Aufhebung der Eigenverwaltung nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO

  • Mir liegt ein Antrag eines Insolvenzgläubigers auf Aufhebung derEigenverwaltung nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor, nachdem zuvor der Sachwaltereine Nachteilsanzeige nach § 274 Abs. 3 InsO abgegeben hat und anschließend in einerGläubigerversammlung eindeutige Kopf- und Summenmehrheiten keinen Antrag aufAufhebung der Eigenverwaltung nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO gestellt haben. DerAntrag und die Anzeige wurden vor allem damit begründet, dass vonSchuldnerseite kaum Informationen insbes. über die wirtschaftlichen Entwicklungkommen (mit zahlreichen Beispielen) und dass die Bestandsaufträge ohne rechtliche und wirtschaftlichePrüfung mit konkludenter Erfüllungswahl ausproduziert werden. DieSchuldnerseite bestreitet diese Argumente und die Voraussetzungen für dieseAufhebung auf vielen Seiten nur pauschal.
    Ich frage mich z. B. wie soll bei fehlender Information, die für mich eindeutig vorliegt, eine Gläubigerbenachteiligung, von der ich nicht weiß, ob sie vorliegt, glaubhaft gemacht werden. :confused:

    Hatte schon einmal eine Kollegin/ ein Kollege einen ähnlichen Fall und kann über die entscheidungserheblichenArgumente berichten ?

  • Mir liegt ein Antrag eines Insolvenzgläubigers auf Aufhebung derEigenverwaltung nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor, nachdem zuvor der Sachwaltereine Nachteilsanzeige nach § 274 Abs. 3 InsO abgegeben hat und anschließend in einerGläubigerversammlung eindeutige Kopf- und Summenmehrheiten keinen Antrag aufAufhebung der Eigenverwaltung nach § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO gestellt haben. DerAntrag und die Anzeige wurden vor allem damit begründet, dass vonSchuldnerseite kaum Informationen insbes. über die wirtschaftlichen Entwicklungkommen (mit zahlreichen Beispielen) und dass die Bestandsaufträge ohne rechtliche und wirtschaftlichePrüfung mit konkludenter Erfüllungswahl ausproduziert werden. DieSchuldnerseite bestreitet diese Argumente und die Voraussetzungen für dieseAufhebung auf vielen Seiten nur pauschal.
    Ich frage mich z. B. wie soll bei fehlender Information, die für mich eindeutig vorliegt, eine Gläubigerbenachteiligung, von der ich nicht weiß, ob sie vorliegt, glaubhaft gemacht werden. :confused:

    Hatte schon einmal eine Kollegin/ ein Kollege einen ähnlichen Fall und kann über die entscheidungserheblichenArgumente berichten ?


    oh je oh je;
    hatten wir noch nicht !
    Ich unterstelle mal, dass in der GLV diese einen Beschluss dahingehend gefasst hat, einen Antrag auf Aufhebung nicht zu stellen.
    Da wir uns im eröffneten Verfahren befinden, dürfte eine Aufhebung v.Amts grds. wegen nicht in Betracht kommen.

    Unklar ist Deine Äußerung "Ich frage mich z. B. wie soll bei fehlender Information, die für mich eindeutig vorliegt, eine Gläubigerbenachteiligung, von der ich nicht weiß, ob sie vorliegt, glaubhaft gemacht werden":
    Ergo gehst Du von fehlender Information durch den Schuldner aus, andererseits soll eine Gläubigerbenachteiligung für Dich zweifelhaft sein und daher der Glaubhaftmachung mangeln. Sorry, da ist der Rede Sinn nun nicht klar !.
    Ich glaub aber zu verstehen, was Du meinst.
    Aber der Reihe nach:
    Antrag nach 272 I 1 Nr. 2
    - 270 II Nr. 2 weggefallen
    - erheblicher Nachteil durch den antragstellenden Gläubiger

