Unterhaltspfändung - Berechnung unpf. Betrag bei weiteren Unterhaltspflichten

  • Hallöchen liebe Forengemeinde,

    da ich neuerdings wieder die M-Sachen bearbeite, habe ich nun erstmals wieder einen ausführlicheren Beschluss zu machen.

    Ich bin über eine BGH Entscheidung "gestolpert", die mir eigentlich so überhaupt nicht zusagt --> BGH, 08.08.2010, VII ZB 101/09

    In meinem Fall pfändet Kind A.

    Der Schuldner hat aber noch 2 weitere Kinder.

    Kind B zahlt er Unterhalt in bar --> Nachweis will er mir nicht einreichen

    Kind C zahlt er den Kindergartenbeitrag.

    Gibt es eine neuere Entscheidung? Habe schon gesucht und nichts gefunden.

    Es kann doch nicht sein, dass der Schuldner Geld bekommt, obwohl er gar keinen Unterhalt zahlt.

  • Berücksichtigt wird auch, wenn ein Schuldner nicht vollständig zahlt, siehe Leitsatz des genannten Beschlusses:

    "...auch wenn der Schuldner seiner Unterhaltspflicht nicht in vollem Umfang genügt."


    Wenn er an ein Kind gar keinen Unterhalt leistet, dann natürlich keine Berücksichtigung dieser Unterhaltspflicht.

  • Berücksichtigt wird auch, wenn ein Schuldner nicht vollständig zahlt, siehe Leitsatz des genannten Beschlusses: "...auch wenn der Schuldner seiner Unterhaltspflicht nicht in vollem Umfang genügt."

    "zweifelhaft" nach BGH, Beschluss vom 17.09.2014, Aktenzeichen: VII ZB 22/13

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    @ Pittys 29: Welche Rn. der von dir zitierten Entscheidung soll zutreffend sein?<br />
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    @ Anigi: Stöber, 16. Auflage, Forderungspfändung, Rn. 1047 erklärt dein Problem sehr genau. Schon dort gelesen? :)


  • @ Pittys 29: Welche Rn. der von dir zitierten Entscheidung soll zutreffend sein?


    Hey :),

    unter Randnummer 18 nachzulesen:
    "Ob im Anwendungsbereich des § 850d Abs. 1 ZPO an der in der Entscheidung vom 5. August 2010 (VII ZB 101/09, FamRZ 2010, 1654) vertretenen Auffassung uneingeschränkt festzuhalten ist, wonach bei der Bemessung des pfandfreien Betrags die gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen des Schuldners in Höhe des dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Betrags zu berücksichtigen sind, auch wenn der Schuldner seiner Unterhaltsverpflichtung nicht in vollem Umfang genügt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Dies erscheint aus den vorstehend genannten Gründen allerdings zweifelhaft."

  • Berücksichtigt wird auch, wenn ein Schuldner nicht vollständig zahlt, siehe Leitsatz des genannten Beschlusses:

    "...auch wenn der Schuldner seiner Unterhaltspflicht nicht in vollem Umfang genügt."


    "zweifelhaft" nach
    BGH, Beschluss vom 17.09.2014, Aktenzeichen: VII ZB 22/13

    Das sind aber verschiedene Vorschriften. § 850d ZPO bestimmt die Freibeträge für weitere vor- und gleichrangige Unterhaltsberechtigte und dafür gilt halt eben die Entscheidung von 2010 und der Wortlaut des § 850d ZPO

    "Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf..."

    In der Entscheidung von 2014 ging es aber um die Vorschrift des § 7 UVG und da heißt es (anders als in § 850d ZPO)

    "Der Übergang eines Unterhaltsanspruchs kann nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden, soweit dieser für eine spätere Zeit, für die er keine Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz erhalten hat oder erhält, Unterhalt von dem Unterhaltspflichtigen verlangt."

  • Das sind aber verschiedene Vorschriften. § 850d ZPO bestimmt die Freibeträge für weitere vor- und gleichrangige Unterhaltsberechtigte und dafür gilt halt eben die Entscheidung von 2010 und der Wortlaut des § 850d ZPO

    "Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf..."

    In der Entscheidung von 2014 ging es aber um die Vorschrift des § 7 UVG und da heißt es (anders als in § 850d ZPO)

    "Der Übergang eines Unterhaltsanspruchs kann nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden, soweit dieser für eine spätere Zeit, für die er keine Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz erhalten hat oder erhält, Unterhalt von dem Unterhaltspflichtigen verlangt."

    Ich will nicht ausschließen, dass ich die Entscheidung des BGH aus 2014 falsch lese bzw. falsch verstehe. Aber:


    Unter Randnummer 17 behandelt der BGH zunächst den hier einschlägigen Anwendungsbereich des § 7 UVG.
    Dabei diffenziert er ausdrücklich zwischen Anwendungsbereich § 7 UVG und Anwendungsbereich § 850 d ZPO, vgl.
    "Die vom Beschwerdegericht vertretene gegenteilige Auffassung kann demgegenüber auch nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, der unmittelbar Unterhaltsberechtigte müsse – wie im Anwendungsbereich des § 850d ZPO – [...]".


