Hat jemand im TV schon mal ...

  • ... diesen Bericht gesehen: http://www.wdr.de/programmvorsch…e-ruiniert.html

    Fand ich ja ein bisschen reißerisch, wie ist Eure Meinung? Wie oft fechten die hier vertretenen IV wirklich nach § 133 über den Zeitraum von zehn Jahren an? Das kommt bei uns eher selten vor, drei-vier Jahre schon öfter, aber letztendlich auch meistens nur gegenüber Anfechtungsgegnern, denen dann nicht die Pleite droht.

  • Eine 10jährige Anfechtung habe ich bisher meiner Erinnerung nach noch nicht gesehen. Maximum waren bei § 133 InsO 8 Jahre, bekommen hat der IV meiner Erinnerung nach ca. 4 Jahre. Aber das ist natürlich auch schon richtig viel für den Anfechtungsgegner.

    Der Ankündigungstext ist betreffend die Beweislast natürlich falsch. Mal sehen, was der Bericht tatsächlich bringt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Den Beitrag habe ich noch nicht gesehen, aber schon die Beschreibung zeigt deutlich die Marschrichtung ("Immer häufiger bedienen sich findige Insolvenzverwalter..."). Da soll wohl der Gesetzgeber wachgerüttelt und das etwas eingeschlafene Gesetzgebungsverfahren zur Änderung der Insolvenzanfechtungsregelungen (Link) wieder aufs Tapet gebracht werden.

    Zu § 133 InsO: Ich hatte bislang nur einen Fall, in dem ich die 10 Jahre gegenüber einem Finanzamt vollständig ausgereizt habe und auch in voller Höhe außergerichtlich gezahlt wurde. Ansonsten liegt der Schwerpunkt der Vorsatzanfechtung in den letzten ein bis zwei Jahren vor dem Antrag, nur selten drüber. Und die weiter zurückliegenden Sachverhalte betreffen nahezu ausschließlich Krankenkassen und Finanzämter, die schon früher einmal einen Insolvenzantrag gestellt hatten.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Da ich momentan lahmgelegt bin, hatte ich Zeit, mir das anzusehen.

    Viel Emotion, wenig Fakten, teils falsche Darstellungen der Rechtslage. Als Emotionsträger ganz nett, um mal zu veranschaulichen, was die Folgen für Anfechtungsgegner sein können. Als seriöse Reportage ein Ausfall.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Eine ähnliche Kampagne, bei der sich der Mitteldeutsche Rundfunk vor den Karren der Lobbyisten spannen ließ, gab es vor einiger Zeit schon mal.

    Ich würde die Zeitspanne, die im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO von mir durchschnittlich ausgereizt werden, auch bei ca. 2 - 3 Jahren sehen.

    @ AndreasH: Gute Besserung!

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • ...findige Insolvenzverwalter... ? Was ist daran so findig, wenn man die einem zugewiesenen Aufgaben erledigt?

    Da gab es auch noch den findigen Pizzabäcker, der auf die geniale Idee kam, die Pizza nach Belegung in einen Ofen zu schieben, statt sie kalt über den Tresen zu reichen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Da ich momentan lahmgelegt bin, hatte ich Zeit, mir das anzusehen.

    Viel Emotion, wenig Fakten, teils falsche Darstellungen der Rechtslage. Als Emotionsträger ganz nett, um mal zu veranschaulichen, was die Folgen für Anfechtungsgegner sein können. Als seriöse Reportage ein Ausfall.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Hat jemand wirklich eine sachliche Berichterstattung erwartet? Auch bei Sendungen zu anderen Rechtsgebieten (z.B. "böse" Betreuer) stehen einem doch stets die Haare zu Berg.

    Von mir auch gute Besserung. Schön, dass du trotzdem hier aktiv bist.

