Insolvenz, Aufrechnung und Masseunzulänglichkeit

  • Hallo ihr Lieben,

    mit dieser Akte hier befinde ich mich mittlerweile gefühlt jenseits von gut und böse.

    Kläger ist Insolvenzverwalter und muss durch Urteil des Oberlandesgerichtes die Kosten des Rechtsstreits tragen.

    Gegen den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagtenseite wendet der KV die Aufrechnung aufgrund titulierter Ansprüche ein. Diese titulierten Ansprüche sind durch Vollstreckungsbescheid und zur Tabelle festgestellt. Ob es sich um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handle, war streitig und wurde im Rahmen einer Feststellungsklage geklärt, der KV ist dabei unterlegen und die Klage wurde abgewiesen.

    Der KV führt vorsorglich an, eine Aufrechnung sei während der Wohlverhaltensperiode möglich (Offenbar lief gegen den Beklagten auch bereits ein Insolvenzverfahren).

    Schon 2007 hat der KV selbst Masseunzulänglichkeit angezeigt.

    Meine Vorgängerin hat darauf hingewiesen, dass auch der Neumassegläubiger kein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass eines KFB habe. Der BV wendet daraufhin ein, dass dies nur gelte, wenn die Neumasseverbindlichkeit nicht aus der Masse befriedigt werden könne. Weiterhin sei eine Aufrechnung ausgeschlossen, da die Kostenerstattungsforderung, gegen die aufzurechnen wäre, der Höhe nach nicht feststeht. Dies sei aber auch irrelevant, da die Beklagtenseite sowieso mittlerweile Restschuldbefreiung erhalten habe, woraufhin die Forderung der Klägerseite untergegangen sei.

    Der KV wendet natürlich ein, dass Aufrechnung sehr wohl möglich sei, und außerdem höchst hilfsweise sowieso Masseunzulänglichkeit angezeigt wurde.

    Ich habe mich durch die entsprechenden BGH-Zitate und Rechtsprechung gewühlt und bin zu dem Schluss gekommen, dass grundsätzlich, nur grundsätzlich, eine Aufrechnung gegen den Kostenfestsetzungsanspruch möglich wäre und habe den BV aufgefordert, auch materiell-rechtlich Stellung zu der Aufrechnung zu nehmen und nicht nur zu sagen "Aufrechnung geht überhaupt gar nie". Den KV habe ich aufgefordert, die Masseunzulänglichkeit glaubhaft zu machen, dann wäre die Sache (mE) nämlich klar und wir müssten nicht mehr über die sehr umstrittene Aufrechnung streiten.

    Der KV weigert sich standhaft und mehrfach, die Masseunzulänglichkeit glaubhaft zu machen mit der Begründung, es sei über die Aufrechnung zu entscheiden und die Aufrechnungslage sowieso schon vor Wohlverhaltensperiode und Restschuldbefreiung eingetreten.

    Der BV führt an, die Forderung sei nur aus verfahrensökonomischen Gründen zur Tabelle genommen worden und Aufrechnung unmöglich, da der KV genau wegen dieser Forderung bereits im Rechtsstreit unterlegen sei.


    Lange Rede, kurzer Sinn: Beide Seiten sind sich völlig uneins und werfen sich gegenseitig (und mir) massig Rechtsprechung, Literatur und Zitate sowie 10-seitige Stellungnahmen an den Kopf. Ich bin leider nicht so firm im Insolvenzrecht als dass ich behaupten könnte, hier den absoluten Durchblick zu haben.


    Hat jemand eine Idee, wie hier grundsätzlich zu verfahren wäre?
    Einfach über die Aufrechnung entscheiden, Rechtsmittel kommt so oder so und dann das OLG entscheiden lassen?


    Vielen Dank schon im Voraus!

  • M. E. mußt Du diesen materiell-rechtlichen Streit nicht entscheiden. Eine Aufrechnung ist nur dann im KfV zu berücksichtigen, "wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können" (vgl. BGH, Beschl. v. 14.05.2014 - XII ZB 539/11 -, Rpfleger 2014, 558). Ein solcher Fall liegt bei Dir scheinbar nicht vor.

    In dem hiesigen Fall (Neumassegläubiger und Anzeige der Masseunzulänglichkeit) hat der BGH (Beschl. v. 09.10.2008 - IX ZB 129/07 -, Rpfleger 2009, 107) zudem entschieden, daß ein Rechtsschutzbedürfnis für einen KfB nicht gegeben ist, wenn der InsO-Verwalter im KfV glaubhaft macht, daß er die Kosten aus der Masse nicht bezahlen kann (vgl. Rn. 6). Dieser Rspr. des BGH ist z. B. das OLG Saarbrücken (Beschl. v. 05.01.2010 - 9 W 363/09) später dann ebenso gefolgt.

