. z.B. für einen Grundbuchrechtspfleger im Mischdezernat, in dem die Ausübung des grundbuchrechtlichen Legalitätsprinzips durch die Schizophrenie des eigenen Handelns bereits ohne datenschutzrechtliche Überlegungen immer wieder an seine Grenzen stößt.

  • Wenn man ewig im GB gearbeitet hat, dann in der Betreuung und dann im Nachlass hat man natürlich auch ohne Akte noch die Sachen im Kopf und kann im Termin mal spontan fragen was mit dem Grundstück geworden ist, welches ich 1996 auf den Erblasser eingetragen habe, fkt. ab und an auch gleich mit Flst. Nr..

    Ist nicht der Ernst, oder? Mal ganz ehrlich, es ist schon bei der Masse die zu bewältigen ist erforderlich, dass ich auf verfügbare Angaben sofort zurückgreifen - wenn notwendig keine Frage, nicht in jedem Verfahren pauschal - kann und nicht denen auch noch hinterher schreibe. Wenn das schriftlich so angewiesen würde, gäbe es mit Sicherheit nach geraumer Zeit viel Spaß mit der Masse an DAB.

  • Witzige Kiste, wenn man Nachlass, Grundbuch und Betreuung auch noch gleichzeitig macht.... Und die Beteiligten den Wert des Hauses, welches sich im Nachlass befindet, mit 100.000,- EUR angeben, man aber durch den kurz drauf beim Grundbuchamt eintrudelnden Kaufvertrag 200.000,- EUR liest. Muss ich mich echt anlügen lassen? :eek:

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • Witzige Kiste, wenn man Nachlass, Grundbuch und Betreuung auch noch gleichzeitig macht.... Und die Beteiligten den Wert des Hauses, welches sich im Nachlass befindet, mit 100.000,- EUR angeben, man aber durch den kurz drauf beim Grundbuchamt eintrudelnden Kaufvertrag 200.000,- EUR liest. Muss ich mich echt anlügen lassen? :eek:

    Fast schon OT:

    In Sachsen-Anhalt wird's ganz verrückt. Denn hier soll ein Erlass des MJ auf den Weg gebracht werden, wonach nicht einmal dann, wenn sich der Wert aus einer öffentlichen Urkunde oder der Mitteilung eines Notars ergibt, auf eine Wertfestsetzung verzichtet werden. Gehören zum Nachlass auch Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte oder Wohnungs- und Teileigentum, sind zugleich die Grundakten beizuziehen und vorzulegen, sofern sie bei dem Grundbuchamt am Sitz des Nachlassgerichts geführt werden. Die Beiziehung von Grundakten anderer Grundbuchämter kommt nur ausnahmsweise in Betracht.

    Was sagt der Datenschützer dazu?

    Hintergrund für den Erlass: Es soll oftmals unzureichende Wertermittlungen in Nachlasssachen gegeben haben. In einer Vielzahl von Fällen sei den von den Antragstellern gemachten Angaben zum Wert des Nachlasses ungeprüft Glauben geschenkt worden und eine konkrete Wertermittlung unterblieben. Naja, wozu auch, wenn es sogar gesetzlich vorgesehen ist, auf eine Wertfestsetzung zu verzichten....


  • In Sachsen-Anhalt wird's ganz verrückt. Denn hier soll ein Erlass des MJ auf den Weg gebracht werden, wonach nicht einmal dann, wenn sich der Wert aus einer öffentlichen Urkunde oder der Mitteilung eines Notars ergibt, auf eine Wertfestsetzung verzichtet werden. Gehören zum Nachlass auch Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte oder Wohnungs- und Teileigentum, sind zugleich die Grundakten beizuziehen und vorzulegen, sofern sie bei dem Grundbuchamt am Sitz des Nachlassgerichts geführt werden. Die Beiziehung von Grundakten anderer Grundbuchämter kommt nur ausnahmsweise in Betracht.

    Was sagt der Datenschützer dazu?

    Keine Ahnung was der Datenschützer sagt. Die Wertfestsetzung wird aber doch durch das Gericht vorgenommen, nicht durch den Kostenbeamten. Ich meine da kann das Ministerium Erlassen was es will, es steht immer noch die richterliche Unabhängigkeit bzw. 9 RpflG im Wege.

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