Datenschutz Verkettung von Verfahren

  • Der Landes/Bundesdatenschutzbeauftragte wird sich nicht direkt an dich wenden. Wenn es aber um genau deinen Einzelfall geht, ist es möglich, dass du zu diesem Stellung nehmen musst - selbstverständlich zunächst über deine Behördenleitung. Dabei wäre es m. E. klug, sich dahingehend einzulassen, dass einem persönlich der Datenschutz grundsätzlich wichtig ist.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Datenschutzbeauftragte - wie alle Bereiche der Verwaltung - haben eine gewisse Tendenz, ihre Daseinsberechtigung ständig neu unter Beweis stellen zu müssen. Dazu gehört, dass permanent geprüft wird, ob es irgendwo Prozesse, Vorgänge, Abläufe oder Verfahrensweisen gibt, die einer datenschutzrechtlichen Prüfung und/oder einer Kontrolle/Freigabe durch den Datenschutzbeauftragten bedürfen. Und wenn man mit allem durch ist, fängt man vorne wieder an.

    Da der Datenschutz kein Selbstzweck ist, sondern der Durchsetzung des verfassungsmäßig garantierten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (was ist das? frag' mal auf Facebook, da kann Dir sicher jemand weiterhelfen :teufel:) dient, hat er aber Grenzen - nämlich in den grundrechtsimmanenten Schranken und in anderen, konkurrierenden Grundrechten. Art. 14 GG vermittelt zum Beispiel nicht nur Erben Rechte (zB darauf zu erfahren, dass man Erbe bestimmter Gegenstände geworden ist), sondern auch zB Gläubigern.

    Wohin das führen kann, hat die hiesige Kammer einmal erlebt, als die Teilungserklärung einer Wohnanlage mit vielen, vielen Einheiten geändert wurde. Es kam eine Beschwerde des Landesdatenschutzbeauftragten, weil nach Rechtswirksamkeit der Urkunde allen Beteiligten eine beglaubigte Abschrift zugeschickt wurde - einschließlich des Rubrums, in dem alle Eigentümer mit Name, Geburtsdatum und Anschrift aufgeführt waren. Anders als der Datenschutzbeauftragte war die Notarkammer der Ansicht, dass sich aus § 51 Abs. 1 BeurkG ein Anspruch auf Erteilung einer vollständigen Abschrift ergibt. Zum Landgericht hat der Landesdatenschutzbeauftragte es dann nicht mehr getrieben.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Okay, ich versuch es noch einmal anders, auch wenn mich Patweazle's zitierte Rechtsprechung so gar nicht überzeugt, als es dort nicht um Vorgänge innerhalb eines (Amts-)Gerichts ging.

    In der Sozialgerichtsbarkeit ist, nebenbei bemerkt, tatsächlich hier zu beobachten, dass zwischen den einzelnen Kammern bzw. Senaten die rigorose Trennung zur Bearbeitung von personenbezogenen Daten vorgenommen wird. Das fängt schon damit an, dass die Kammer auf Anfrage lediglich anonymisierte Entscheidungen einer anderen Kammer zur Verfügung gestellt bekommt, niemals aber den Vorgang mit Akte.


    Zur Sache selbst:
    Das Nachlassgericht hat allein zur Ermittlung des Nachlasswertes wohl kein Anspruch auf Akteneinsicht in die Grundakten, vgl. § 36 GNotKG (Ermessensausübung, keine Ermittlungspflicht).
    Soweit das Nachlassgericht z.B. Sicherungsmaßnahmen aus § 1960 BGB prüft bzw. die Erbfolge ermittelt oder eine sonstige nachlassrechtliche Verfügung erlässt, handelt es gemäß § 26 FamFG. Umgekehrt ergibt sich bereits aus §§ 82, 82a GBO die Notwendigkeit zum Austausch personenbezogener Daten, sodass in allen genannten Fällen wohl §§ 4, 15 BDSG die Akteneinsicht gewährleistet, "als sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle oder des Dritten, an den die Daten übermittelt werden, liegenden Aufgaben erforderlich ist."

