TG entstanden?

  • Moinsen,
    diskutiere gerade mit einem Kollegen darüber:
    KV ruft BV an und fragt noch, ob dieser (BV) auf einen Kostenantrag verzichten würde, wenn er (KV) die Klage zurücknimmt. BV verneint dies.
    Einige Zeit später nimmt KV die Klage dennoch zurück, BV stellt Kostenantrag und beantragt auch eine 1,2 TG. KV meint, dass diese durch das Telefonat nicht entstanden sei.
    Die Frage ist: Liegt eine Gesprächsbereitschaft auf Beklagtenseite vor oder nicht?
    Ich meine schon...

  • Das meine ich auch. Ein Erfolg muss bei dem Gespräch ja nicht eintreten.

  • M. E. steht die Gesprächsbereitschaft nicht in Frage. Der BV hat konkret auf den Einigungsvorschlag des KV geantwortet und die Einigung abgelehnt. Der BV hätte bei fehlender Gesprächsbereitschaft dann schon gesagt, daß er (das Gespräch über) eine gütliche Einigung verweigert oder ein sachbezogenes Gespräch dahingehend gar nicht führen wird. Für den Anfall der TG ist jedenfalls kein Erfolg der Einigung geschuldet.

    Wenn der zur Klagerücknahme entschlossene KV versucht, den Beklagten zu einem Verzicht auf die Kostenerstattung zu bewegen, liegt ein Erledigungsgespräch vor und löst die TG aus (vgl. z. B. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Vorb. 3 VV Rn. 166; Hessisches LAG, NZA-RR 2007, 37 = RVGreport 2006, 271).

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  • Hier fehlt es aber aus meiner Sicht an einem solchen "Erledigungsgespräch": "Eine Besprechung ist nur dann auf „Erledigung des Verfahrens” gerichtet, wenn die Gesprächspartner davon ausgehen, dass dieses Gespräch (möglicherweise) für die Erledigung des Rechtsstreits entscheidend sein soll. Gleichzeitig ergibt sich daraus, dass beide Seiten dieses konkrete Gesprächsziel verfolgen müssen; denn ein Telefongespräch, bei dem lediglich einer der beiden Gesprächspartner an einer Erledigung des Verfahrens interessiert ist, ist keine auf „Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung”." (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.12.2005 - 15 W 55/05).

    Im Übrigen gegen das zitierte LAG Hessen: LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.11.2012 - 17 Ta (Kost) 6112/12

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Hier fehlt es aber aus meiner Sicht an einem solchen "Erledigungsgespräch": "Eine Besprechung ist nur dann auf „Erledigung des Verfahrens” gerichtet, wenn die Gesprächspartner davon ausgehen, dass dieses Gespräch (möglicherweise) für die Erledigung des Rechtsstreits entscheidend sein soll. Gleichzeitig ergibt sich daraus, dass beide Seiten dieses konkrete Gesprächsziel verfolgen müssen; denn ein Telefongespräch, bei dem lediglich einer der beiden Gesprächspartner an einer Erledigung des Verfahrens interessiert ist, ist keine auf „Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung”." (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.12.2005 - 15 W 55/05).

    Im Übrigen gegen das zitierte LAG Hessen: LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.11.2012 - 17 Ta (Kost) 6112/12


    Der Einwand, es müsse auf beiden Seiten eine solche Gesprächsbereitschaft zur Erledigung des Verfahrens bestehen, ist sicherlich berechtigt. Aber weder das eine noch das andere wird aus dem in #1 (recht kurz gehaltenen) Sachverhalt deutlich. Ich habe unterstellt, daß die Absage des BV nicht auf einer grundlegend ablehnenden Haltung ("Mit Ihnen rede ich nicht und lehne es aber, diesbezüglich auch nur irgendwelche Gespräche zu führen. Im übrigen würde ich meinem Mandant von einem Kostenverzicht sowieso abraten/lehnt dieser einen solchen sowieso ab."), sondern auf einem Gespräch beruht, das beide Seiten mit grds. Erledigungsbereitschaft geführt haben ("Das Abhängigmachen von einem Kostenverzicht kann ich meinem Mandanten nicht empfehlen. Insoweit wird Ihr Angebot abgelehnt.").

