Amtswiderspruch - gutgläubiger Erwerb?

  • Hallo liebe Kollegen,
    im Zuge einer Veräußerung wurden u.a. die Flurstücke A und B auf ein neues Blatt X übertragen. An beiden Flurstücken lastete dasselbe Wegerecht. Im ursprünglichen Grundbuchblatt wurde bei der Abschreibung in der Veränderungsspalte vermerkt, dass das Wegerecht mit den Flurstücken A und B auf Blatt X mit übertragen wurde.
    In Abt. II des neuen Blatts X wurde das Wegerecht zwar eingetragen. Jedoch wurde als Belastungsgegenstand nur BV-Nr. 2 (= Flurstück A) und nicht BV-Nr. 3 (= Flurstück B) angegeben. Das Wegerecht wurde gemäß § 46 II GBO also an BV-Nr. 3 gelöscht. Es war mangels Aufgabeerklärung des Berechtigten aber nicht erloschen. Der Erwerber hatte alle Belastungen in Abt. II auch ausdrücklich übernommen, "soweit der Kaufgegenstand davon betroffen ist". Er war also nicht gutgläubig.
    Kurze Zeit später hat er die BV-Nr. 3 weiterverkauft. Dieses Grundstück wurde daher auf ein neues Blatt Y übertragen - ohne das Wegerecht, da dieses ja in Abt. II bezüglich BV-Nr. 3 nicht eingetragen war. Da Verkäufer und Käufer (jeweils jur. Personen) von derselben Person als Vertretungsorgan bei der Auflassung vertreten wurden, bestreiten die Wegeberechtigten auch hier einen gutgläubigen Erwerb und haben die Eintragung eines Amtswiderspruchs angeregt. Ich denke, dass schon dieser Umstand streitig sein dürfte.
    Im Weiteren wurde jedoch in Blatt Y noch eine Grundschuld eingetragen. Es ist also zu einem gutgläubigen Rangerwerb dieser Gläubigerin gekommen. M.E. kann ich daher einen Amtswiderspruch in Blatt Y nicht eintragen. Das Wegerecht ist erloschen und kann jetzt nur auf neue Bewilligung des Eigentümers von Blatt Y an rangbereiter Stelle eingetragen werden. Damit jetzt nicht noch mehr passiert: Seht ihr das auch so?
    Vielen Dank.

  • "Da Verkäufer und Käufer (jeweils jur. Personen) von derselben Person als Vertretungsorgan bei..."

    Die Kenntnis organschaftlicher Vertreter muss man sich als jur. Person immer zurechnen lassen. Insoweit kein gutgläubig lastenfreier Erwerb hinsichtlich Eigentum am Grundstück.

  • Was sagt denn der derzeitige Eigentümer zur Frage des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs? Beruft er sich überhaupt auf diesen mit der Folge, dass das Wegerecht seiner Meinung nach erloschen ist?
    Wenn man der Meinung ist, das Recht sei materiell-rechtlich nicht erloschen (was ich nach dem Sachverhalt für gut vertretbar halte), könnte man -auf entsprechenden Antrag hin- an eine Neueintragung des Rechts im Wege der Grundbuchberichtigung denken. Dies allerdings nur an rangbereiter Stelle, also mit Rang nach der Grundschuld. Denn der Gläubiger war ja offenbar zweifelsfrei gutgläubig.

  • Den Eigentümer habe ich bisher noch nicht angehört. Ich hab erstmal nur geprüft, ob überhaupt ein Amtswiderspruch möglich ist. Und da dies nach meiner derzeitigen Einschätzung nicht der Fall ist, hätte ich die diesbezügliche Anregung mit Beschluss abgelehnt und diesen dann allen Beteiligten zukommen lassen.

  • Ich wäre mir da nicht so sicher, ob du nicht doch eine Widerspruch eintragen kannst (und ggf. musst): Offenbar gehst du auch davon aus, dass das GB unrichtig und das Recht materiell-rechtlich nicht erloschen ist. Gutgläubiger Erwerb des Grundstücks ohne das derzeit nicht eingetragene Recht wäre dann möglich! Zu dessen Verhinderung könnte man dann m.E. durchaus an die Eintragung eines Widerspruchs denken, vgl. insoweit Bauer/v. Oefele, GBO, 3. Aufl., Rdnr. 19 zu § 46 GBO!

  • Die von dir genannte Quelle kann ich (zu Hause) leider momentan nicht nachlesen. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass das Wegerecht mit dem gutgläubigen (Rang-)Erwerb des Gläubigers der Grundschuld erloschen ist. Das ist genau mein Problem.

  • Richtig ist die Annahme, dass das Recht an dem besagten Grundstück zwar durch Nichtmitübertragung gelöscht, aber mangels dinglicher Aufgabeerklärung des Berechtigten nicht materiell erloschen ist. Diese Buchposition kann Gegenstand eines gutgläubigen Erwerbs sein, sei es im Fall der Eigentumsübertragung zugunsten eines Dritten, der gutgläubig lastenfrei erwirbt, so dass der gutgläubige Erwerb zum materiellen Erlöschen des Rechts führt, sei es im Fall der Belastung, wodurch das Recht nicht erlischt, sondern nur seines materiellen Vorrangs verlustig geht. Damit wäre das Hauptproblem des Fragestellers bereits gelöst.