  • Ich habe mich heute mit einem Insolvenzverfahren beschäftigt, in dem ich zum Nachweis der Zahlungseinstellung mal eine genaue Statistik gemacht habe. Der Insolvenzschuldner hat in den letzten fünf Jahren vor dem Insolvenzantrag von verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen und dem zuständigen Finanzamt insgesamt 250 Mal qualifizierte Mahnungen (d.h. konkrete Drohungen der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen) oder Post vom zuständigen Hauptzollamt bekommen. Das heißt, wöchentlich eine Mahnung oder Zwangsvollstreckungsmaßnahme :eek:. Sieht man auch nicht alle Tage.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Den Bericht, hab ich mir grad angeschaut, fand ich klasse !
    Oki, das - vermutlich aus dramaturgischen Gründen eingefügte - Geschwurbel mit der großen Vorrede des Prozessanwalts der Müllers vor "Verkünndigung" des Ergebnisses, na ja....
    Dass mittlerweile bereits Klageentwürfe bei den Schreiben auf erstes Anforderungen mitverschickt werden, war interessant zu erfahren. Bisher war mir bekannt, dass es Anfechtungschreiben geben soll, die über 30 Seiten aus BHG-Enscheidungen ziitieren, und damit belegen wollen, dass der Anfechtungsanspruch gerechtfertigt sein soll.

    Nun ist die Anfechtung nach der InsO eine stark rechtsprechungsgeprägte Materie.
    Es ist sicherlich zu Einzelfällen gekommen, die durchaus kritischer Hinterfragung bedürfen. Daher ist der Beitrag des WDR durchaus gut, da er auf ein strukturelles Problem des Umgangs mit - vermeintlichen - Anfechtungsansprüchen hinweist. Den Ruf nach dem Gesetzgeber halte ich jedoch für verfehlt.

    Auf dem Mannheimer Insolvenztag 2015 war dies auch ein Thema, insbesondere die - ich möchte diese einmal so nennen: "Verwerfungsfälle". Solche Verwerfungsfälle lagen offenbar auch dem Beitrag des WDR zugrunde.

    Der Ruf nach dem Gesetzgeber oder eine andere Betrachtung des Anfechtungsrechs mit Bordmitteln, wie letztere Bitter mit seinem Vortrag auf der VID-Veranstaltung 2016 dargestellt hat (sorry, wg. der Vereinfachung auf Bordmittel - so hat ich den Inhalt des Vortrags verstanden) ist m.E. die Frage.
    Der Ruf nach dem Gesetzgeber ruft doch wie bereits geschehen den Finanzminister auf den Plan, um die Konkursvorrechte des Fiskus über die Hintertür wieder einzuführen (kann sich noch wer an die Einführung von 55 IV entsinnen.....)
    Selbst wenn der Gesetzeber auf 4 oder 5 Jahre bei der Anfechtung beschränken würde, wäre dies nur ein optischer Gesichspunkt, der die "Verwerfungsfälle" nicht lösen würde. Ich denke, die meisten VerwalterInnen sind selten über 3 Jahre hinausgegangen in der Anfechtung.
    Die Hauptproblematik, und dies zeigt der WDR-Beigrag sehr deutlich auf, ist, dass ein Kaufmann den anderen nicht einfach hinhängt (so eine Äußerung auf dem Mannheimer Insolvenztag 2015). Für mich sehr nachvollziehbar; aber dies reicht als Argument natürlich nicht alleine, da lass ich die Zahlung gehen, und im anderen Falle nicht. Die Äuerung gibt aber sehr gut wieder, warum die Wirtschaft überhaupt funktioniert. Wir wissen alle, wenn die Lieferung von Maschinenteilen nur noch auf Vorkasse läuft, wo ein Unernehmen steht..... (ich hab ja auch mal in Mittelstandsunternehmen ausgeholfen so während und nach der Hauptschule)
    Aber einmal darauf gewendet: was wollte denn einmal die actio pauliana: die gläiubigerschädigende Vermögensverschiebung rückgängig machen.
    Bitter hat in seinem Thesenpapier fundiert dargelgegt, dass der vermeintliche Gläubigervorteil mit dem Gegenwert zu saldieren ist (s. KTS Heft 4/2016). Die Verwerfungsfälle dürften sich bei einer Verabfolgung dieser wirtschaftlichen - und juristisch fundierten - Sicht erledigen.

