Freigabe einer selbständigen Tätigkeit

  • Wie würdet Ihr denn hier vorgehen:

    Schuldner S ist selbständig als einzelkämpfender Grafiker. Das Ganze sieht so aus, dass er alle Jubeljahre einen Auftrag von Freunden (Webdesigner, Architekten) erhält. Den erledigt er und stellt dann seine Rechnung. Hiervon lebt er dann eine Weile, das reicht aber nie lange, so dass er den Großteil des Jahres von Hartz IV lebt.

    Nun ist sein InsoVerfahren (Eigenantrag mit Stundung) eröffnet und der IV muss sich entscheiden, ob er die Tätigkeit nach § 35 II freigibt oder nicht. S hat angekündigt, dass er 'ungefähr im Juli' einen Auftrag erhalten wird, der ihm dann 'ungefähr im August' rd. 19.000,- EUR in die Kasse spülen wird. Schriftliche oder mündlich Zusagen des Auftraggebers gibt es nicht. S versichert aber, 'dass das wohl klappen' werde.

    Was tun? S ist nicht wirklich zuverlässig, nach meiner Einschätzung ist das alles ziemliches Geschwätz und die 19.000,- EUR sind eher ein frommer Wunsch. Also eigentlich Freigabe. Aber:

    Was, wenn die 19.000,- EUR dann doch hereinkommen? Wäre ziemlich peinlich, wenn S die nach der Freigabe einkassieren und seinen zahlreichen Gläubigern eine lange Nase drehen würde.

    Und wenn man nicht freigibt und einfach abwartet, ob das Geld reinkommt, hat man natürlich auch S' Kosten zu tragen. Zwar arbeitet er von zu Hause, für seine Projekte muss er aber auch ein paar Aufgaben an andere Einzelkämpfer vergeben (Programmierer etc.), das wären dann Masseverbindlichkeiten. Masse ist aber nicht vorhanden, außer dem genannten (angeblichen) Auftrag hat S keinerlei Vermögenswerte.

    Sehe ich das zu kompliziert?

  • Hat der IV Zugang zu den Steuererklärungen der Vorjahre - lassen die eine Gewinn-Prognose zu? Hat der Kandiddat eine Planrechnung für 2017 fertig?

    "Wie" wurde gestundet? Muss der Kandidat nicht seine selbständig erzielten Einkünfte für die Verfahrenskosten einsetzen?

    Was würde der Kandidat auf Steuerkarte pfändbar "bringen"?

    Wenn jetzt noch keine Betriebsausgaben anfallen, würde ich jetzt als IV auch keine Entscheidung treffen.

  • Ich würde hier risikobedingt "freigeben". Es kann zwar sein, dass mit dem einem Auftrag einmal Geld in die Masse-Kasse gespült wird. Bis dahin sind aber alle mit dem Geschäftsbetrieb verbundenen Kosten (keine Ahnung, aber Steuern, Kammerbeiträge etc. fallen bestimmt an) Masseverbindlichkeiten.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • gebe grds. gegs Recht, aber rücksichtlich des Zeitlaufs in der Tat, GLV

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
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    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Ich würde hier risikobedingt "freigeben". Es kann zwar sein, dass mit dem einem Auftrag einmal Geld in die Masse-Kasse gespült wird. Bis dahin sind aber alle mit dem Geschäftsbetrieb verbundenen Kosten (keine Ahnung, aber Steuern, Kammerbeiträge etc. fallen bestimmt an) Masseverbindlichkeiten.


    Der Witz ist ja, dass im normalen Alltag des S keine Kosten anfallen, dank Hartz IV zahlt er keine Steuern, er macht keine Umsätze, hat nur seine Wohnung, die er halten muss. Wenn aber der von ihm erhoffte Auftrag im die Gänge kommen sollte, geht es natürlich sofort los mit den Kosten, die externen Programmierer wollen Geld sehen, es fallen Fahrtkosten an etc. Man müsste hier quasi mit den Kosten in Vorleistung treten, bei Null-Masse geht das aber nicht. S sagt halt, dass am Ende ein ordentlicher Überschuss von rund 50% der 19.000,- bleiben würde, aber das ist m.E. reines Wunschdenken.

    Ich tendiere auch zur 'Freigabe'-Erklärung, ggf. abgesegnet durch die GLV.

  • S sagt halt, dass am Ende ein ordentlicher Überschuss von rund 50% der 19.000,- bleiben würde, aber das ist m.E. reines Wunschdenken

    Und wenn das Wunschdenken, Wunschdenken bleibt (was bei unseren Kunden doch immer schnell der Fall ist), hat man als Insolvenzverwalter eine ganze Masse Haftungsansprüche "an der Backe".

    Hinzu kommt, dass sich der Überschuss auch auf den Hartz-IV-Anspruch des Insolvenzschuldners auswirkt und umgedreht.

    Wie man natürlich vorgeht :gruebel:.
    In diesem Fall sage ich nur, die Angst des Tormanns vor dem Elfmeter.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

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