  • Okay, ich versuch es noch einmal anders, auch wenn mich Patweazle's zitierte Rechtsprechung so gar nicht überzeugt, als es dort nicht um Vorgänge innerhalb eines (Amts-)Gerichts ging.

    Zur Ergänzung vielleicht noch der Hinweis, dass es Betreuungsgerichte gibt, die aufgrund der entsprechenden Rechtsprechung z.B. ihre Akten nicht an das Grundbuchamt, das sich im gleichen Hause befindet, übersenden. Einzelne Aktenbestandteile, die für die Bearbeitung durch das GBA wichtig sind, werden jedoch übersandt.
    Argumentation: Wenn das Grundbuchamt eine Erklärung des Betreuers zur Eintragung prüft, muss es nicht wissen, ob der Betroffene geschäftsunfähig ist oder aufgrund welcher Erkrankung die Betreuung eingerichtet wurde. Weder die Einrichtung der Betreuung selbst, noch die Erteilung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung sind durch dieses zu hinterfragen. Das Bestehen der Betreuung und die Wirksamkeit der Genehmigung sind anderweitig nachzuweisen.

    Das ist natürlich ein anderer Fall als der von dir benannte Nachlassfall. Vielleicht sind dadurch unsere Perspektiven auch so unterschiedlich...

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Argumentation: Wenn das Grundbuchamt eine Erklärung des Betreuers zur Eintragung prüft, muss es nicht wissen, ob der Betroffene geschäftsunfähig ist oder aufgrund welcher Erkrankung die Betreuung eingerichtet wurde.


    Dass heißt also in kurzen Worten: an diesen Gerichten führt das Betreuungsgericht eine Vorprüfung über das Grundbuchverfahren durch, um zu entscheiden, was das Grundbuchamt zu prüfen hat? Gewährt dafür denn das Grundbuchamt wechselseitig Akteneinsicht? Und wer ist dafür am Betreuungsgericht zuständig? Richter, Rechtspfleger oder Geschäftsstelle oder die Gruppenleitung?


  • Zur Sache selbst:
    Das Nachlassgericht hat allein zur Ermittlung des Nachlasswertes wohl kein Anspruch auf Akteneinsicht in die Grundakten, vgl. § 36 GNotKG (Ermessensausübung, keine Ermittlungspflicht).

    Sehe ich anders. Die Wertfestsetzung im Rahmen des § 79 Abs. 1 S.1 GnotKG gibt vor, dass ein Wert festzusetzen ist. Die Ermittlungen sind nach Maßgabe von § 26 FamFG von Amts wegen zu tätigen.

  • Argumentation: Wenn das Grundbuchamt eine Erklärung des Betreuers zur Eintragung prüft, muss es nicht wissen, ob der Betroffene geschäftsunfähig ist oder aufgrund welcher Erkrankung die Betreuung eingerichtet wurde.


    Dass heißt also in kurzen Worten: an diesen Gerichten führt das Betreuungsgericht eine Vorprüfung über das Grundbuchverfahren durch, um zu entscheiden, was das Grundbuchamt zu prüfen hat? Gewährt dafür denn das Grundbuchamt wechselseitig Akteneinsicht? Und wer ist dafür am Betreuungsgericht zuständig? Richter, Rechtspfleger oder Geschäftsstelle oder die Gruppenleitung?

    Eine recht polemische Fragestellung ;)

    Aber wenn dem Grundbuchamt eine (meinetwegen) Löschungsbewilligung, abgegeben vom Betreuer nebst rechtskräftiger Genehmigung und Nachweis der Gebrauchmachung (sofern für erforderlich gehalten) vorliegt - was sollen die Informationen über den Betroffenen dann für die Bearbeitung dieser Löschungsbewilligung bringen?

    Leicht polemisch mit einer Gegenfrage geantwortet: Oder will das Grundbuchamt dann bei einem Kauf durch den Betroffenen auch ein Vermögensverzeichnis aus der Betreuungsakte einsehen, um zu wissen, ob er den Kaufpreis überhaupt bezahlten konnte?