    Die Entscheidung des OLG Karlsruhe hat der BGH (Rpfleger 2007, 344) übrigens kassiert und die Anforderungen des OLG Koblenz an die Entstehung der TG als "rechtsfehlerhaft zu hohe Anforderungen an die Voraussetzungen der Terminsgebühr gestellt" bezeichnet.

    Soweit sich das LAG Berlin-Brandenburg (insoweit auch krit. Anm. von Hansens, RVGreport 2013, 152) gegen das Hessisches LAG stellt, halte ich die Hessische Begründung für überzeugend(er): Der Streit ging inhaltlich letztlich darum, ob ein Verfahren bereits beim Vorliegen der endgültigen Entscheidung zur Erledigung durch Rücknahme als "erledigt" i. S. d. Vorb. 3 Abs. 3 VV zu verstehen ist. Im Hessischen Fall hat das LAG seine Entscheidung damit begründet, daß der behauptete Auftrag nicht entscheidend sein kann, weil er auch jederzeit (solange nicht wirksam die Rücknahme erklärt wurde) wieder geändert werden kann und zudem regelmäßig nicht nachprüfbar ist. "Die gebotene Praktikabilität des Gebührenrechts lässt es nicht zu, Gebührentatbestände allein nach behaupteten inneren Entschlüssen entstehen oder nicht entstehen zu lassen." Der Sachverhalt muß sich m. E. deshalb danach beurteilen, wie sich das Gespräch also aus dem jeweiligen objektiven Empfängerhorizont darstellt(e), wobei trotz § 294 ZPO Unaufklärbares ggf. zu Lasten des Antragstellers letztlich geht (vgl. z. B. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Vorb. 3 VV Rn. 233 ff.).

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  • Die Entscheidung des OLG Karlsruhe hat der BGH (Rpfleger 2007, 344) übrigens kassiert und die Anforderungen des OLG Koblenz an die Entstehung der TG als "rechtsfehlerhaft zu hohe Anforderungen an die Voraussetzungen der Terminsgebühr gestellt" bezeichnet.

    :psst: Wobei die Aufhebung eher auf der Komplexität der Verhandlungen wegen mehrerer anhängiger Berufungsverfahren denn auf einer falschen Rechtsauffassung des Obergerichts beruhte. So will der BGH die Messlatte auch nicht zu tief hängen und fordert in Rn. 10 als Mindestvoraussetzung für die Terminsgebühr, dass "sich der Gesprächspartner an einer außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits interessiert zeigt".

    Damit wird wie immer der Sachverhalt entscheidend, wobei sich aus meiner Sicht schon die Frage stellt: Welche andere Art der außergerichtlichen Erledigung hätte denn für den Beklagten noch in Betracht kommen sollen? Vorschlag des Klägers: "Klagerücknahme bei Verzicht auf die Kosten." Gegenposition des Beklagten: "???" (Klagerücknahme mit Kostentragung stellt wohl kein Entgegenkommen des Beklagten dar.) Vielleicht: Klagerücknahme bei Verzicht auf die mit diesem Gespräch anfallende Terminsgebühr? ;)

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  • :psst:


    :flucht:

    Damit wird wie immer der Sachverhalt entscheidend, wobei sich aus meiner Sicht schon die Frage stellt: Welche andere Art der außergerichtlichen Erledigung hätte denn für den Beklagten noch in Betracht kommen sollen? Vorschlag des Klägers: "Klagerücknahme bei Verzicht auf die Kosten." Gegenposition des Beklagten: "???" (Klagerücknahme mit Kostentragung stellt wohl kein Entgegenkommen des Beklagten dar.) Vielleicht: Klagerücknahme bei Verzicht auf die mit diesem Gespräch anfallende Terminsgebühr? ;)

    Naja, so ähnlich :strecker: Daß auch nur über einen abgrenzbaren Teil eine TG entstehen kann, z. B. hier in Höhe des gegnerischen Erstattungsanspruches (auf den verzichtet werden soll), steht dabei immer auch im Raum (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Vorb. 3 VV Rn. 173, der das z. B. vertritt und auf die a. A. (inzidenter) des LAG Berlin-Brandenburg verweist).

