Genehmigung nach § 112 BGB

  • Hallo liebe Forengemeinde!

    Mir liegt ein Antrag der Kindeseltern auf Genehmigung der Ermächtigung nach § 112 BGB vor. Das Kind ist 16 (fast 17) und beabsichtigt, ein Erwerbsgeschäft zu führen. Businessplan ist ausgearbeitet und wird demnächst eingereicht.

    Nach Durchsicht einiger Kommentare ist es zur Ermittlung der Genehmigungsfähigkeit erforderlich, festzustellen, ob der Jugendliche die nötige Reife besitzt und die Konsequenzen des Ganzen überschaut (keine Haftungseinrede nach Eintritt der Volljährigkeit pp). Hierzu können - neben der definitiv notwendigen persönlichen Anhörung - auch Bezugspersonen wie Lehrer/Ausbilder angehört werden.

    Meine Frage an euch: Hattet ihr schonmal einen solchen Antrag vorliegen?
    Wie ist eure Herangehensweise?

    Mein Plan ist es, nach Vorlage des Businessplans erstmal die Jugendliche selbst anzuhören und hierbei auf Risiken hinzuweisen sowie die mir die "Alltagsgestaltung" im Hinblick auf schulische Verpflichtungen etc. darlegen zu lassen. Ferner beabsichtige ich, in diesem Termin ein paar wirtschaftliche Fragen zu stellen, über die ich mir erst nach Kenntnis des Businessplans eingehend Gedanken machen kann.
    Eine persönliche Anhörung der Kindeseltern werde ich auch vornehmen, um mir die Motive und Überlegungen zur Ermächtigung erörtern zu lassen.
    Letztlich werde ich die derzeit besuchte Schule und das örtliche Jugendamt um eine schriftliche Stellungnahme bitten.

    Habt ihr weitere Anregungen (oder vielleicht sogar Erfahrungswerte) für mich?

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!


  • Habt ihr weitere Anregungen (oder vielleicht sogar Erfahrungswerte) für mich?

    Habe bislang zwei solche Verfahren gehabt. Ein Antrag wurde zurückgenommen, einer zurückgewiesen.

    Im Anhörungstermin würde ich konkrete Fragen zu möglichen Haftungsrisiken, steuerlicher Behandlung, evtl. behördlichen Genehmigungsbedürfnissen stellen. Wenn dann keine schlüssigen Antworten kommen, muß man wohl davon ausgehen, daß der Mdj. nicht genau weiß, was er da tut und auch das Risiko nicht überblicken kann.

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Mein Plan ist es, nach Vorlage des Businessplans erstmal die Jugendliche selbst anzuhören und hierbei auf Risiken hinzuweisen sowie die mir die "Alltagsgestaltung" im Hinblick auf schulische Verpflichtungen etc. darlegen zu lassen. Ferner beabsichtige ich, in diesem Termin ein paar wirtschaftliche Fragen zu stellen, über die ich mir erst nach Kenntnis des Businessplans eingehend Gedanken machen kann.
    Eine persönliche Anhörung der Kindeseltern werde ich auch vornehmen, um mir die Motive und Überlegungen zur Ermächtigung erörtern zu lassen.
    Letztlich werde ich die derzeit besuchte Schule und das örtliche Jugendamt um eine schriftliche Stellungnahme bitten.

    Habt ihr weitere Anregungen (oder vielleicht sogar Erfahrungswerte) für mich?

    Das hört sich schon mal nicht schlecht an :daumenrau
    Mit Erfahrungswerten kann ich auch dienen ; z.B. solchen aus der Suchfunktion ;)
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ghlight=112+BGB

    Nicht schlecht fühlen sich dort z.B. #44 u. #55 an.