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

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  • Ich glaube ehrlich gesagt ja auch, die meisten Kollegen sind weder so neugierig noch haben sie so viel Zeit, dass sie als Einschlafhilfe auf das Studium von Vermögensverzeichnissen oder Löschungsbewilligungen zurückgreifen mögen. Die wirklich interessanten Sachen werden von den wandelnden schwarzen Brettern ohnehin anders in den Flurfunk eingespeist.

  • Ich glaube ehrlich gesagt ja auch, die meisten Kollegen sind weder so neugierig noch haben sie so viel Zeit, dass sie als Einschlafhilfe auf das Studium von Vermögensverzeichnissen oder Löschungsbewilligungen zurückgreifen mögen.

    Och, ich hab's schonmal erlebt, dass das GBA die Bekanntmachung der Genehmigungsentscheidung überprüft hat und die Wirksamkeit der Anordnung der Betreuung... damals wurden noch regelmäßig die Verfahrensakten angefordert und übersandt. Vielleicht hatte da wirklich jemand Langeweile ;)

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

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  • Vielleicht hatte da wirklich jemand Langeweile ;)


    Der große Nachteil der Aktenanforderung ist doch der, dass man den öffentlichen Glauben an Urkunden durch Akteneinsicht auch erschüttern kann. Als ich noch auf Grundakten saß, fand ich es auch nicht immer prickelnd, wenn man mir meinen Guten Glauben raubte, indem man mich die wahre materielle Rechtslagesehen ließ.

    Im übrigen gilt auch für Datenschutz natürlich: Die Dosis macht das Gift. Ob man an solchen Ausreißern die permanente Arbeitsweise ausrichtet, hängt vielleicht auch von der Personalausstattung ab.

  • Übertreiben wir es nicht hin und wieder mit dem Datenschutz?


    Man kann es mit dem Datenschutz nicht übertreiben...

    Ich hoffe, dass ist Ironie!

    Nein. Und deine Reaktion darauf erschüttert mich ehrlich gesagt ein wenig...


    @Buridans Esel: Da stimme ich dir zu. Natürlich arbeitet jeder anders und wir haben außerdem noch einen Eid geschworen, eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet und und und... das sind wichtige Faktoren, die uns einen höheren Vertrauensvorschuss geben sollten - auch und gerade im Umgang mit sensiblen Daten.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Die Aussage, man könne es mit etwas nicht übertreiben ist in ihrer Absolutheit natürlich Quatsch.
    Man stelle sich z. B. vor, das Betreuungsgericht hätte Kenntnis über die ernstzunehmende Gefahr, die von einem gewaltbereiten Bürger ausgeht und würde diese Information trotz Aktenanforderung verheimlichen und dann kommt der Heini, um seine Zwangssicherungshypotheken löschen zu lassen und rastet mal so richtig aus...

    p.s.: Letztlich kommt man m. E. nicht umhin, dass zu einer verfassungskonformen Ausgestaltung sachlicher Unabhängigkeit zwingend gehört, dass der jeweilige Entscheider für seinen eigenen Kompetenzbereich eigenverantwortlich entscheiden muss, welche Daten erheblich sind. Datenschutzbeauftragte verfügen deswegen insoweit über gar keine Entscheidungskompetenz. Das haben die beteiligten Stellen untereinander zu klären und der Bürger kann gegebenenfalls den Rechtsweg beschreiten.

    Einmal editiert, zuletzt von Buridans Esel (13. Dezember 2016 um 08:53)

  • Die Aussage, man könne es mit etwas nicht übertreiben ist in ihrer Absolutheit natürlich Quatsch.
    Man stelle sich z. B. vor, das Betreuungsgericht hätte Kenntnis über die ernstzunehmende Gefahr, die von einem gewaltbereiten Bürger ausgeht und würde diese Information trotz Aktenanforderung verheimlichen und dann kommt der Heini, um seine Zwangssicherungshypotheken löschen zu lassen und rastet mal so richtig aus...

    Stichwort: Reichsbürger.

