• Um einmal historisch den § 1811 BGB zu betrachten, damit tatsächlich einmal mehr belegt werden kann, dass auch andersartige Anlagen vom Gesetzgeber ausdrücklich erwünscht sind:

    "Die ursprüngliche Fassung des § 1811 BGB sah eine anderweitige Anlegung als die in § 1807 BGB nur vor, wenn besondere Gründe dies geboten. Unter besondere Gründe waren nur solche zu verstehen, die mit der in Frage stehenden [Vormundschaft] zusammenhingen und die wirtschaftlich günstige Gelegenheit zu nutzen, wenn zum Mündelvermögen Aktien gehören. Dagegen lehnten es die Gerichte ab, Mündelvermögen andersartig anzulegen, nur weil die Zinserträge aus der mündelsicheren Anlage oder die Kursstände der mündelmäßigen Wertpapiere zu niedrig seien; auch die Entwertung der Mark nach dem Ersten Weltkrieg stellte keinen besonderen Grund zur andersartigen Anlage des Mündelvermögens dar.

    Mit dem rasch fortschreitenden Verfall der deutschen Währung nach dem Ersten Weltkrieg musste der Gesetzgeber handeln, um weiteren Schaden am Mündelvermögen zu verhindern. So kam es, dass nach einem Entwurf des Reichsministers der Justiz vom 13.06.1923 bereits am 16.06.1923[!] die Änderung des § 1811 BGB n.F. in der heute vorkommenden Form angenommen wurde. Das Gesetz strich die Worte „aus besonderen Gründen“ aus dem § 1811 BGB und fügte Satz 2 an, sodass die Erlaubnis zur andersartigen Anlegung nur verwehrt bleibt, wenn die Anlage in keinem Fall entspricht."

    Zur Genehmigungsfähigkeit würde ich wohl in solchen Fällen - unabhängig von der Pflicht zur Wahrnehmung der Rechte des Betreuten durch einen Dritten - einen Sachverständigen im Sinne des § 26 FamFG bestellen, wenn ich selbst von dem abzuschließenden Rechtsgeschäft keine Ahnung habe. In jedem Fall kann es nicht sein, dass sich die Gerichte davor scheuen, überhaupt solche Verfahren anzufassen, vgl. zur Pflichtwidrigkeit des Betreuers bei Handeln zum Schaden des Betreuten - Link von Wolf in #21.

    Insoweit ist die weltwirtschaftliche Situation ja tatsächlich eine andere und günstiger, als sie noch im Jahre 2009 der Fall war (Stichwort: Lehman Brothers Pleite), sodass eine liberale Betrachtung zum § 1811 BGB in jedem Fall geboten ist.

    2 Mal editiert, zuletzt von Sersch (26. April 2017 um 15:31) aus folgendem Grund: Dem "Wunsch" von #23 entsprochen und nach #26 bekräftigt :)


  • ...
    Insoweit ist die weltwirtschaftliche Situation ja tatsächlich eine andere und günstiger, als sie noch im Jahre 2009 der Fall war (Stichwort: Lehman Brothers Pleite),...

    OT: Unter Beachtung der Kurse 2009 und heute war es damals eigentlich günstiger, einzusteigen. Die grundsätzlichen Bedenken von Uschi ua kann ich ja nachvollziehen, nicht aber die absolute Folge für die Arbeit. Unter Beachtung des aktuellen Zinsniveaus gibt es aber dennoch eigentlich keine Alternativen.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • ...

    Und das soll man als nicht fachkundiger (Fach-)Jurist sortieren, bewerten und genehmigen ... Man kann, aber es erfordert viel Interesse gerade an dieser Sache (andere spielen z.B. lieber Fußball, treffen sich mit Freunden o.ä.) und eine nicht unerhebliche Einarbeitungszeit.

    Und daher ist m.E. ab einer gewissen Größenordnung die Einschaltung eines Profis gerechtfertigt. und wenn die sich lohnende Größenordnung nicht erreicht wird, sollte man eher die Finger insgesamt davon lassen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Hallo Leute,

    ich kann aus eigener Erfahrung ebenfalls nur bestätigen, dass man ohne ein Gutachten eines Experten bei der Beteiligung von Fonds und Wertpapieren nicht aus kommt. Sich selbst in diese Materie einzuarbeiten? Never - selbst wenn man sich einen groben Überblick verschaffen kann, erreicht man nicht ansatzweise die Fachkenntnis um eine fundierte Bewertung der Anlage vornehmen zu können, zumal jeder Fall dann wieder anders sein kann und das kann von keinem erwartet werden. Wird es ja auch nicht, denn wenn das Gericht keine eigene Fachkenntnis hat, lässt es sich bekanntlich halt sachverständig beraten. Das ist in zahlreichen Prozessen jeder Art täglich der Fall. Leider sind solche Gutachten zu dem Thema wirklich (und ich meine das auch so (!) ) sauuuu teuer und es gibt in der ganzen Bundesrepublik hierzu genau zwei öff. bestellte und vereidigte Sachverständige, wenn ich richtig recherchiert habe. Wenn der zu erwartende Ertrag (über die gesamte Zeit der Geldanlage) also in keinem Verhältnis zu den Kosten steht, würde ich eher zu einer guten Kombi von ausschließlich konservativen Anlageformen raten. Da findet man ja auch einiges, wenn man nicht gerade nur zur Hausbank um die Ecke geht. Sollte in dem Fall dann weniger das Problem werden.

