Aneignung herrenloses Grundstück

  • Hallo!

    Ich habe hier ein von anfang an herrenloses Grundstück. Die Kollegin vor mir hatte damals beim Grundbuchanlegungsverfahren im Wege eines Aufgebotsverfahrens keinen Eigentümer feststellen können und somit die Herrenlosigkeit eingetragen.
    Nun kommt Person A und reicht mir einen notariell beglaubigten Antrag auf Aneignung dieses Grundstücks ein. Seiner Meinung nach ist hier kein Verzicht des Fiskus erforderlich, da dieses vorrangige Aneignungsrecht gemäß § 928 BGB lediglich für aufgegebene Grundstücke besteht.
    Ich habe dazu leider nichts gefunden. Weiß da vielleicht jemand weiter? +
    Danke schonmal für die Hilfe! :)

  • Im Grundbuchanlegungsverfahren nach §§ 116 ff GBO muss auf jeden Fall ein Eigentümer festgestellt werden. Das Verfahren kann nicht mit der Feststellung enden, es handele sich um ein herrenloses Grundstück, denn dann bleibt ja offen, wer letztlich Eigentümer ist. Das Anlegungsverfahren darf daher nicht mit einem „non liquet“ enden (Zitat nach Eickmann in: Keller/Munzig, Grundbuchrecht - Kommentar, 7. Aufl. 2015, § 123 RN 1).

    Selbst wenn sich herausstellt, dass das Grundstück herrenlos ist, ist als Eigentümer der ermittelte Eigentümer, der Grundstücksbesitzer oder der, dessen Eigentum am Wahrscheinlichsten erscheint, einzutragen (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage 2012, RN 1011).

    Auch wenn es sich um ein buchungsfreies Grundstück handelt und in diesem Fall das Grundbuch gemäß § 3 Absatz 2 GBO nur auf formlosen Antrag des Eigentümers oder eines dinglich Berechtigten angelegt wird (s. Holzer m Beck'scher Online-Kommentar GBO, Hrsg. Hügel, Stand 01.11.2016, § 116 RN 11 mwN), käme eine Zurückweisung des Antrags wegen Unaufklärbarkeit der Eigentumsfrage nicht in Betracht. Vielmehr muss grundsätzlich als Eigentümer eine der in § 123 GBO genannten Personen eingetragen werden (s. das Gutachten des DNotI, Gutachten-Nr. 103012, Gutachten-Datum 14.02.2011, geändert am 06.03.2012, veröffentlicht im DNotI-Report 2011, 26-28
    http://www.dnoti.de/gutachten/inde…fdd?mode=detail
    unter Zitat Schöner/Stöber, Rn. 1011 m. w. N. in Fn. 6)

    Hat das Grundbuchamt keinen Eigentümer ermittelt (§ 123 GBO Nr. 1) und ist ihm auch das Eigentum eines Eigenbesitzers nicht glaubhaft gemacht ((§ 123 GBO Nr. 2) hat es denjenigen einzutragen, dessen Eigentum ihm nach Lage der Sache unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände am Wahrscheinlichsten erscheint ((§ 123 GBO Nr. 3). Daher muss das Grundbuchamt stets zur Eigentumsfrage eine Entscheidung treffen (KEHE/Eickmann, § 123 GBO RN 5); Es muss nach den allgemeinen Grundsätzen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit selbst über das Eigentum entscheiden und darf sich dieser Pflicht nicht entziehen (KEHE/Eickmann, RN 2).

    Die Eintragung der Herrenlosigkeit des Grundstücks war vorliegend daher unzulässig.

    Diese Unzulässigkeit dürfte auch darauf beruhen, dass gegen die in § 118 GBO aufgestellte Amtsermittlungspflicht verstoßen wurde, sodass gesetzliche Vorschriften im Sinne des § 53 Abs 1 Satz1 GBO verletzt sind (BeckOK Hügel/Holzer, § 118 RN 11).

    Da das Grundbuch auch materiell unrichtig im Sinne des § 894 BGB ist (OLG Hamm, Beschluss vom 01.02.1980, 15 W 75/79 = Rpfleger 1980, 229), muss damit mE gegen die Blattanlegung nach § 125 Satz 2 GBO ein Amtswiderspruch eingetragen werden (s. BeckOK Hügel/Holzer, § 118 RN 15 unter Zitat OLG München JFG 17, 293, 297; OLG Hamm Rpfleger 1980, 229; Demharter GBO § 118 Rn 5).