  • Wegen Art. 20 Abs. 3 GG meine ich schon, dass man es mit der Anwendung von Gesetzen nicht übertreiben kann. Diese stehen nämlich nicht unter dem Vorbehalt, dass der Anwender diese im konkreten Sachverhalt für angemessen hält.

    Bei konkreten Gefahren besteht ja auch unter Anwendung der Datenschutzgesetze eine Mitteilungsbefugnis.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Ausgehend von der ursprünglichen Frage besteht denke ich Einigkeit dahingehend, dass nicht einfach so Akten verschiedener Abteilungen hin- und hergeschoben werden können, sondern immer einen konkreten Anlass dazu bedingen. Ich denke aber nicht, dass datenschutzrechtliche Bedenken allein wegen rechtspflegerischem Handelns zur Abforderung von Akten stehen können, als im Zweifel der Kollege sein Handeln zur Abforderung einer Akte auf Nachfrage begründen kann. So habe ich erfahrungsgemäß als Nachlassgericht - ohne groß über Datenschutz nachzudenken, sondern bereits schon anlassbezogen - immer nachgefragt, wenn z.B. die Inso-Abteilung im Hause auf einmal die Nachlassakte haben wollte oder warum das Betreuungsgericht gerade in diese Akte Einsicht nehmen möchte. Dies geschah zumeist auf kurzem Dienstweg per Telefon, Aktenvermerk und ab die Akte zur anfordernden Stelle.

  • Wegen Art. 20 Abs. 3 GG meine ich schon, dass man es mit der Anwendung von Gesetzen nicht übertreiben kann.


    Tom hat dazu eigentlich alles nötige gesagt. Wenn es beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu Grundrechtskollisionen kommt, dann ist es Aufgabe der jeweiligen Gerichte, sich um eine verfassungsgemäße Auslegung bemühen. Art. 97 GG und § 9 RPflG sind ja auch nicht irgendwelche Gesetze.

  • Wegen Art. 20 Abs. 3 GG meine ich schon, dass man es mit der Anwendung von Gesetzen nicht übertreiben kann.


    Tom hat dazu eigentlich alles nötige gesagt. Wenn es beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu Grundrechtskollisionen kommt, dann ist es Aufgabe der jeweiligen Gerichte, sich um eine verfassungsgemäße Auslegung bemühen. Art. 97 GG und § 9 RPflG sind ja auch nicht irgendwelche Gesetze.

    Weder in Art. 97 GG noch in § 9 RPflG ist eine Mitteilung von persönlichen Daten geregelt. Insofern können diese offensichtlich wohl kaum das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einschränken. Davon ab ist in § 1 BDSG ja wohl eindeutig geregelt, dass der Datenschutz auch von Richtern (und Rechtspflegern) zu wahren ist. Daneben wäre aber auch schon zu fragen, ob die Gewährung der Akteneinsicht bzw. die Auskunftserteilung an Behorden/Gerichte überhaupt von Art. 97 GG bzw. § 9 RPflG erfasst ist oder ob es sich hier nicht vielmehr um den Bereich Justizverwaltung handelt - aber das ist im Ergebnis ja auch egal.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Daneben wäre aber auch schon zu fragen, ob die Gewährung der Akteneinsicht bzw. die Auskunftserteilung an Behorden/Gerichte überhaupt von Art. 97 GG bzw. § 9 RPflG erfasst ist oder ob es sich hier nicht vielmehr um den Bereich Justizverwaltung handelt - aber das ist im Ergebnis ja auch egal.


    Siehe insoweit auch #25.
    Gretchenfrage: Wenn die Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch eine Verwaltungssache ist, macht dies dann auch eine gerichtliche verfahrensleitende Maßnahme zur Verwaltungssache?

  • Man sollte schon differenzieren zwischen der die Auskunft erteilenden und der anfragenden Stelle. Für die auskunftserteilende Stelle handelt es sich um eine Angelegenheit der Justizverwaltung. Und nur die auskunftserteilende Stelle ist verantwortlich im Sinne des Datenschutzes und muss sich mit eben diesen beschäftigen.

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