    Wenn der Betreuer das also beantragt und ein wenig begründen kann und das Vermögen des Betreuten auch vor der Betreuung schon gut (oder auch nicht so gut) risikofreudig gestreut war dann hört man eben den Betreuten mal an, bestellt einen Verfahrenspfleger (die Sachkunde beim Verfahrenspfleger ist eher auf die Betreuungsrechtliche Seite zu beschränken, es handelt sich ja eben nicht um einen Gutachter für Finanzanlagen sondern um einen Verfahrenspfleger für den Betreuten) und wenn die Sache halbwegs vertretbar ist genehmigt man eben.

    Hiervon würde ich auch unter diesem Umständen eher abraten. Wenn ich so eine Anlage schon bei d. Betroffenen sehe wird er/sie sich dabei möglicherweise auch was gedacht haben und hat sich vielleicht sogar selbst fachkundig und unabhängig beraten (Edit: oder schlimmer - er/sie hat sich nicht oder schlecht beraten lassen und dadurch Anlagefehler gemacht, die ihm/ihr letztlich nur geschadet haben. Die würde sie/er sicher nicht wiederholen wollen.) Ohne wirklich Ahnung zu haben was man da tut, macht das die Sache nach meiner Meinung also nicht einfacher.

    "Honorar" ist übrigens noch ein gutes Stichwort. Lässt es der Zustand des Betroffenen zu, könnte man als Betreuer noch einen (weitaus günstigeren) unabhängigen Honorarberater beauftragen, welcher ein Anlagekonzept entwickelt. Ist der Betroffene einverstanden, wäre das die einfachste und kostengünstigste Lösung.

  • Der Honorarberater könnte doch aber vom Betreuer beauftragt werden.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ach ja, diese schöne Liste.
    Die wurde so manches mal mit den Worten der Bank "folgende Gerichte haben diese Anlage als mündelsicher eingestuft" beigefügt.

    Da war mal auch ein Beschluss von mir mit dabei. Bei der von mir genehmigten Anlage ist ein sechsstelliger Wertverlust eingetreten. Zum Glück hatten sich der Werte dann noch mal erholt und der Verlust hielt sich in Grenzen. Im Übrigen war der Betreuer als Erbe selbst geschädigt. Also, selbst schuld.

    Diese kleine Anmerkung nur zur Verdeutlichung der Aussagekraft solcher Listen ....

  • @ruki:

    Was meinst Du denn mit sauteuer in Bezug auf die Sachverständigentätigkeit? Gib mal bitte ein Erfahrungswert hierzu an, so in etwa " 1-2% der Investitionssumme" etc.

    Das kann man nicht von einem Prozentanteil der Investitionssumme abhängig machen, weils ja eben Stundenhonorare sind. Kommt auch insgesamt darauf an wie hoch der erwartete Ertrag insgesamt ist. Die "Investition" in ein Gutachten lohnt sich nur, wenn der Ertrag deutlich über den Kosten steht und das hängt auch davon ab, wie lange man investiert. Bei 1 - 2 % der Investitionssumme wird z.B. der Ertrag des ersten Anlagejahres sicher nur vom Gutachten aufgefressen. Lege ich nur 3 Jahre an, kann man es gleich vergessen. Bei einer langfristigen Anlage von 10 Jahre z.B. lohnt sich eine einmalige Investition in ein Gutachten schon eher. Vierstellige Beträge darf man aber dafür auf jeden Fall erwarten :)

    BVI Mündelgeldliste hab ich übrigens gefressen, die hat mir kein bisschen weitergeholfen. Ich habe mir mal den Spaß gemacht und mir von einzelnen Gerichten die Beschlüsse in anonymisierter Form zukommen lassen. Ergebnis war, dass fast alle Beschlüsse noch nicht mal eine Begründung enthalten haben, warum die Anlage denn genehmigungsfähig gewesen ist. In einer Sache habe ich lediglich einen Zweizeiler gefunden mit der Aussage, dass die gewählten Fonds ja mündelsicher wären und nur ein mäßiges Risiko vorliege. Nach meiner Meinung ist die BVI Liste Augenwischerei und hat kein brauchbares Fundament. Das entsprechende Informationspapier des Herausgebers vom Fond halte ich da für aussagefähiger. Wer trotzdem in die BVI Liste reinschauen mag, sollte sich immer bewusst halten dass dort nur ungeprüfte Einzelfälle stehen, die nichts mit der Genehmigungsfähigkeit in der eigenen Sache zu tun haben.