  • Hatte bislang folgende Fälle:

    Antrag bei Gewerbe als

    - Fotomodell (genehmigt)
    - Softwareunternehmen (3 x genehmigt, jeweils Einmannbetrieb)
    - Vorturner im Tanzstudio (abgelehnt mangels Verweigerung Erste-Hilfe-Kurs bzw. Sporttrainerschein, Tanzstudio-Inhaberin außerdem finanziell am Ruin - wollte sich Sozialkosten sparen)
    - Gebrauchtwagenhandel und -Reparatur (abgelehnt, 17jähriger hatte keinen blassen Schimmer von ehrlicher Tätigkeit in der Branche, seine "Lehrmeister" wären seine als Autobumser verurteilten Verwandten gewesen; mit 18 hat er sich dann doch selbständig gemacht, mit 19 war er dann insolvent und musste sich vor dem Strafgericht verantworten)
    - DJ (abgelehnt, da in Schule eher wackelige Noten)
    - Photovoltaikanlage (ohne Entscheidung; aus Gründen der wackeligen Finanzierung so lange verzögert, bis Kind volljährig war; das Kind konnte mir im Rahmen der Anhörung auch nicht wirklich in seinen Worten schildern, was sein Unternehmen da so macht und wo die Chancen und Risiken liegen)

    Habe bei allen folgendes verlangt:
    - Vorlage Businessplan
    - Vorlage Teilnahmebescheinigung IHK-Existenzgründungsseminar (wird mindestens 1 x mtl. angeboten, Eintagesseminar, 20 - 30 € Kosten, vom bayerischen Wirtschaftsministerium unterstützt)
    - Stellungnahme Eltern, Schule, Jugendamt
    - ggf. weitere Nachweise, je nach Haftungsrisiko z. B. Erste-Hilfe-Kurs, Sporttrainerschein


    Letztlich bin ich schon überzeugt, dass die Eltern grundsätzlich wissen, was sie ihren Sprösslingen zutrauen können. Wenn die Haftungsgefahr zu groß scheint, lehne ich aber ab. Das können Haftungen sein aus vertragsrechtlichen, steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Gründen aber eben auch wie bei der Tanzlehrerin aus Gründen der erweiterten Garantenstellung. Es ist aber immer Einzelfallprüfung. Meine Bilanz ist überwiegend ablehnend, obwohl ich tendenziell aufgeschlossen bin.

    Neben diesen offiziellen Anträgen gab es zuhauf Vorabanfragen, die sich dann schnell erledigten, als sie merkten, dass es keine pro-forma-Bescheinigung ist, die das Familiengericht erteilt, sondern dass wir sie sehr ernst nehmen.

  • Vielen lieben Dank für eure Antworten! Das hilft mir definitiv sehr viel weiter :)

    Nach meinem Eindruck bei der Antragsaufnahme wissen die (getrennt lebenden) Eltern nicht wirklich, worum es da genau geht und was durch uns alles geprüft werden muss. Ich bin gespannt, wie der Businessplan aussieht und lasse mich mal überraschen, wie auch die Anhörungen aussehen werden.

    In puncto IHK-Existenzgründerseminar mach ich mich mal schlau, ob das in NRW auch angeboten wird (klingt nach einer guten Sache und halte ich für sehr wahrscheinlich) :daumenrau

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

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  • Interessant mal diesen Thread zu lesen. Ich hatte nämlich in den vielen Jahren noch nicht einen einzigen Fall dieser Art. Ich wäre da ohnehin etwas zurückhaltender, weil für mich in diesem Alter erst mal eine gute Ausbildung primär wäre, praktisch als Vorbereitung für die vielen Jahre im Leben, in denen man richtig Geld verdienen kann/muss.
    Ich plage mich hingegen immer wieder mit solchen Fällen rum: Großmutter will Vormund werden, ihre Tochter bekommt mit 16 selbst schon ein Kind, ist Monate in keine Schule mehr gegangen, schlechter Umgang, Beziehungen zum Drogenmilieu ... das stehe ich immer wieder vor der Frage, ob diese Frau tatsächlich als Vormund geeignet ist, wenn sie bei ihrer eigenen Tochter schon das meiste falsch gemacht hat.

  • Häufig kommen diese Anträge bei mir auch nicht vor - zum Glück, weil sie schon sehr prüfungsaufwendig sind. Andererseits waren es aber auch immer fachlich interessante Verfahren.

    Häufig steht auch gar nicht so sehr die Gewinnerzielung im Vordergrund, sondern das Sammeln von Erfahrungen. Mein (männliches) Fotomodell wollte neben der Schule einfach ein bisschen modeln. Seine Noten waren super und er auch schon fast mit Schule fertig. Da hatte ich keine Bedenken. Habe mich sogar gefreut, ihn kurz darauf in einer Werbung für ein Luxuslabel im Ze*t-Magazin zu sehen.