    damit beginnt schon das Normverständis:
    also neben einfachen Nachteilen für die Gläubigergemeinschaft müssen noch erhebliche Nachteile für den antragenden Gläubiger drohen.
    Dies müsse auch noch - wie Du zutreffend hervorhebst - glaubhaft gemacht werden.
    Und jetzt geht der Zirkus los:
    können Gründe, die bereits Gegenstand der GLV waren, noch eingeführt werden, oder müssen neue Gründe zur allgemeinen Nachteilhaftigkeit hinzutreten ? reicht es aus, wenn unabhängig davon Gründe des antragenden Gläubigers zu einer erheblichen Beeinträchtigung vorliegen ?
    Ein weites Feld !
    Ich mag das nun nicht dogmatisch ausfalten, dies wäre zwar ganz interessant, nimmt aber nicht aus der Linie einen Antrag zu bescheiden und auch im Rahmen gerichtlicher Aufsicht - die immho hier gegenüber dem eigenverwaltenden Schuldner besteht - heraus.

    Was würde ich tun (ohne zu wissen, was "richtig" ist, aber in der Gewissheit zumindest nix falsches zu machen):
    Termin bestimmen zur Erörterung und Verhandlung des Antrags des Gläubigers x auf Aufhebung der Eigenverwaltung (ist halt glücklicherweise ZPO !)
    Zu laden sind der Schuldner, der Sachwalter und der antragende Gläubiger. Soweit Du noch Glaubhaftmachung etc. und weiteren Vortrag für erforderlich hältst, fordere dies gleich im Terminsbestimmungsbeschluss. Auch auf Glaubhaftmachung und präsente Beweismittel hinweisen.
    Den Termin würde ich kurzfristig ansetzen.
    Wenn es an der Glaubhaftmachung für den Antrag mangeln sollte, mag der Schuldner dies rügen, und es wird halt dann weitergesehen.
    Oki, ich könne bei meinem Gericht auch noch auf unsere ZPO-erfahrenen Richter, die auch noch InsO machen, zurückgreifen, da weis ich nicht, wie es bei Deinem Gericht so läuft, aber sonst halt ohne entsprechende Unterstüzung.
    Noch Tip am Rande: lass die Rechtsbehelfsbelehrung bei der Terminsbestimmung bloß weg; ist Blödsinn !

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Unklar ist Deine Äußerung "Ich frage mich z. B. wie soll bei fehlender Information, die für mich eindeutig vorliegt, eine Gläubigerbenachteiligung, von der ich nicht weiß, ob sie vorliegt, glaubhaft gemacht werden":
    Ergo gehst Du von fehlender Information durch den Schuldner aus, andererseits soll eine Gläubigerbenachteiligung für Dich zweifelhaft sein und daher der Glaubhaftmachung mangeln. Sorry, da ist der Rede Sinn nun nicht klar !


    Danke zuerst einmal für die einzige Rückmeldung. Da dies die einzige war, vermute ich mal, dass es Anträge nach den genannten §§ in der allgemeinen Praxis wohl nicht gibt.

    Dann versuche ich die aus meiner Sicht wichtigste Frage verständlich zu machen: In diesem Fall ist meines Erachtens vom Gl. X glaubhaft gemacht, dass der Schu. wesentliche Infos nicht gibt. Ebenso eindeutig ist für mich, dass der Schu. sich weigert, diese Infos zu geben, auch wenn er dies nicht offen zugibt. Schon vor dem Gl.-Antrag gab es seit einigen Monaten Schriftverkehr zu diesem Thema zwischen Sachwalter und Schu.
    Ich frage mich aber, ob dies reicht. Schließlich steht im Gesetz etwas von Nachteilen. Ist fehlende Information an sich schon ein wesentlicher Nachteil ? Die Tatsache, dass die Gl.-Gesamtheit und somit auch der einzelne Gl. bei Fortsetzung der Eigenverwaltung finanzielle Nachteile erleiden, ist auf Grund fehlender Infos gerade nicht glaubhaft gemacht. Hier gibt sogar der antragstellende Gl. halbwegs offen zu, dass er nicht weiß, ob er finanziell benachteiligt wird. Er sieht die fehlende Information an sich aber schon als wesentlichen Nachteil.