    Wird das Grundstück als noch ungebucht behandelt, käme ein Aufgebotsverfahren nach § 927 BGB in Betracht (s. das obige DNotI-Gutachten, ferner LG Mönchengladbach, Beschluss vom 27. August 2007, 5 T 120/07, openJur 2011, 55021
    http://openjur.de/u/127018.html

    Das LG Mönchengladbach führt dazu aus:
    „Voraussetzungen sind, dass der Antragsteller das Grundstück seit 30 Jahren im Eigenbesitz hat und der wahre Eigentümer nicht eingetragen ist, also kein Eigentümer oder ein Nichteigentümer eingetragen ist. Bei Herrenlosigkeit des Grundstücks im Sinne von § 928 BGB gilt § 927 BGB nach herrschender Meinung gleichfalls (Staudinger-Pfeifer, BGB, 13. Bearbeitung, § 927 Rn. 10; Soergel/Stürner, BGB, Stand 2002, § 927 Rn. 1; Ermann/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Auflage, § 927 Rn. 4)…“.

    Wird das Grundbuch trotz des einzutragenden Widerspruchs gegen seine Anlegung als existent behandelt, kann das Aneignungsrecht erst ausgeübt werden, wenn der wahre Eigentümer auf das Eigentum verzichtet (Pfeifer/Diehn im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 928 RN 11) und dies gegenüber dem GBA erklärt hat und dieser Verzicht im Grundbuch eingetragen ist (§ 928 Absatz 1 BGB). Ferner muss der Fiskus nach § 928 Absatz 2 BGB auf sein Aneignungsrecht verzichtet haben, wobei die Frage, ob dieser Verzicht eintragungsbedürftig ist, unterschiedlich beantwortet wird (s. die Nachweise bei Pfeifer/Diehn, § 928 RN 24).

    Da die Eintragung als Eigentümer in Anlegungsverfahren keine materiell-rechtliche Wirkung hat; einem materiell Berechtigten es vielmehr überlassen ist, sein Eigentumsrecht im Prozesswege gegen den im Anlegungsverfahren eingetragenen Eigentümer durchzusetzen (KEHE/Eickmann, § 123 GBO RN 6; Pfeifer/Diehn, § 928 RN 4), muss der vom GBA festgestellte Eigentümer auch nicht der wahre Eigentümer sein.

    Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Aneignungsechts nicht vor. Der Antrag auf Eintragung der Aneignung ist daher mE –nach Anhörung- zurückzuweisen.

    Mit der unzulässigen Eintragung der Herrenlosigkeit ist das Anlegungsverfahren auch noch nicht abgeschlossen; vielmehr sind die amtswegigen Ermittlungen mE wieder aufzunehmen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Hallo :)
    Ich habe eine ähnliche Frage zur Aneignung gem. § 927 BGB.
    Mir liegt der Ausschließungsbeschluss nebst eines Antrags des im Beschluss genannten Antragstellers vor. Dieser möchte im Grundbuch als Eigentümer eingetragen werden.
    Es handelt sich um bisher nicht gebuchte Flurstücke. Diese sind gem. § 3 Abs. 2 GBO von der Buchungspflicht befreit.

    Ich muss nun also grundsätzlich ein Grundbuchanlegungsverfahren gem. §§ 116 ff. GBO vornehmen.
    Ich frage mich allerdings, ob ich tatsächlich auch in diesem Rahmen nochmal ein Aufgebotsverfahren gem. § 119 GBO vornehmen muss. Der Eigentümer wurde ja durch das Aufgebotsverfahren bereits aufgeboten und ausgeschlossen. Meine Überlegung war, auf das Aufgebotsverfahren gem. § 119 GBO zu verzichten und lediglich die öffentliche Bekanntmachung gem. § 122 GBO vorzunehmen.

    Hat jemand ein solches Verfahren schon mal betrieben? Über Ideen wäre ich sehr dankbar.

  • Die Flurstücke gehörten einer Deichgenossenschaft, die es seit etlichen Jahren nicht mehr gibt und kein Rechtsnachfolger existent ist. Das Aufgebotsverfahren erfolgte, da sich ein Anlieger diese Flurstücke aneignen möchte, da er sie seit etlichen Jahren "bewirtschaftet".

  • Die Flurstücke gehörten einer Deichgenossenschaft, die es seit etlichen Jahren nicht mehr gibt und kein Rechtsnachfolger existent ist.

    Die Flurstücke gehören immer noch dem Rechtsnachfolger der Deichgenossenschaft. Wer Rechtsnachfolger ist, bestimmt sich nach Landesrecht.

    Ab hier muss dir jemand helfen, der sich mit dem Landesrecht in deinem Bundesland auskennt. Dazu musst du aber angeben, in welchem Bundesland das Grundstück belegen ist.

  • Die Flurstücke liegen in Niedersachsen. Aber sämtliche angefragten Behörden konnten dem Antragsteller nicht helfen. Niemand kann nachweisen oder überhaupt nur mitteilen, wer Rechtsnachfolger ist. Aber erübrigt sich das nicht durch das Aufgebotsverfahren, welches bereits durchgeführt wurde?

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