    Bei meinen Softwarespezialisten war es auch eher so, dass sie sich ausprobieren wollten. Der finanzielle Einsatz war äußerst gering. Die eingegangenen Gewinne waren eher Mitnahmeeffekt. Ein Freund von mir war auf der Schule auch schon IT-Profi, der eigene Programme entwickelt und übers Internet vertrieben hat; später studierte er dann Informatik, promovierte auch darin, arbeitete bei SA* und versucht sich nun wieder selbst bei einem Startup - dieses leuchtende Vorbild hat mich natürlich auch geprägt.

    Ich persönlich finde es auch toll mitzukriegen, was "die Jugend", über die viele so gerne schimpfen*, teilweise so pfiffiges anstellt. Da habe ich auch schon Musterschüler dabeigehabt, die bei Matheolympiaden weit gekommen sind oder die schon andere Preise abgeräumt haben und nun etwas Erfahrungen mit Selbständigkeit sammeln wollen. Bei diesen Musterschülern stand die Genehmigungsfähigkeit auch schnell fest, die waren auch mit 16 oder 17 in vielem reifer als manch andere mit Mitte zwanzig oder Mitte dreißig.

    *"Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten soll. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer."
    Sokrates (470 - 399 v. Chr.)

    Aber natürlich habe ich auch - und das viel öfter - auch die Teile der Gesellschaft, die nun nicht gerade als Musterschüler durchgehen. Da sind dann auch die 38jährigen Omis als Vormund für die Enkel und viele andere. Gerade im Rahmen der Rechtsantragsstelle tauchen ja immer wieder "Perlen" des prallen Lebens auf. Umso schöner, wenn man es zur Abwechslung auch mal mit echten Musterknaben und -knabinnen zu tun hat.

  • Ich plage mich hingegen immer wieder mit solchen Fällen rum: Großmutter will Vormund werden, ihre Tochter bekommt mit 16 selbst schon ein Kind, ist Monate in keine Schule mehr gegangen, schlechter Umgang, Beziehungen zum Drogenmilieu ... das stehe ich immer wieder vor der Frage, ob diese Frau tatsächlich als Vormund geeignet ist, wenn sie bei ihrer eigenen Tochter schon das meiste falsch gemacht hat.


    Diese Fälle erledigen sich hier zu 80% mit der Stellungnahme des Jugendamts, bislang nur einmal habe ich dann tatsächlich die Mutter der jungen Mutter genommen.

    Zum Ausgangsfall: Meist sind es so Nebenher-Jobs, wo meist das Gewerbeamt auf der Genehmigung besteht, damit das Gewerbe angemeldet und ausgeübt bzw. steuerliche Verlustvorträge geltend gemacht werden können. Ein einziges Mal hatte ich jemanden, der mit der Schule gerade fertig war und das jetzt als Hauptjob (im Profisport) macht. Ich höre mir Eltern und Kinder über den Job an, warum sie das machen wollen und in welchem Umfang, wie es in der Schule läuft und wie die Zukunftsplanung so gedacht ist. Dabei hatte ich freilich das Glück, dass so komische Fälle wie bei Ivo (bislang?) nicht dabei waren.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Zum Ausgangsfall: Meist sind es so Nebenher-Jobs, wo meist das Gewerbeamt auf der Genehmigung besteht, damit das Gewerbe angemeldet und ausgeübt bzw. steuerliche Verlustvorträge geltend gemacht werden können. Ein einziges Mal hatte ich jemanden, der mit der Schule gerade fertig war und das jetzt als Hauptjob (im Profisport) macht. Ich höre mir Eltern und Kinder über den Job an, warum sie das machen wollen und in welchem Umfang, wie es in der Schule läuft und wie die Zukunftsplanung so gedacht ist. Dabei hatte ich freilich das Glück, dass so komische Fälle wie bei Ivo (bislang?) nicht dabei waren.