  • Oki, der Umgang mit einem Antrag nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO dürfte wohl stets eine "heikle Angelegenheit" sein.
    Ich mag jetzt einmal zusasmmenfassen:

    1. es liegt eine Nachteilsanzeige des Sachwalters vor

    2. die Nachteilsanzeige des Sachwalters über mangelnde Information insbs. zur Erfüllungswahl begründet

    3. die GLV hat auch in Ansehung der Nachteilsanzeige keinen Antrag auf Aufhebung mit erforderlicher Mehrheit
    beschlossen

    4. der Einzelgläubiger stützt seinen Antrag im wesentlichen darauf, das "er" nicht informiert wird und bezieht sich
    offenbar auf die Nachteilsanzeige
    (mir ist klar, dass ich das nur holzschnittartig aus dem mitgeteilten Sachverhalt darstellen kann; auch ist mir klar, dass eine explizite Darstellung des Sachverhalts - bereits aus Gründen des laufenden Eigenverwaltungsverfahrens - hier verbietet)

    Prüfungsl-Einstieg:

    a) Sachwalter kommt mit einer Nachteilsanzeige um's Eck:
    - Gericht wird -wie hier offenbar geschehen eine GLV zu 272 Abs. 1 Nr. 1 einberüfen
    - Ergebnis: kein Antrag auf Aufhebung durch die GLV
    - Zwischenergebnis: vox popoli vox rindvieh
    - Prüfung, ob von Amts wegen aufzugeben ist (gaaanz großer AUSNAHMETATBESTAND: nicht gegeben ? wohl nicht
    so drastisch der Fall....)
    - bleibt beim ZWERG


    b) (Einzel-)Gläubigerantrag gem. § 272 Abs. 1 Nr. 2 und Voraussetzungen

    - schlüssige Darlegung des Wegfalls der Voraussetzungen des § 270 Abs. 2 Nr. 2 = Bekanntwerden von Umständen,
    die zu Nachteilen für die Gläubiger (genauer: für die Gläubigermeinschaft) führen werden

    - schlüssige Darlegung eines erheblichen Nachteils des antragenden Gläubigers

    - Glaubhaftmachung der beiden sub b) gegebenen Anstriche

    Analyse und Bewertung:

    1) ob die Bezugnahme des antragenden Gläubigers auf die Nachteilsanzeige für die erste Voraussetzung (allgemeine
    Gläubigernachteile) ausreichend ist, ist Rechtsfrage (Darlegung und Glaubhaftmachung sehe ich als ausreichend an)

    2) ob der erhebliche Nachteil des antragenden Gläubigers schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht ist, könnte
    zweifelhaft sein.

    Nun geht dies so etwas "ineinander": ab wann ist denn ein an sich gegebener allgemeiner Nachteil für die Gläubigermeinschaft für den einzelnen Gläubiger "erheblich".
    Der Gesetzgeber wollte mit der Änderung des § 272 InsO das Einzelgläubiger-Störfeuer gegen die - von der Gläübigermeinschaft gewollte - Eingeverwaltung loslassen, und dies aus Bagattellgründen, verhindern.

    Hierbei ist jedoch zu gewärtigen, dass der einzelne Gläubiger wohl kaum in der Lage ist, konkret ! einen erheblichen Nachteil darzulegen; er kann - und dies ist ihm zumindest abzufordern - dies abtrakt zu tun (hierauf komme ich noch zurück)

    Ginge es dem antrgenden Gläubiger "nur" darum, dass er meint, nicht ausreichend über den Fortgang des Verfahrens und der wirtschaftlichen Entwicklung informiert zu sein, so gilt auch für den eigenverwaltenden Schuldner nichts anderes als für den Insolvenverwalter: keine Verpflichtung zu Einzelauskünften; die Auskunftspflicht besteht gegenüber der GLV und dem Gericht.

    Geht es aber darum, dass der antragende Gläubiger sich Eintrittserklärungen oder Nichteintrittserklärungen nach § 103 ausgesetzt sieht, ist dies im Kontext mit § 279 InsO zu sehen. Sofern mit Anordnung der Eigenverwaltung mit Eröffnung keine besonderen Zustimmungserfordernisse durch den Sachwalter angeordent wurden (was ich mal unterstelle), wäre das Begehren des Gläubigers nicht einfach von der Hand zu weisen, wobei die Frage der schlüssigen Darlegung und Glaubhaftmachung des "erheblichen" Nachteils bleibt. Hier ließe sich auch mal über die Grundsätze sekundärer Darlegungslast des eigenverwaltenden Schuldners nachdenken !