    Die "Gegenposition" sehe ich hier in den üblichen Unwägbarkeiten, denen man "vor Gericht und auf hoher See" ausgesetzt ist und die oftmals auch nicht allein aus dem jeweiligen Rechtsstandpunkt aus betrachtet werden können (das weißt Du sicher besser als ich :D). Es kann immer noch 1.000 andere Gründe geben kann, wieso man auch eine sichere Rechtsposition freiwillig aufgibt, um damit etwas anderes "zu gewinnen" - und sei es nur den Rechtsfrieden. Insofern kann das "Interesse zeigen" an einem Erledigungsgespräch auch noch aus einer rechtlich gesehen "einseitigen" Position (Verzichtserklärung) gegeben sein. Im übrigen geht's hier nicht etwa um die Vorausetzungen einer möglicherweise sogar auch entstandenen Einigungsgebühr, sondern nur um die TG, wozu allein die Bereitschaft zu einem Erledigungsgespräch (und nicht Einigungsgespräch) ausreicht.

    Der Fall, daß einer versucht, den anderen zur Erledigung zu bewegen und derjenige darauf grundsätzlich eingeht, auch wenn es dann nicht zur versuchten Erledigung kommt, ist sicher anders zu beurteilen als der Fall, wo lediglich angefragt wird, ob z. B. ein Kostenverzicht abgegeben wird. Dort liegt dann quasi nur eine Sachstandsanfrage/Mitteilung vor, ohne daß dort ein Bemühen zur Erledigung ersichtlich wäre, weshalb in diesem Fall auch keine TG angefallen ist (vgl. OLG Koblenz, AGS 2012, 127).

    Wo is'n überhaupt P., wenn man ihn braucht, hm? :2aetsch: :tomate:wasdageg Der müßte doch die Details zum Sachverhalt mal aufklären können, bevor wir hier weiter so abstrakt herumfabulieren müssen. :D

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  • Wo is'n überhaupt P., wenn man ihn braucht, hm? :2aetsch: :tomate:wasdageg Der müßte doch die Details zum Sachverhalt mal aufklären können, bevor wir hier weiter so abstrakt herumfabulieren müssen. :D

    :D

    Und überhaupt: Es gibt ja nun auch das "selber blöd" für vor dem AG auftauchende Parteien, die "piep" sagen und sich dann wundern, warum eine TG entsteht...

    Es gab ein Telefonat; da würde ja sonst eher nie eine TG entstehen, wenn die eine Seite sagt: "Ihnen gehts ja noch ganz gut!"

    Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers. (Oscar Wilde)

  • Jajaja, bin ja schon da.:D
    Wie schon geschrieben: mehr gibt es zum Sachverhalt nicht wirklich - werde noch mal in die Akte schauen, wenn ich sie vom Kollegen bekomme. Es scheint wohl wirklich ein kurzes Telefonat gewesen zu sein - eben mit dem Inhalt, dass der Kläger den Vorschlag gemacht hat - Rücknahme ohne Kostenantrag - und die Beklagtenseite dies abgelehnt hat (Verzicht auf Kostenantrag).
    Werde mich aber noch mal melden.

  • Jajaja, bin ja schon da.:D


    :2weglach:

  • so, da bin ich wieder, live und ich Farbe:
    Es schien wirklich nur ein kurzes Telefonat gewesen zu sein, in dem der Klägervertreter angefragt hat, ob die Beklagtenseite auf einen Kostenantrag verzichtet, wenn der Kläger die Klage zurücknimmt, woraufhin die Beklagtenseite dies verneint hat. Mehr wurde nach Angaben der Parteien nicht besprochen.
    Ich persönlich bleibe dabei, dass die TG erstattungsfähig ist, da aus meiner Sicht trotz der Ablehnung der Beklagtenseite nicht die Bereitschaft zur Erledigung des Rechtsstreits abgesprochen werden kann. Aber das kann man auch anders sehen.

  • ...was dann weitergedacht bedeutet: Der Klägeranwalt sollte lieber gar nicht erst zum Telefonhörer greifen, um nicht für den Kläger statt der versuchten Kostenminderung eine Kostensteigerung zu verursachen. Also besser vorher per Mail nachfragen... Interessantes Ergebnis.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Wenn der Klägeranwalt zum Telefon greift, muss er doch damit rechnen, dass die Gegenseite gesprächsbereit ist und dann auch eine 1,2 TG entsteht. Wenn er also nicht will, dass eine TG entsteht, darf er aus meiner Sicht in der Tat nicht einfach zum Hörer greifen. Oder er muss gleich als erstes mitteilen, dass er nicht möchte, das für das Telefonat keine TG entsteht - aber dann macht ein Anruf keinen Sinn, weil es doch darum geht, das Verfahren zu erledigen. Wenn dann nicht das gewünschte Ergebnis rauskommt, ist das doch Sache des Anwalts.