    Aber mal von den Höhen des Anfechtungsrechts abgesehen (zu denen ich einzelfallbetrachtet eh nicht sinnvoll beitragen kann) :
    Im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung (spätestens !) gehe ich schon sehr kritisch mit vorschneller Mandatierung um. Die von mir oben genannten Bombardierungschreiben sind in meinem Geschäftsbereich noch nicht aufgetaucht.
    Die Anfechtung von Zahlungen an Arbeitnehmern (also so richtige Arbeitnehmer, nicht die Schickse vom GF der GmbH, die außer gut aussehen und teuer sein nix kann) kommt auch nicht vor.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Der Kollege, der die Klageentwürfe mitschickt, ist mittlerweile wohl recht bekannt (wohl auch bei Funk und Fernsehen).

    So so schlecht finde ich die Idee aber nicht. Wer bereits die Klageschrift erstellt hat, hat den Anfechtungsanspruch bis ins letzte Detail durchdacht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • ... Wer bereits die Klageschrift erstellt hat, hat den Anfechtungsanspruch bis ins letzte Detail durchdacht.


    Falls er sie überhaupt durchdacht hat und nicht nur unpassende BGH-Fundstelle an ebenfalls unpassende BGH-Fundstelle gereiht hat.:teufel:

    Vorab: Es gibt mehr vernünftige Insolvenzverwalter, als ich mir noch vor ein paar Jahren beim OLG habe träumen lassen, das habe ich ja schon an anderer Stelle betont. Und natürlich gibt es viele gute und versierte "Anfechtungsanwälte", auf beiden Seiten des Rechtsstreits. Aber es gibt eben auch einen nennenswerten Anteil von Verwaltern und/oder Anwälten (bei wem die eigentliche Verantwortung liegt, lässt sich aus meiner Perspektive oft nicht recht bestimmen), die ihre Arbeit einfach nicht machen, aus welchen Gründen auch immer.

    An (unpassenden) längeren Rechtsausführungen fehlt es eigentlich selten. Bei vielen Klagen sind die Rechtsausführungen aus mir unbekannten Gründen mittlerweile deutlich länger als der Vortag des Sachverhaltes. Wenn ich aus den vorgelegten Anlagen aber mehr und gewichtigere Indizien hervorhole, als es der Verwalter/Anwalt tut, dann stimmt doch etwas nicht. Und wenn auf Hinweise einfach nicht reagiert wird, ist es ähnlich. Leider scheint gerade bei vielen kleineren Ansprüchen das Gesetz der Wirtschaftlichkeit (nämlich die Beschränkung der Zeit, die der verantwortliche Anwalt aufwenden will) stark im Vordergrund zu stehen.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Es gibt mehr vernünftige Insolvenzverwalter, als ich mir noch vor ein paar Jahren beim OLG habe träumen lassen

    Wobei das besagte Oberlandesgericht nun nicht gerade dafür berühmt ist, sehr verwalterfreundlich zu sein.

    Okay ich habe das erst einmal getestet und den Rechtsstreit wohl nicht ganz zu Unrecht verloren.

    An (unpassenden) längeren Rechtsausführungen fehlt es eigentlich selten. Bei vielen Klagen sind die Rechtsausführungen aus mir unbekannten Gründen mittlerweile deutlich länger als der Vortag des Sachverhaltes

    Mir fällt immer wieder auf, dass einschlägige Medien, aber auch juris.de in manche Entscheidungen letztendlich etwas hinein interpretieren bzw. Leitsätze aufstellen, die in den betroffenen Entscheidungen so gar nicht vorkommen. Da muss ich allerdings sagen, dass ich Urteile nur groß quer lese, zu mehr habe ich tatsächlich keine Zeit.

    Im Übrigen ist Insolvenzanfechtung wie eine Lotterie. Welche Kriterien ein Gericht für bedeutsam hält, entscheidet sich meist erst, wenn die Tür des Sitzungssaales aufgeht. Und die Schwerpunktbildung des Gerichts muss nicht die gleiche sein, wie sie der Verwalter / Anfechtungsanwalt vorgenommen hat.

    Was die Arbeitsverteilung zwischen Verwalter und Anwalt angeht, da gibt es wohl ganz unterschiedliche Ansätze. Zwischen eigenständiger Ermittlung und reiner Prozesstätigkeit ist wohl alles denkbar. Bei mir ist es, je nachdem, was gewünscht wird, eine Mischung von Beidem.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."