    Ja, das dürfte in meinem Fall auch zutreffen (der Businessplan liegt mir allerdings noch nicht vor).
    Was für einen Einfluss hat das auf deine Entscheidung? Bzw. eher: Hat das überhaupt einen mitteilenswerten Einfluss auf deine Entscheidung?

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

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  • Der Businessplan ist erst mal die Grundlage für Weiteres: Welcher Unternehmensgegenstand liegt vor, wie groß soll das Ganze aufgezogen werden, sollen weitere Angestellte eingestellt werden, soll Fremdkapital aufgenommen werden etc.

    Wenn der Plan eher aus Lücke denn aus Substanz besteht, ist das schon mal ein schlechtes Anzeichen, dann fehlt es wohl an der Ernsthaftigkeit.

    Ist der Businessplan hingegen ordentlich, kommt es dann auf die Anhörung des Umfelds drauf an: Was sagen der Betroffene, die Eltern, die Schule, das Jugendamt dazu?

    Es sind alles Einzelfallentscheidungen. Besonderes Augenmerk sind bei mir immer die Reife des Jugendlichen und die Haftungsrisiken.

  • Na ja, beteiligen kann man das Jugendamt schon, denke ich (§ 162 Abs. 1 FamFG lässt da schon ein bisschen Interpretationsspielraum zu der Frage, was Angelegenheiten sind, die (auch) die Person des Kindes beteffen), vor allem dann, wenn das Kind noch zur Schule geht.

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Inwiefern ist das Jugendamt bei Verfahren der Vermögenssorge Beteiligter nach dem FamFG ?

    Von Beteiligten ist m.E. nicht zwingend die Rede. Aber eine (schriftliche) Anhörung erscheint vorliegend zweckdienlich. Dadurch wird das JA nicht zum Beteiligten, § 7 Abs. 6 FamFG.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

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    Einmal editiert, zuletzt von Patweazle (2. Mai 2017 um 09:10) aus folgendem Grund: Ergänzung aufgrund Noatalbas Beitrag

  • Der § 7 VI FamFG passt bereits deshalb nicht , weil das Jugendamt vorliegend nicht zwingend anzuhören ist..
    Wenn überhaupt , dann kann eher in Richtung Noatalba gedacht werden.
    Ein Zwischending ( oder soll ich besser sagen:gruebel: : Unding ) ist m.E. für das Jugendamt nicht möglich .

  • Mir geht es bei der Anhörung des Jugendamts auch weniger darum, dass mir Erhellendes zur Vermögenssorge mitteilen. Mir geht es eher darum, dass sie mir vielleicht aufgrund sonstiger Befassung des Jugendamts, z. B. im Rahmen der Jugendgerichtshilfe oder aufgrund sonstiger Eingaben etwas mitteilen können.

    Im Regelfall kommt da nichts heraus. Die Ausnahmefällen haben es dafür in sich.

  • Könnte er. Allerdings sehe ich nicht das Problem, Auskünfte vom Jugendamt einzuholen, wenn ich eine familiengerichtliche Genehmigung zu prüfen habe, muss ich gestehen...
    Wenn schon, denn schon: Es wurde auch vorgeschlagen, Auskünfte von Bezugspersonen (Lehrern,...) einzuholen, die unstreitig keine Beteiligten des Verfahrens sind. M.E. muss derjenige, von dem ich meine Informationen erbitte, kein Beteiligter am Verfahren sein (das würde sonst eine lange Latte an formell Beteiligten bei Genehmigungsverfahren wegen Erbausschlagungen bedeuten).
    § 26 FamFG erlaubt mir das ;)

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

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  • Ich habe hier gerade eine elterliche Genehmigungserklärung liegen, in der u.a. heißt:
    "Einschränkung: Rechtsgeschäfte über 300 € bedürfen der Gegenzeichnung mind. eines Elternteiles, in diesem Fall stehen die Unterzeichner als Bürgen ein."

    Bislang bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass der erste Halbsatz gegen § 112 BGB verstößt ("unbeschränkt geschäftsfähig") und der zweite mir egal sein kann.

    Meinungen?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Entweder Ermächtigung nach § 112 BGB oder nicht. Das, was die Eltern hier versuchen, halte ich für von der Vorschrift nicht gedeckt.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

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