  • Man stelle sich vor: Das Teleklingel font, der RA nimmt ab und merkt, wer am anderen Ende dran ist und legt los: Keine TG, keine TG, keine TG... absurder geht´s nicht. Oder der Angerufene legt sofort wieder auf. Eine derartige Kultur kann keiner wollen. Daher wie der Vorbeitrag (was auch sonst... :D).

  • Es ist außerdem standeswidrig, die Kommunikation mit dem Gegenanwalt zu verweigern. Man muss also ohnehin grundsätzlich davon ausgehen, dass die Situation "Mit Ihnen rede ich nicht" nicht vorkommt oder jedenfalls nicht von den Beteiligten eingeräumt würde. Damit wird die Terminsgebühr bei Sachverhalten wie dem hier diskutierten zum Automatismus. So ist es eben.

    DESIRE IS THE HURDLE TO SALVATION AND TIES ONE TO SAMSARA

  • Aus meiner Warte mal aufgedröselt und zusammengefaßt: Es fand unstreitig ein Gespräch statt. Sein Inhalt (Klagerücknahme, wenn Kostenverzicht erklärt wird) ist auch unstreitig. Streit kann daher nur darüber bestehen, ob (1) das Gespräch auf die Erledigung ausgerichtet war und (2) auf beiden Seiten dazu grds. überhaupt Gesprächsbereitschaft bestand. Für beides ist erstmal der Anspruchsteller (hier also der Beklagte bzw. der BV) darlegungs- und glaubhaftmachungspflichtig. :D

    Wenn es unstreitig ist, daß der KV Klagerücknahme unter einer Bedingung ("...wenn...") angeboten hat, dann ist bei ihm wohl (1) erfüllt. Denn dann handelte es sich ja gerade nicht allein um eine Sachstandsanfrage bzw. Mitteilung seinerseits, sondern bei seinem diesbezüglichen Gesprächsangebot um ein solches mit dem Bemühen um eine (einverständliche) Erledigung des Rechtsstreites, was also zugleich die Voraussetzung zu (2) impliziert.

    Beim BV wiederum sehe ich (1) ebenfalls als unstreitig erfüllt an. Denn er ist in diesem Gespräch auf das Angebot inhaltlich eingegangen. Daß auch bei ihm die Voraussetzungen zu (2) vorlagen, kann m. E. aus seinem konkludenten Verhalten der jetzigen Beantragung der TG geschlossen werden, für dessen Gegenteil - jedenfalls nach dem bisherigen Sachverhalt - bislang nichts ersichtlich ist und der KV auch nichts substantiiert vorträgt. Mir ist jedenfalls nicht klar, wie er den Nichtanfall begründet. Hier obliegt es m. M. n. deshalb dem (insoweit dann sekundär darlegungs- und glaubhaftmachungsbelasteten) KV, entsprechend substantiiert vorzutragen/glaubhaft zu machen. Letztlich kann auch bei Streit über die Voraussetzungen der TG eine Festsetzung erfolgen (BGH, Rpfleger 2007, 575), solange sie hinreichend glaubhaft gemacht worden sind.

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  • Man stelle sich vor: Das Teleklingel font, der RA nimmt ab und merkt, wer am anderen Ende dran ist und legt los: Keine TG, keine TG, keine TG... absurder geht´s nicht.

    Ich erinnere mich noch gut daran, wie das zu BRAGO-Zeiten war, wenn man mal versucht hat, mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu telefonieren. Regelmäßig lautete der Begrüßungssatz: Wir zahlen aber keine Besprechungsgebühr!

  • Man stelle sich vor: Das Teleklingel font, der RA nimmt ab und merkt, wer am anderen Ende dran ist und legt los: Keine TG, keine TG, keine TG... absurder geht´s nicht.

    Ich erinnere mich noch gut daran, wie das zu BRAGO-Zeiten war, wenn man mal versucht hat, mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu telefonieren. Regelmäßig lautete der Begrüßungssatz: Wir zahlen aber keine Besprechungsgebühr!

    So ist es. Durch die Beiträge #17 (mein eigener:teufel:) und #19 ist eigentlich schon alles gesagt.

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