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  • Vielen Dank für die schnelle Antwort!

    Der Insolvenzverwalter hat 2007 Masseunzulänglichkeit angezeigt, weigert sich aber, in irgendeiner Weise glaubhaft zu machen, dass er aus der Masse (noch immer) nicht bezahlen kann, da ja zunächst über die Aufrechnung zu entscheiden wäre.

    Theoretisch würde ich also die Aufrechnung nicht prüfen und zum KfV (da streiten sie sich auch...) übergehen, insofern der Insolvenzverwalter noch immer nichts glaubhaft macht?

  • Der Insolvenzverwalter hat 2007 Masseunzulänglichkeit angezeigt, weigert sich aber, in irgendeiner Weise glaubhaft zu machen, dass er aus der Masse (noch immer) nicht bezahlen kann, da ja zunächst über die Aufrechnung zu entscheiden wäre.


    Da bin ich ganz bei Dir: M. E. müßte der InsO-Verwalter das aber tun. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger rd. 5 Jahre vorher und dann noch einmal 1 Jahr vorher dem InsO-Gericht jeweils Masseunzulänglichkeit angezeigt. Er hat dort aber - und insofern muß man den BGH auch verstehen, daß der InsO-Verwalter zum Zeitpunkt des KfV dies glaubhaft machen muß - im KfV anhand der vorgelegten Kontoauszüge, der Berechnung der InsO-Verfahrenskosten und der geltend gemachten Forderung glaubhaft gemacht, daß er die Kosten aus der Masse nicht wird bezahlen können (vgl. Rn. 7-9).

    Wird das also vom InsO-Verwalter nicht glaubhaft gemacht, kann dem Beklagten auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis an der Festsetzung versagt werden.

    Zitat

    Theoretisch würde ich also die Aufrechnung nicht prüfen und zum KfV (da streiten sie sich auch...) übergehen, insofern der Insolvenzverwalter noch immer nichts glaubhaft macht?


    Genau. Auch hier kannst Du aus dem vorzitierten Beschluß des BGH (Rn. 11) entnehmen, daß selbst dann, wenn der InsO-Verwalter glaubhaft machen würde, daß er die Kosten nicht aus der Masse bezahlen kann, dem Beklagten ein Rechtsschutzbedürfnis zwar nicht für einen KfB, aber zumindest für einen Feststellungsbeschluß zustünde, wenn der InsO-Verwalter - wie bei Dir scheinbar der Fall - auch noch sachliche oder rechnerische Einwände gegen die geltend gemachte Forderung des Beklagten erhebt.

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  • Ganz vielen lieben Dank, du hast mir hier sehr geholfen! :)


    Kein Ding!

    Wobei ich noch grübel, inwieweit "sachliche oder rechnerische Einwendungen" (für das Rechtsschutzbedürfnis auf Kostenfestsetzung oder Feststellung) überhaupt vom InsO-Verwalter in Deinem Fall vorgetragen werden. Wenn er nur materiell-rechtliche Einwendungen erhebt, über die Du ggf. nicht entscheiden bräuchtest, erhebt er ja ansonsten keine weiteren Einwendungen (z. B. geltend gemachte Gebühr sei dem Grunde nach gar nicht entstanden, weil ... oder ....Gebühr sei nur in Höhe von ... € enstanden usw.).

    Macht er nun glaubhaft, daß er die Kosten nicht bezahlen kann, dann fehlt in Deinem Fall wohl das Feststellungsinteresse des Beklagten, weil der InsO-Verwalter ansonsten keine weiteren "sachlichen oder rechnerischen Einwendungen" erhebt (vgl. auch OLG Koblenz, Beschl. v. 11.09.2015 - 14 W 575/15 - JurBüro 2016, 149).

    Macht er die fehlende Masse dagegen nicht glaubhaft, kannst Du festsetzen (weil den Neumassegläubiger insoweit das ZV-Verbot nach § 210 InsO nicht trifft).