  • Im Übrigen ist Insolvenzanfechtung wie eine Lotterie. Welche Kriterien ein Gericht für bedeutsam hält, entscheidet sich meist erst, wenn die Tür des Sitzungssaales aufgeht. Und die Schwerpunktbildung des Gerichts muss nicht die gleiche sein, wie sie der Verwalter / Anfechtungsanwalt vorgenommen hat.

    Wäre es nicht gerade deswegen wirklich sinnvoll, wenn der Gesetzgeber klare und nachvollziehbare Regeln aufstellen würde? Irgendwie ist es doch für alle Beteiligten nicht wirklich hilfreich, wenn die rechtliche Situation über eine Vielzahl von BGH-Urteilen und Kommentaren dazu irgendwie verwaschen und wenig greifbar rüberkommt.

    Ich habe mit dem grundsätzlichen Rechtsgedanken, der hinter der Anfechtung steckt, wirklich überhaupt kein Problem, da ich auch schon selber wiederholt von Insolvenzen betroffen war, bei denen im Hintergrund haarsträubende Verschiebungen stattgefunden hatten - und mir wirklich gewünscht hätte, dass sich da jemand die Mühe macht, etwas genauer hinzuschauen...

    Auf der anderen Seite war ich aber auch schon davon betroffen, dass man mit der faktisch existierenden Beweislastumkehr irgendwann hilflos wird, wenn 500,-€ nicht mehr als zu vernachlässigender Teil von etwa 950.000,-€ gesehen werden, weil irgendwann mal jemand etwas in einem Kommentar geschrieben hat und ein IV einfach nur genug Rauchbomben mit BGH-Urteilen und Kommentarfundstellen in den Gerichtssaal werfen muss, um den Sachverhalt zu vernebeln...

    Irgendwie wünsche ich mir, dass Gesetze vom Gesetzgeber gemacht werden und nicht von Kommentatoren oder dem BGH (beiden will ich die Kompetenz natürlich nicht absprechen - nur die legislative Funktion :D)

  • ein IV einfach nur genug Rauchbomben mit BGH-Urteilen und Kommentarfundstellen in den Gerichtssaal werfen muss, um den Sachverhalt zu vernebeln

    Wobei ich schon denke, dass ich ohne Nebel mittels vernünftiger Argumentation agiere. Und man kann doch auch "entgegen nebeln".

    [Problem ist aus meiner Sicht, dass zu viele Anwälte ohne Spezialwissen - die auf ihren Gebieten durchaus super Arbeit machen. Aber ich habe auch einen Heidenrespekt vor'm Baurecht oder Familienrecht oder ... - mit der Abwehr von Anfechtungsansprüchen befassen.]

    Im Übrigen einfach nur: :einermein

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wobei ich schon denke, dass ich ohne Nebel mittels vernünftiger Argumentation agiere.

    Wie immer war mit 'ein IV' ausdrücklich natürlich kein hier Anwesender und Mitschreibender gemeint :)
    Dass Ihr Euch von den weniger engagierten Exemplaren Eurer Gattung doch an vielen Punkten fundamental unterscheidet, ist mir auch schon aufgefallen :D


    Und man kann doch auch "entgegen nebeln"

    Ja, kann man sicher - aber irgendwie hab ich noch die romantische Vorstellung, der gesunde Menschenverstand sollte auch noch irgendwo Platz haben...
    Vielleicht verliert man die ja beim ersten oder zweiten Staatsexamen - und ich habe mit dieser Theorie auch bei einem BGH-Anwalt nur ein halb amüsiertes, halb gequältes Lächeln geerntet... :troest:


    Im Übrigen einfach nur: :einermein

    Darauf können wir uns sicher einigen:zustimm:

  • Dass Ihr Euch von den weniger engagierten Exemplaren Eurer Gattung doch an vielen Punkten fundamental unterscheidet, ist mir auch schon aufgefallen :D

    :dankescho


    Ja, kann man sicher - aber irgendwie hab ich noch die romantische Vorstellung, der gesunde Menschenverstand sollte auch noch irgendwo Platz haben... Vielleicht verliert man die ja beim ersten oder zweiten Staatsexamen

    Die romantische Vorstellung und/oder den gesunden Menschenverstand :teufel:.

    Ich wünsche allen Zuhörern und Mitlesern einen schönen Abend.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!