    Übrigens war das mit dem Honorarberater tatsächlich so gemeint wie von Araya verstanden :)

  • ...was ich auch bereits 2009 annahm:

    "Bei Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit bezüglich der Wirtschaftlichkeit und die besonderen Risiken ist die Einschaltung eines Sachverständigen [gemäß § 26 FamFG] geboten. Dabei ist die Heranziehung des Prospekts über die jeweilige Anlage ein Anhaltspunkt, denn die Bafin muss die Prospekte für Wertpapiere und Vermögensanlagen vor ihrer Veröffentlichung und Verbreitung auf die Fähigkeit ihrer Aussagekraft prüfen und genehmigen. Der Bundesverband Investment und Asset Management e.V. (kurz BVI) gibt zudem in regelmäßigen Abständen eine sogenannte Mündelgeldliste heraus, in der die anderweitigen Anlageformen aufgelistet werden, die von den einzelnen [Vormundschafts-]Gerichten genehmigt wurden. Des Weiteren sollen auch die Gutachten von den jeweiligen Bankenverbänden zur Entscheidungsfindung genügen.1


    Ein kritischer Blick auf die externe Überprüfbarkeit

    Diese in der Literatur weit verbreiteten Meinung der externen Überprüfung wird entschieden entegegengetreten, da dies lediglich nur Anhaltspunkte für die Entscheidungsfindung sein können, das [Vormundschafts-]Gericht kann sich bei solchen Einschätzungen der Bafin oder der Spitzenverbände der Banken nicht auf ihre Haftbarmachung im Sinne des c.i.c. berufen.2 Zudem kann aus der Mündelgeldliste lediglich nur eine Tendenz der Haltung anderer [Vormundschafts-]Gerichte in der Häufigkeit der jeweils genehmigten Anlageformen gesehen werden, die keinen wirklichen Schluss auf die eigene vorliegend zu genehmigte Anlage ziehen kann.3"

    _______________________
    1so allgemein MüKo/Wagenitz § 1811 Rdnr. 16; Palandt/Diederichsen § 1811 Rdnr. 3
    2so auch Fiala/Behrendsen Rpfleger 1997, 281, 288; c.i.c. – culpa in contrahendo, bezeichnet die schuldhafte Verletzung von Pflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis, dass bei der Einholung eines Gutachtens grade nicht besteht.
    3 so auch Palandt/Diederichsen § 1811 Rdnr. 3, der zurecht kritisiert, dass keine Mündelgeldliste erstellt wurde, in der die Anlageformen abgelehnt worden

  • ....Die wurde so manches mal mit den Worten der Bank "folgende Gerichte haben diese Anlage als mündelsicher eingestuft" ... ....

    Was eine glatte Lüge ist.:mad:

    Sehe ich auch so. Mir wurde von der örtlichen Spaßkasse auch der Genehmigungsbeschluss des Betreuungsgerichts im Hause entgegengehalten und damit argumentiert, dass die Investition in einen bestimmten Fonds mündelsicher sei. Daher sollte ich die Anlage bei einem meiner Mündel familiengerichtlich genehmigen. Da musste ich die Dame der Bank auch erst mal aufklären. Der kleine, aber feine Unterschied war, dass der Betreute ordentlich Geld zum Zocken hatte, es sich also wirklich um Beimengung handelte, und mein Mündel aber nur etwas Geld aus der Risiko-LV nach dem Ableben der Mutter - fast das ganze Ersparte hätte in den Fonds wandern sollen. Die Dame von der Spaßkasse wollte da ernsthaft mit mir diskutieren (vielleicht hatte sie die Provision schon fest eingeplant).

  • Hoffentlich insofern hilfreich , als dass Fondsanlagen nach § 1811 BGB nicht von vornherein abgelehnt werden ( wie z.B. von uschi und einer Vielzahl unbekannter Kollegen ). Im anderen Fall wäre das Ergebnis der Diskussion nicht hilfreich gewesen.

    Ich habe nicht "allgemein" geschrieben, sondern meine Ansicht zum eingangs geschilderten Fall. Ablehnung von vornherein ist es also nicht.
    Wenn bereits 70 % des Vermögens in Fonds angelegt sind, dann ist eine weitere Anlage in Fonds eben anders zu betrachten, als wenn bei großen Vermögen z.B. bis zu 30 % in anderen Anlagen angelegt werden.

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