Beauftragung RA - Verstoß gegen Treu und Glauben?

  • Hallo,

    Kläger reicht Klage und Begründung selbst ein. Verfahren wird bis zu einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung ausgesetzt. Sodann wird der Kläger darauf hingewiesen, dass nach der nunmehr vorliegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat und um Mitteilung gebeten, ob Klage aufrecht erhalten wird. Aufgrund eines atypischen Falls auch bei Klagerücknahme von der regelmäßigen Kostenfolge abgesehen und dem Beklagten die Kosten auferlegt werden.

    Erst dann nimmt sich der Kläger einen Rechtsanwalt, der sodann die Klage zurücknimmt.

    Der Beklagte meint nun, der Kläger als Richter hätte keines Rechtsanwalts bedurft. Die Beauftragung verstoße gegen Treu und Glauben und den Kostenminimierungsgrundsatz. Der Kläger hätte in dem Bewusstsein, die Kosten selber tragen zu müssen, keinen RA beauftragt, um die Klage zurückzunehmen.

    Gut, dass auch Richter (oder allgemein rechtskundige Personen) sich einen RA nehmen können, ist wohl ausreichend entschieden.

    Nur in restriktiv zu behandelnden Ausnahmefällen findet trotz des eindeutigen Gesetzeswortlauts eine Kostenerstattung nicht statt. Dies gilt nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung etwa bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten (Verstoß gegen Treu und Glauben) sowie bei einem offensichtlichen Verstoß gegen den das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatz, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, und wird von der Rechtsprechung insbesondere auch für den Fall angenommen, dass die anwaltliche Vertretung für die Partei offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen, etwa wenn die Vertretungsanzeige erst nach unstreitig eingetretener objektiver Erledigung der Hauptsache erfolgt, obwohl nur noch die Abgabe entsprechender prozessualer Erklärungen durch die Beteiligten aussteht, VG Sigmaringen, Beschluss vom 19. April 2006 – NC 6 K 715/05 –, juris.

    Ich würde nun meinen, dass hier ein mit der unstreitig eingetretenen objektiven Erledigung vergleichbarer Fall vorliegt. Die Klagerücknahme war nach Hinweis des Gerichts die einzige (sinnvolle) Alternative. Selbst wenn der Kläger gegen die ablehnende Entscheidung Rechtsmittel einlegen sollte, wird ja wohl nicht das Obergericht entgegen dem Bundesverfassungsgericht entscheiden ...

    Über eine Diskussion wäre ich dankbar ;)

  • Die Klagerücknahme war nach Hinweis des Gerichts die einzige (sinnvolle) Alternative.

    Sagt wer ;)
    Der Hinweis des Gerichts ist nur die vorläufige Meinung des Gerichts, diese kann zutreffen oder auch nicht, oder kann auch weiterhin strittig sein.
    In diesem Fall (ohne den Fall zu kennen) mag es durchaus so sein das es die einzig sinnvolle Alternative war. Um das zu Beurteilen kann man dem rechtsunkundigen durchaus einen RA zur seite Stellen, und evtl. brauchte der Kläger-Richter da auch Beratung durch in diesem Fach kundige Person.

  • Die Klagerücknahme war nach Hinweis des Gerichts die einzige (sinnvolle) Alternative.

    Sagt wer ;)
    Der Hinweis des Gerichts ist nur die vorläufige Meinung des Gerichts, diese kann zutreffen oder auch nicht, oder kann auch weiterhin strittig sein.
    In diesem Fall (ohne den Fall zu kennen) mag es durchaus so sein das es die einzig sinnvolle Alternative war. Um das zu Beurteilen kann man dem rechtsunkundigen durchaus einen RA zur seite Stellen, und evtl. brauchte der Kläger-Richter da auch Beratung durch in diesem Fach kundige Person.

    Sehe ich auch so;
    mit der Einschränkung das es da auch ein Stück weit um das Rechtsgebiet der Klage und des üblichen Rechtsgebietes des Richters geht. Ist es z.B. ein sozialgerichtliches Verfahren und der Richter macht seit 25 Jahren nur Familienrecht, kann es auch für den (sonst rechtskundigen) Richter für diese spezielle Art von Verfahren sinnvoll sein, sich die Meinung eines Fach-Anwaltes zu holen.

  • Selbst wenn der Kläger gegen die ablehnende Entscheidung Rechtsmittel einlegen sollte, wird ja wohl nicht das Obergericht entgegen dem Bundesverfassungsgericht entscheiden ...

    Sag das nicht, selbst unterschiedliche Senate vertreten mitunter Unterschiedliche Meinungen :)
    Wie auch immer, so eine Beurteilung "Verstoß gegen Treu und Glauben" sollte wirklich streng am konkreten Einzelfall erfolgen. Möglich ist vieles. Der Kläger hat ja die Gelegenheit vorzutragen warum sein RA in diesem Fall notwendig war.

  • Selbst wenn der Kläger gegen die ablehnende Entscheidung Rechtsmittel einlegen sollte, wird ja wohl nicht das Obergericht entgegen dem Bundesverfassungsgericht entscheiden ...

    Sag das nicht, selbst unterschiedliche Senate vertreten mitunter Unterschiedliche Meinungen :)

    Außerdem wäre es ja auch möglich, dass die Entscheidung des BVerfG wegen einer leicht anderen Sachlage auf den anderen Fall nicht direkt zu übertragen ist. Grundsätzlich würde ich das Bedürfnis für eine anwaltliche Beratung jedenfalls nicht ausschließen.

  • Ich danke sehr!

    Vorliegend ist es ein Zivilrichter in einer verwaltungsrechtlichen Angelegenheit. Der gute alte Streit um die diskriminierende Besoldung.

  • Zitat

    Aufgrund eines atypischen Falls auch bei Klagerücknahme von der regelmäßigen Kostenfolge abgesehen und dem Beklagten die Kosten auferlegt werden.

    Rein interessehalber: Wie wurde der "atypische Fall" (ganz grob) begründet? ;)

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Pro § 155 Abs. 4 VwGO:
    VG Halle, Beschl. v. 18.12.2015 - 5 A 48/14 HAL
    VG Dresden, Beschl. v. 26.02.2016 - 11 K 1581/14
    VG Leipzig, Beschl. v. 02.03.2016 - 3 K 227/14

    Contra § 155 Abs. 4 VwGO:

    VG Meiningen, Beschl. v. 10.12.2015 - 1 K 162/14 Me
    VG Weimar, Beschl. v. 01.02.2016 - 4 K 444/15 We
    VG Chemnitz, Beschl. v. 04.02.2016 - 3 K 634/14

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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