    Unter Randnummer 18 beginnt der BGH sodann mit der Formulierung "Ob im Anwendungsbereich des § 850d ZPO".
    Meines Erachtens beziehen sich seine Zweifel in dem Absatz daher nicht ausschließlich auf die Fälle, in denen der § 7 UVG anzuwenden ist, sondern eben auch auf den Anwendungsbereich des § 850 d ZPO.


    Sodann stellt er in Frage, ob an der Entscheidung des BGH von 2010 festzuhalten ist. Der BGH hat in der Entscheidung von 2010 einen klassischen Unterhaltsberechtigten gehabt, auf den § 850d ZPO anzuwenden war. § 7 UVG war für den BGH nicht von Bedeutung.
    Wenn aber, wie du ausführst, die unterschiedliche Vorgehensweise aus der Anwendung des § 7 UVG resultiert, den der BGH in der Entscheidung von 2010 gar nicht thematisiert hat, ist für mich nicht verständlich, warum an der Entscheidung von 2010 ggf. nicht uneingeschränkt "festzuhalten" ist. Die Entscheidung von 2010 wäre doch dann völlig okay und würde sich nicht mit der aus 2014 beißen.

    LG


  • Ich lese es auch so, also dass der BGH in Rn. 17 Zweifel an der Entscheidung von 2010 mitteilte, dies aber letztlich mangels Feststellungen zu teilweisen Unterhaltszahlungen durch den Schuldner nicht entscheidungsrelevant war.

    Hier noch einmal der entsprechende Passus:

    "Ob im Anwendungsbereich des § 850d Abs. 1 ZPO an der in der Entscheidung vom 5. August 2010 (VII ZB 101/09, FamRZ 2010, 1654) vertretenen Auffassung uneingeschränkt festzuhalten ist, wonach bei der Bemessung des pfandfreien Betrags die gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen des Schuldners in Höhe des dem Unterhaltsberechtigten zustehenden Betrags zu berücksichtigen sind, auch wenn der Schuldner seiner Unterhaltsverpflichtung nicht in vollem Umfang genügt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Dies erscheint aus den vorstehend genannten Gründen allerdings zweifelhaft."

  • Die Anträge von Jugendämtern nach § 850d ZPO sind immer wieder spannend. :cool: Ich würde mich über eure Meinungen zu folgendem Fall freuen:


    Beantragt wird ein Pfüb wegen Unterhaltsrückstandes für einen Zeitraum vom ... bis September 2011 (!), DS ist der Arbeitgeber.

    UVG wurde für zwei Kinder gezahlt, Titel jeweils im vereinfachten Verfahren ergangene Beschlüsse (und natürlich entsprechende Klauseln für das Bundesland usw.).

    Im Pfüb-Antrag wurden die Leistungen für beide Kinder addiert und ein Gesamtbetrag angegeben (ohne separate Auflistung o. ä.) Eines der Kinder ist inzwischen volljährig. Über weitere Kinder verfügt der Schuldner anscheinend nicht.

    (Im Anschreiben wird mitgeteilt, dass der Schuldner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebe und der gewünschte Pfändungsfreibetrag entsprechend niedriger berechnet.)

    Zudem soll die Berücksichtigung einer laufenden Unterhaltszahlung von 100,- € erfolgen, da der Schuldner an das noch minderjährige Kind monatlich laut seiner Vermögensauskunft 100,- € leiste. Von dieser wurde auch eine Kopie beigefügt, stammt bereits von April 2016. Beide Kinder leben bei der Kindesmutter.

    Nun kommen mir aufgrund des BGH-Beschlusses von 2010 Zweifel, ob nicht eigentlich das minderjährige Kind nach § 7 UVG als vorrangig bezüglich seines laufenden Unterhaltes anzusehen ist. Daher müsste man doch den Mindestunterhalt (abzgl. hälftiges Kindergeld?) berücksichtigen und nicht nur die geleisteten 100,- €? (also quasi im Pfüb den Betrag für den Schuldner selbst sowie zusätzlich x EUR monatlich zur Erfüllung seiner laufenden...Unterhaltspflichten, die dem Schuldner vorgehen.) :gruebel:


    (Auch wenn es für die Entscheidung keine Rolle spielen sollte: Sofern das in der Vermögensauskunft genannte Einkommen noch stimmt, würde sich für das Jugendamt bei Berücksichtigung des Mindestunterhaltes statt nur der 100,- € wohl gar kein pfändbarer Betrag ergeben.)