    Verneint man einen gutgläubigen Eigentumserwerb, kann das Recht also nicht materiell erloschen sein, so dass das Grundbuch unrichtig ist, weil es dieses materiell bestehende Recht nicht verlautbart und weil es ein nicht zutreffendes Eigentumsverhältnis verlautbart. Richtig ist das Grundbuch daher in Bezug auf die Grundschuld, weil diese entstanden und kraft guten Glaubens des Gläubigers den Vorrang vor dem nicht eingetragenen Recht erworben hat.

    Es ist also klar, dass ein Amtswiderspruch einzutragen ist, die Frage ist nur, wogegen er einzutragen ist und wenn der Grundbuchberichtigungsanspruch bei mehreren Unrichtigkeiten jeweils einer anderen Person zusteht, führt dies notwendigerweise zur Eintragung mehrerer Amtswidersprüche. Diese Feststellung sollte des Rätels Lösung sein: Amtswiderspruch gegen das Eigentum des Erwerbers zugunsten des wahren Eigentümers und Amtswiderspruch gegen die Löschung des Rechts zugunsten des Berechtigten.

    Klar ist, dass das Recht (auf Antrag) nur im Rang nach der Grundschuld wiedereingetragen werden kann, weil nichts dafür spricht, dass der Grundpfandrechtsgläubiger nicht gutgläubig erworben hat.

  • Erst einmal herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort!

    Mir leuchtet zwar noch nicht ganz ein, warum das Eigentumsverhältnis auch nicht zutreffend sein soll und daher auch diesbezüglich ein Widerspruch einzutragen ist,
    aber das muss ich nochmal ganz in Ruhe durchdenken.

  • In #2 wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein gutgläubiger Eigentumserwerb zu verneinen ist, wenn der für die Erwerberin handelnde Vertreter Kenntnis von den besagten Umständen hatte und demzufolge bösgläubig war. Ob dies der Fall war, lässt sich nach den bisherigen Angaben nicht zuverlässig beurteilen. In #2 wurde die Bösgläubigkeit der Vertreters der Erwerberin wohl daraus geschlossen, dass der Vertreter auch für die Veräußerin auftrat. Mit anderen Worten: Warem dem Vertreter der Veräußererseite die besagten Umstände bekannt, schaden sie auch dem Erwerber, der vom gleichen Vertreter vertreten wird (§ 166 BGB; vgl. Palandt/Herrler § 892 Rn. 24).

    Im Übrigen könnte der gutgläubige Erwerb unabhängig von der Kenntnisfrage auch mangels Verkehrsgeschäfts ausgeschlossen sein (Palandt/Herrler § 892 Rn. 7). Dazu müsste man aber etwas über die genauen Gesellschaftsverhältnisse und die etwaige Beteiligung des Vertreters an den Gesellschaften wissen.

  • Gut. Dann werd ich am Montag die Gesellschaftsverhältnisse nochmal ganz genau ansehen und auch die zitierten Quellen lesen. Danke!

  • Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, geht es nicht um die Frage einer Unrichtigkeit bzgl. des Eigentumswechsels, sondern nur darum, ob der Erwerber gutgläubig sein konnte bzgl. des Erlöschens des Wegerechts (was hier verneint wurde). Es sei denn, wir hätten ein Problem mit § 181 BGB; da gehe ich mal davon aus, dass der geprüft wurde.


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Wenn der Eigentumserwerb unproblematisch ist - wovon ich bei nochmaligem Nachlesen des Sachverhalts ebenfalls ausgehe -, geht es in der Tat nur darum, ob das Recht an der zweitveräußerten BVNr. 3 erlischt, weil der vom Berechtigten erwerbende Zweiterwerber gutgläubig lastenfrei erworben hat oder - falls dies zu verneinen ist - ob das Recht nur seinen Vorrang im Verhältnis zur insoweit gutgläubig erworbenen Grundschuld verliert. Im Übrigen bleibt es aber bei den gemachten Aussagen, nur dass sie sich eben nicht mehr auf den gutgläubigen Eigentumserwerb, sofern auf den vom Berechtigten erfolgenden Eigentumserwerb in Form des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs beziehen.

    Ein Amtswiderspruch kommt dann natürlich allenfalls gegen die Löschung des Rechts in Betracht und ob er einzutragen ist (und eingetragen werden kann), hängt alleine davon ab, ob der Zweiterwerber gutgläubig lastenfrei erworben hat. Falls ja, ist das Recht an BVNr. 3 erloschen und das Grundbuch richtig (geworden), und falls nein, ist es nach wie vor unrichtig.

  • Ich gehe nach den in der Grundakte befindlichen Kaufverträgen davon aus, dass der Erwerber bösgläubig war und das Grundbuch daher (noch) unrichtig ist = Amtswiderspruch.

    Auch wenn die Sache natürlich für alle Beteiligten so oder so unangenehm ist, diese Variante ist mir lieber.

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