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  • von Kostenfesetzung habe ich - horribele dictu - nie Ahnung gehabt. Mit Masseunzulänglichkeit kenne ich mich - gott sei Dank nicht persönlich - aufgrund meines Sachgebietes etwas aus. Die Schnittstelle zwischen KfB-Verfahren und MUZ ist mehrschichtig interessant.
    Bollef hat das glaub ich schon sehr sauber herausgearbeitet. #6 hat mich dann aber auch zum Grüblen gebracht.
    Da ich selber immer alles erstmal auf Grundstruckturen reduziere, mach ich das hier auch einmal; da lassen sich dann ggfls. auch Fehler in meiner Gedankenführung ausfindig machen.
    1. Insolvenverwalter verliert Prozess; KfB-Verfahren als Höheverfahren über den ausgeurteilten materiellen Kostenerstattungsanspruch läuft normal durch.
    2. Insolvenzverwalter verliert Prozess, im Rahmen des KfB-Verfahrens wendet er ein, es läge Masseunzulänglichkeit vor (von mir aus auch in der gegeben Struktur: alte MUZ-Anzeige; Kostenerstattungsanspruch wäre Neumasseverbindlichkeit). Damit ist - sofern entsprechend glaubhaft gemacht - "Leistungsklagensperre" gegeben, m.a.W. käme nur noch ein Festellungsurteil - sofern der Anspruch streitig ist - in Betracht.

    Nun kommt die Quadratur des Kreises:
    grds. sind materiell- rechtliche Einwendungen, die nicht im Kostenrecht ihre Grundlage haben, im KfB-Verfahren unbeachtlich (zur Ausnahme s. die genannte BGH-Entscheidung). Vorliegend liegen kostenrechtliche Einwendungen nicht vor, damit wäre an sich das Rechtschutzbedürfnis des Beklagen selbst an einem Feststellungsbescheid nicht gegeben. Dies aber nur für den Fall, dass der Verwalter die MUZ glaubhaft macht (zur Art der Glaubhaftmachung schreib ich jetzt mal nix, das ist kompliziert).
    Einmal angenommen, der Verwalter macht sie ausreichend glaubhaft, dann stellte sich die Frage, Feststellungsbescheid ja oder wg. mangelndem Rechtschutzbedürfnis nein. M.E. Feststellungsbescheid, weil inzidenter zu entscheiden ist, ob der materiell-rechtlichen Einwand zu beachten ist oder nicht.

    In der gegebenen Sachlage würde ich den (Leistungs-) KfB erlasssen und alles weitere im Rechtsbehelfsverfahren klären, sofern Du die Aufrechnung aufgrund inzidenterprüfung als nicht offenkundig gegeben erachtest.
    gruß
    Defr

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Ich muss nochmal eine Frage nachschieben: Meine beiden Parteien streiten sich auch innerhalb des KfV, also erheben auch gebührenrechtliche Einwendungen.

    Darf ich also nur einen Feststellungsbeschluss machen?

  • Darf ich also nur einen Feststellungsbeschluss machen?


    Wenn der InsO-Verwalter glaubhaft gemacht hat, daß er die Kosten des KfB aus der Masse nicht wird zahlen können, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Feststellungsbeschluß, wenn der InsO-Verwalter daneben auch gegen den Ansatz der Kosten selbst Einwendungen erhebt (geltend gemachte Gebühr/en sei/en nicht entstanden, Kosten seien nicht notwendig i. S. d. § 91 ZPO usw.).

    Mal also Kurzform:

    Wenn InsO-Verwalter

    1. nicht glaubhaft macht, daß zu wenig Masse zum Ausgleich des KfB vorhanden ist -> KfB darf ergehen
    2. macht der InsO-Verwalter glaubhaft, daß er aus Masse nicht wird zahlen können -> siehe Ziff. 3

    3. Es kommt darauf an, ob er daneben auch die Höhe der angemeldeten Kosten selbst angreift (Gebühr/en nicht entstanden, Kosten nicht notwendig usw.):
    a. greift er die Höhe der Kosten nicht an -> kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Feststellungsbeschluß
    b. greift er die Höhe der Kosten dagegen an -> Feststellungsbeschluß zulässig

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  • Ich danke dir für die Klarstellung.

    Der KV hat eingewandt, aufgrund von § 210 InsO könne nur ein Feststellungsbeschluss ergehen, obwohl er nach wie vor die Masseunzulänglichkeit nicht glaubhaft gemacht hat. Ich war mir unsicher, ob ich nun nicht doch einen Denkfehler gemacht habe.

  • Der KV hat eingewandt, aufgrund von § 210 InsO könne nur ein Feststellungsbeschluss ergehen, obwohl er nach wie vor die Masseunzulänglichkeit nicht glaubhaft gemacht hat. Ich war mir unsicher, ob ich nun nicht doch einen Denkfehler gemacht habe.


    :daumenrau Diese Voraussetzung stellt der BGH (s. #2 und nochmal Erläuterung in #4) aber m. E. auf.

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