  • Ich persönlich habe, ähnlich wie der BGH 2014, erhebliche Bedenken gegen die 2010er Entscheidung.

    Soweit ich weiß, werden auch von den Kollegen hier nur tatsächlich gezahlte Beträge angesetzt.

    Wäre dies nicht der Fall, wäre einziger Profiteur der Schuldner. Denn er wird seine 100,- EUR Zahlung kaum auf den Regelunterhalt aufstocken.

    Diese Meinung ist jedoch natürlich streitig, darüber bin ich mir im Klaren. Auf der BGH Seite konnte ich leider auch kein aktuelles Verfahren diesbezüglich finden.

    Meiner Meinung nach ist die Entscheidung aus 2010 einfach nur lebensfremd.


    Ich würde also lediglich die 100,- EUR zusätzlich anerkennen.

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Ich persönlich habe, ähnlich wie der BGH 2014, erhebliche Bedenken gegen die 2010er Entscheidung.

    Welche Entscheidung meinst du mit "ähnlich wie der BGH 2014"?

    Die 2010er meint sicherlich, dass die U-Pflicht zu berücksichtigen ist, wenn der Schuldner auch nur einen Euro Unterhalt gewährt.

  • korrekt, die beiden meinte ich. (danke!)

    In Randnummer 22 der letztgenannten ist folgende Argumentation zu finden:

    "Gewichtige Gründe sprechen insoweit allerdings für die in der Kommentarliteratur ganz überwiegend vertretene Auffassung, wonach die Gewährung eines erhöhten Pfändungsfreibetrags nach § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht in Betracht kommt, wenn feststeht, dass der Schuldner tatsächlich keine Unterhaltsleistungen an den bevorrechtigten Unterhaltsgläubiger erbringt (vgl. Musielak/Becker, ZPO, 11. Aufl., § 850d Rn. 7; PG/Ahrens, ZPO, 6. Aufl., § 850d Rn. 29; Wieczorek/ Schütze/Lüke, ZPO, 3. Aufl., § 850d Rn. 36 f.; MünchKommZPO/Smid, 4. Aufl., § 850d Rn. 25; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850d Rn. 22; Schuschke/ Walker/Kessal-Wulf, ZPO, 5. Aufl., § 850d Rn. 8; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1091)."

    Daraus ergibt sich: wenn ich weiß, der Unterhaltsschuldner zahlt 0, kriegt er 0 Freibetrag mehr´.
    Im Umkehrschluss dann ganz einfach: wenn ich weiß, der Unterhaltsschuldner zahlt 100, krieg er 100 Freibetrag mehr.

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  • Umkehrschluss könnte allerdings auch volle Berücksichtigung des Freibetrages (Mindestunterhaltes) bei Vorrang bedeuten, da lt. genannter Entscheidung gilt: keine Zahlung, damit keine Berücksichtigung eines erhöhten Freibetrages => Umkehrschluss Zahlung erfolgt, also Anspruch auf Berücksichtigung des erhöhten Freibetrages

    Die Entscheidung des BGH von 2014 lässt sich über den Fall einer Teilzahlung des geschuldeten Unterhaltes nicht aus. Nach dem älteren Beschluss von 2010 genügt eben wohl auch die teilweise Zahlung, um den erhöhten Pfändungsfreibetrag voll berücksichtigen zu können.

  • Und wider hadere ich mit dem BGH und mit mir in folgendem Fall:

    Pfüb beantragt durch Unterhaltsvorschusskasse für UV-Rückstände eines Kindes, Drittschuldner Arbeitgeber

    Angabe im Antrag: Schuldner hat zwei Kinder und zahlt aktuell an beide jeweils Unterhalt in Höhe des UV-Betrages


    Wie würdet ihr die Höhe des pfandfreien Betrages auf S. 9 angeben/berechnen?

  • @ Matze:

    Danke für deinen Beitrag.

    Mit den 2/3 habe ich schon einmal ein Problem, da die UV-Kasse kein drittes Kind wird. Der Schuldner selbst hat zwei Kinder.
    Wenn ich dem Schuldner zusätzlich zwei Drittel zugestehe, kann es dennoch - bei einem entsprechend niedrigen Einkommen - dazu führen, dass die laufende Unterhaltszahlung an beide Kinder nicht fortgeführt werden kann.

    Auch wegen des Nachrangs der UV-Rückstände (§ 7 UVG) müsste ich den laufenden Unterhalt der Kinder aus meiner Sicht vorangig behandeln.
    Dabei stellt sich die Frage, ob Betrag X für den Schuldner zzgl. der konkreten Barunterhaltszahlungen oder gar in voller Höhe des Mindestunterhalts (abzüglich des hälftigen Kindergelds) wegen BGH, 05.08.2010 - VII ZB 101/09

    Über weitere Meinungen würde ich mich jedenfalls freuen.

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