Herabsetzung Zuschlag f. Erwerbstätige bei Selbstbehalt n. § 850 d ZPO wg Mindestlohn

  • Hallo zusammen,

    bei einer Unterhaltspfändung habe ich den Selbstbehalt auf 1017,00 € festgesetzt (Regelsatz § 20 SGB II 404,00 €, Mietkosten 351,00 € Heizkosten 60,00 € und Zuschlag f. Erwerbtätige (1/2 Regelsatz) 202,00 €).

    Jetzt beantragt der Gläubiger-Vertreter den Selbstbehalt nur auf 850,00 € festzusetzen, da der Schuldner "nur" monatliche Einkünfte in Höhe von circa 1.060,00 € hat. Der Schuldner soll angeblich nur als Hilfskraft arbeiten und lediglich den Mindestlohn erhalten. Der Schuldner könne mit seiner fachlichen Ausbildung einen anderen Job antreten, daher schließt der Gläubiger-Vertreter darauf, dass der Schuldner offensichtlich nicht gewillt ist sich um eine bessere Arbeitsstelle zu bemühen, bei welcher ein pfändbarer Teil verbleibe. Der Schuldner abziehe sich absichtlich seiner Unterhaltspflicht. Der Zuschlag für Erwerbstätige stehe ihm nur zu, wenn er einer Erwerbstätigkeit nachgehe, die es ihm ermögliche Unterhalt zu zahlen. Zudem gehe der Schuldner lediglich einer Teilzeitbeschäftigung nach. Des Weiteren sei der Schuldner verpflichtet eine Tätigkeit, egal in welchem Ort nachzugehen, bei welcher er den Unterhalt für sein Kind aufbringen kann.

    Ich habe das Schreiben an den Schuldner geschickt, dieser teilte mit, dass er einer Vollzeitbeschäftigung nachgehe und über den Mindestlohn vergütet werde.

    Ich bin der Ansicht, dass der Zuschlag für Erwerbstätige grundsätzlich zu gewähren ist, wenn der Schuldner einer Arbeitstätigkeit nachgeht (die den Betrag für den Freibetrag übersteigt). Es handelt sich hierbei ja um einen Arbeitsanreiz, dabei ist es m.E. unerheblich, ob der Schuldner viel oder wenig verdient, einer Teil- oder Vollzeitbeschäftigung nachgeht oder ob er eine seiner Qualifikation entsprechenden Arbeitsstelle hat. Dem Schuldner kann ja nicht vorgeschrieben werden, wo er zu arbeiten hat.

    Wie seht ihr das? Andere Meinungen?

  • So sehe ich das auch, der Erwerbstätigenbonus ist meines Erachtens ein Anreiz für den Schuldner einer Arbeit nachzugehen und damit auch im Endeffekt die Forderung des Gläubigers zu bedienen. Es handelt sich um einen Zuschlag um die im Rahmen der Erwerbstätigkeit anfallenden Aufwendungen des Schuldners auszugleichen. Welchen Verdienst der Schuldner hierbei erzielt ist für den Zuschlag meines Erachtens unbeachtlich.


    Der Antrag wäre meines Erachtens insoweit zurückzuweisen.

  • Das ist wohl von Ort zu Ort unterschiedlich, bei uns gibt es auch nur 20 % (Großstadt), dafür höhere Miete. Es ist auch egal, ob sich pfändbare Beträge ergeben (ich ärgere mich auch immer wieder über einen Sch, der seine Kinder über alles liebt, was nicht dazu führt, dass er Unterhalt zahlt oder soviel arbeitet, dass sich pfändbare Beträge ergeben).


  • Ich bin der Ansicht, dass der Zuschlag für Erwerbstätige grundsätzlich zu gewähren ist, wenn der Schuldner einer Arbeitstätigkeit nachgeht (die den Betrag für den Freibetrag übersteigt).

    Richtig, aber über die Höhe dieses Zuschlags musst du anhand der konkreten Angaben jetzt eben im Einzelfall entscheiden (s.o.)

    Und da 50 % schon so die oberste Grenze sind wäre eine Verringerung nicht so unmöglich. Zwischen 850 EUR und 1017 EUR gibt es ja noch viel Spielraum dein Ermessen auszuüben.

  • Mal von der Annahme ausgehend, dass wg. laufender Unterhaltszahlungen gepfändet wird:

    Ich frage mich schon seit einiger Zeit, ob es zulässig wäre, einen Schuldner im Rahmen der Unterhaltspfändung zur Sicherstellung seines notwendigen Lebensunterhalts auf eine Antragstellung von ergänzenden Leistungen nach SGB II zu verweisen. Vermutlich nicht.

    Hintergrund: In §11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II ist die Absetzung von titulierten laufenden Unterhaltsansprüchen vom anrechenbaren Einkommen seit einigen Jahren ausdrücklich vorgesehen. Demnach hält der Gesetzgeber hier die Erfüllung laufender Unterhaltspflichten als vorrangig gegenüber eigener Sozialleistungsbedürftigkeit. Insofern ja ein Widerspruch zu § 850d Abs. 1 ZPO, der umgekehrt die Sicherstellung des Lebensunterhalts des Schuldners als vorrangig erachtet.

    In der Beratung jedenfalls rate ich unterhaltspflichtigen Schuldnern in solchen Fällen (neben der Prüfung einer etwaigen Anpassung des Unterhaltstitels an die tatsächliche Leistungsfähigkeit) durchaus zur Zahlung und Antragstellung beim Jobcenter, um dem weiteren Auflaufen von Unterhaltsschulden zu begegnen.

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