Gegenseitige Erbeinsetzung

  • Hallo liebe Kollegen.

    Ich habe den zweiten Sterbefall eines kinderlosen Ehepaars.
    Es liegt ein Erbvertrag aus 1961 vor, mit welchem die Eheleute sich gegenseitig zu Erben bestimmten und angeordnet haben dass "sie dem Überlebenden von ihnen keinerlei Auflagen machen wollen. Dieser soll vielmehr über sein Vermögen frei verfügen können, sowohl unter Lebenden als auch auf den Todesfall". Weiter ist nichts verfügt.

    Die Ehefrau hat damals das Erbe nach ihrem Mann angenommen.
    Sie hat nun ein handschriftliches Testament errichtet, mit welchem sie einen Neffen des Mannes als Erben einsetzte.

    Die Erblasserin war kinderlos. Ihr zuerstverstorbener Ehemann hatte aus erster geschiedener Ehe eine Tochter.

    Ich bin nun zufällig auf die Rechtsprechung des BayObLG gestoßen, wonach dieses öfters schon entschied, dass bei einer Erbeinsetzung eines Ehegatten, welcher vorverstorben ist, im konkreten Einzelfall im Wege einer ergänzenden Testamentsauslegung eine Ersatzerbeneinsetzung der Kinder des Ehegatten, hier der Stieftochter, angenommen werden könnte.
    Ich habe ehrlich gesagt, immer gedacht, dass bei einer reinen gegenseitigen Erbeinsetzung der Erbvertrag beim zweiten Sterbefall gegenstandslos werden würde. Ich kenne das auch so von anderen Gerichten.

    Wie handhabt Ihr das?
    In meinem Fall ist aber auf jeden Fall der Neffe der Erbe, da ja im Erbvertrag eine freie Testierfreiheit dem überlebenden Ehegatten eingeräumt wurde, oder?

  • Wie du selbst richtig feststellst, ist das nicht dein Fall, hier braucht man keine ergänzende Auslegung, hier ist alles klar. Neffe ist eingesetzt und Überlebender war dazu berechtigt. Ich würde nie auf die Idee kommen, hier die Stieftochter in irgend einer Weise einzubeziehen.

  • angeordnet haben dass "sie dem Überlebenden von ihnen keinerlei Auflagen machen wollen. Dieser soll vielmehr über sein Vermögen frei verfügen können, sowohl unter Lebenden als auch auf den Todesfall". Weiter ist nichts verfügt.


    Wie eindeutig soll man denn noch schreiben, dass man gerade nicht irgendwen als Schlußerbe bestimmen wollte (und damit die ergänzende Auslegung, die das BayObLG -R.I.P.- so gerne vornimmt, ausschaltet)?

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Generell habe ich jedoch eine Frage bezüglich der Verfahrensweise in anderen Verfahren:

    Ich habe jahrelang, wie auch andere Gerichte, es so gehandhabt, dass für mich ein gemeinschaftliches Testament oder ein Erbvertrag, welches/welcher nur eine wechselbezügliche bzw. vertragsgemäße gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute enthält, beim zweiten Sterbefall nicht eröffnet habe und die Verfügung für gegenstandslos erachtet habe. Der überlebende Ehegatte war in seiner Verfügung frei.

    Die im Palandt unter § 2069 BGB Randziffer 10 zitierte Rechtsprechung, wonach eine Ersatz-Berufung angenommen wurde bzw. hinterfragt wurde auch bei der Einsetzung des Ehegatten (BayObLG 88, 165; BayObLG vom 08.02.1996), irritiert mich nun sehr.
    Es kann doch nicht sein, dass obige rechtliche Handhabung, welche auch m.E. alle anderen Gerichte so vornehmen, falsch ist.

    Ich habe nun versucht, in den Online-Datenbanken eine Lösung zu finden, jedoch wird hierbei immer davon ausgegangen, dass eine Schlusserbeneinsetzung getroffen wurde. Für den Fall, was ist, wenn Ehegatten sich gegenseitig zu Erben einsetzen und der 2. Sterbefall eintritt, habe ich nichts Passendes gefunden.

    Vielleicht hat jemand eine Lösung mein Gedankenwirrwarr zu lösen :)

    Vielen Dank im Voraus.

  • Oft ist ein Widerruf beider Testierer in Bezug auf ältere Verfügungen von Todes wegen enthalten. Dann wäre stets zu eröffnen.

    Ansonsten wird man schon Anhaltspunkte im Wortlaut des Testaments brauchen, die auf ein Verfügen auch des überlebenden hindeuten. Bei rein gegenseitiger Alleinerbeinsetzung ohne Widerruf der bisherigen Verfügungen wird es nichts zu eröffnen geben.

    Diese Widerrufstestamente wurden allerdings auch häufig nicht besonders wiederverwahrt und auch nicht den Stamdesämtern und dem ZTR gemeldet. Somit dürften sie häufig auch nicht eröffnet werden.

  • In solchen Fällen gibt es nichts wiederzuverwahren und auch nichts zu registrieren, weil die generelle Annahme, dass im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung - also im absoluten Ausnahmefall - eine Ersatzerbenberufung enthalten sein könnte, zunächst auf reiner Spekulation beruht. Zudem besteht auch nicht die Gefahr, dass das gemeinschaftliche Testament beim zweiten Sterbefall "untergeht", weil man ohnehin immer stets die Ehegattenvorakten beizieht. Und wenn beim zweiten Sterbefall dann eine Berufung auf eine vorgebliche ergänzende Testamentsauslegung kommt, kann man nach dem überlebenden Ehegatten immer noch eröffen.

  • Wer das nicht tut, ist selbst schuld. Man kann - sei es im Erbscheins-, sei es im Eröffnungsverfahren - nicht den Rechtsschein einer bestimmten eingetretenen Erbfolge in die Welt setzen, ohne vorher überprüft zu haben, ob die vorliegende einseitige letztwillige Verfügung des überlebenden Ehegatten von einer etwaigen Bindung aus einer gemeinschaftlichen Verfügung der Ehegatten tangiert wird.

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