    Geht es nur um "der Gläubiger ist angepisst", Antrag abbügeln;
    ist da aber womöglich mehr im Argen, würde ich bei der von mir angedachten "Terminslösung" bleiben (wofür nach neuerlichem Sachverhaltsstudium mehr spricht).


    greez Def

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  • Den Sachverhalt wollte und will ich nicht ganz ausführlich darstellen. DEF, Du hast in Deiner letzten Meldung den Sachverhalt weitgehend richtig dargestellt. Ich merke aber, dass ich folgende wesentliche Punkte ergänzen sollte:

    Beim antragstellenden Gl. X handelt es sich um zwei "staatliche" Gl.. Sie behaupten nicht einmal, dass sie gesondert benachteiligt sind, sondern berufen sich nur darauf, dass die Gläubigergesamtheit und somit auch sie durch die Eigenverwaltung benachteiligt sind. Diese Nachteile sehen sie in den beiden Punkten, die ich bereits ganz am Anfang geschildert habe (dass von Schuldnerseite kaum Informationen insbes. über die wirtschaftlichen Entwicklung kommen (mit zahlreichen Beispielen) und dass die Bestandsaufträge ohne rechtliche und wirtschaftliche Prüfung mit konkludenter Erfüllungswahl ausproduziert werden.). Zuvor hatte auch ich als Insolvenzgericht und der Sachwalter beim Schuldner monatelang vergeblich auf mehr Infos über die wirtschaftliche Entwicklung des schuldnerischen Unternehmens gedrängt.


    Nach Durchsicht Deiner ausführlichen Argumentation, für die ich Dir vielmals danke, komme ich zu dem Ergebnis, dass ich nur eine neue Gl.-vers. bestimme. Wenn dort der Schuldner mit seinem Wunsch nach Fortsetzung der Eigenverwaltung wieder eindeutige Kopf- und Summenmehrheiten von den Gl. erhält, beabsichtige ich den Antrag dieser beiden Gl. zurückzuweisen.

  • Soweit Du schreibst:
    "Nach Durchsicht Deiner ausführlichen Argumentation, für die ich Dir vielmals danke, komme ich zu dem Ergebnis, dass ich nur eine neue Gl.-vers. bestimme. Wenn dort der Schuldner mit seinem Wunsch nach Fortsetzung der Eigenverwaltung wieder eindeutige Kopf- und Summenmehrheiten von den Gl. erhält, beabsichtige ich den Antrag dieser beiden Gl. zurückzuweisen."

    halte ich diesen Ansatz für äußerst bedenklich (sorry).
    Aber der Reihe nach:

    zunächt einmal geht es nicht an, § 272 Abs. 1 Nr. 1 mit Nr. 2 InsO zusammenzuwerfen (dies macht es - mal jenseits von rechtlichen Bedenken - nicht wirklich "bequemer", sondern eher schwieriger).

    Einberufung der GLV -> §§ 74,75

    - Antrag des Sachwalters (fraglich, ob dies geht; da wäre jedoch zumindest als Anregung auf amtswegige Einberfung
    zu prüfen; vorliegend aber nicht fallgegenständlich, da kein Antrag vorliegt
    - amtswegige Einberufung wg. Nachteilsanzeige: grds. zu befürworten, hier jedoch bereits durch GLV abgegessen;
    dies erneut vorzuholen, wg. Einzelgläubiger: m.E. fast willkürlich, da hier § 272 Abs. 1 Nr. 2 speziell ist
    - auf Gläubigerantrag (und sei er im Antrag nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 konkludent einmal unterstellt: Quorum erreicht ?
    wenn nein, => keine GLV; wäre das Quorum erreicht, wäre zu hinterfragen, ob es was "neues" gibt, wenn nein, wäre
    das Rechtschutzbedürfnis zu verneinen

    Worauf ich i.Ü rauswill: wg. abgegessenem Kram ließen sich natürlich jede Woche GLV's durchführen, dies wäre rechtlich jedoch kaum begründbar.
    I.Ü. wären die Voraussetzungen des § 272 Abs.1 Nr. 2 komplett umgangen....

    greez Def

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