freigegebene Selbständigkeit und Verkauf des Unternehmens

  • Schuldner (S) ist selbständig, IV hat die Tätigkeit freigegeben. Nun hat (S) einen Käufer gefunden, der den gesamten (freigegebenen) Laden für ein paar Tausend Euro kaufen will.

    Preisfrage: Wäre ein Verkaufserlös Masse oder würde er quasi als Einnahme der freigegebenen Selbständigkeit dem S zustehen?

  • Schwierig. Vom Wortlaut der Regelung würde ich dazu tendieren, das als freigegebenes "Vermögen aus der Selbständigkeit" anzusehen. Ich denke aber, dass der Gesetzgeber so weit nicht gehen wollte (Stichpunkt Vermeidung der Belastung der Masse mit Masseverbindlichkeiten), so dass man die Vorschrift dahingehend auslegen müsste, dass nur Vermögen aus einer "laufenden" Selbständigkeit freigegeben sein soll, nicht aber solches, das bei Beendigung erst entsteht.

  • Schwierig. Vom Wortlaut der Regelung würde ich dazu tendieren, das als freigegebenes "Vermögen aus der Selbständigkeit" anzusehen. Ich denke aber, dass der Gesetzgeber so weit nicht gehen wollte (Stichpunkt Vermeidung der Belastung der Masse mit Masseverbindlichkeiten), so dass man die Vorschrift dahingehend auslegen müsste, dass nur Vermögen aus einer "laufenden" Selbständigkeit freigegeben sein soll, nicht aber solches, das bei Beendigung erst entsteht.

    Man könnte auch darüber nachdenken, eine entsprechend modifizierte Freigabeerklärung abzugeben, in der der Fall des Unternehmensverkaufes von der Freigabe ausgeschlossen ist.

  • Schwierig. Vom Wortlaut der Regelung würde ich dazu tendieren, das als freigegebenes "Vermögen aus der Selbständigkeit" anzusehen. Ich denke aber, dass der Gesetzgeber so weit nicht gehen wollte (Stichpunkt Vermeidung der Belastung der Masse mit Masseverbindlichkeiten), so dass man die Vorschrift dahingehend auslegen müsste, dass nur Vermögen aus einer "laufenden" Selbständigkeit freigegeben sein soll, nicht aber solches, das bei Beendigung erst entsteht.

    Das ist ja nun eine nicht ganz so einfach zu beurteilende Situation... Im Endeffekt gibt es ja keinen objektiv zu ermittelnden Unternehmenswert sondern jegliche Form von Unternehmensbewertung gründet sich ja auf eine Vielzahl von Faktoren, die zu einem erheblichen Teil psychologischer Natur sind (siehe Börsenwert Apple Facebook etc...)

    Ich unterstelle jetzt mal, dass der nackte Substanzwert zum Zeitpunkt der Freigabe unerheblich gewesen sein dürfte, sonst hätte der IV ja wohl kaum freigegeben sondern entweder fortgeführt oder selber verwertet. Somit kann zumindest ein Teil des Verkaufspreises, der sich auf Vermögensgegenstände wie zB Warenlager stützt, durchaus in der Zeit der Freigabe erwirtschaftet worden sein. Im Verkaufspreis können zB aber auch offene Forderungen enthalten sein, die in der Zeit der Freigabe erwirtschaftet wurden. Alternativ könnte der Schuldner durch seine Tätigkeit erst in der Zeit der Freigabe erst den Wert durch den Aufbau von Kundenbeziehungen geschaffen haben. Zu sagen, der Wert entsteht erst mit Verkauf entspricht nicht wirklich der unternehmerischen Realität, in der man jeden Tag um die Erhaltung des Unternehmenswertes kämpft bzw ihn zu steigern versucht.

    Man könnte ja sicher noch darüber nachdenken, eine Bewertung zur Freigabe mit einer Bewertung zum Verkauf gegenüber zu stellen. Aber im großen und ganzen erinnert mich das etwas an den IV, der die Erträge der Arztpraxis zieht, ohne die mit dem unternehmerischen Risiko verbundenen Kosten tragen zu wollen. Erst dem Unternehmen keinen Wert zuzubilligen und freizugeben und dann zu sagen, sorry, war nur ein Versehen ist etwas zu einfach... Aber um in diesem Fall beurteilen zu können, woher denn der Wert beim verkauf kommt, bräuchte man erheblich mehr Informationen.

  • Ich unterstelle jetzt mal, dass der nackte Substanzwert zum Zeitpunkt der Freigabe unerheblich gewesen sein dürfte, sonst hätte der IV ja wohl kaum freigegeben sondern entweder fortgeführt oder selber verwertet.

    Das beruht mE auf einem falschen Verständnis, der Verwalter muss entscheiden, ob der den Neuerwerb für die Masse verhaften soll oder nicht, mit der einhergehenden Gefahr der Masseverbindlichkeiten.

    Während der Substanzwert hoch sein kann, ist idR die Möglichkeit aus einer BFF (Betriebsfortführung, nicht Best Friends Forever) einen Überschuss zu erziehen, gering. Will der Schuldner seine Selbstständigkeit fortsetzen, kann der IV ihm nicht die hierzu notwendigen Betriebsmittel unter dem Hintern verwerten.

    Geht man davon aus, dass die Betriebsmittel unpfändbar sind, stellt sich natürlich die Frage, ob der Schuldner sich dieser Unpfändbarkeit begibt, wenn er sie verkauft, bzw. verkaufen will. Denn dann sind sie ja gerade nicht mehr für eine BFF notwendig.

    Oder aber man stellt sich auf dem Standpunkt Unpfändbarkeit forever, allenfalls Neugläubiger könnten auf den Verwertungserlös zugreifen, also Analogie zum für die Masse unpfändbaren Hausrat beim Tod des Schuldners. Der steht dann ja auch nur den Neugläubigern zur Befriedigung zur Verfügung.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich bin ja strikter Anhänger von "freigegeben ist freigegeben, wiederholen ist gestohlen" (hat das nicht Defaitist irgendwo geschrieben?) Nur so lassen sich klare Verhältnisse schaffen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Ich bin ja strikter Anhänger von "freigegeben ist freigegeben, wiederholen ist gestohlen" (hat das nicht Defaitist irgendwo geschrieben?) Nur so lassen sich klare Verhältnisse schaffen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Das kann man hier auch vertreten, aber ist §35 II InsO wie §109 InsO zu betrachten, also Maschine = Mietkaution?

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Mit dem Unterschied, dass die für die selbstständige Tätigkeit nicht die Werkzeuge freigegeben worden sind, sondern nur das Vermögen aus dieser Tätigkeit. Das ist für mich erst einmal nicht gleichzusetzen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich bin mir nicht sicher, ob man die Tätigkeit freigeben kann ohne zugleich die in der Masse befindlichen "Werkzeuge" freizugeben. Das wäre nur eine halbe Freigabe, denn ohne die Werkzeuge kann der Schuldner möglicherweise nicht tätig werden und Geld zur Beschaffung neuer Werkzeuge hat er nicht.

    Zum Vergleich ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich: Es ist anerkannt, dass ein Häftling sich darum bemühen darf, freizukmmen, das ist nicht strafbar (die Mithilfe durch Dritte schon, aber das ist ein anderes Thema). Daher darf nan ihn auch nicht wegen Diebstahls bestrafen, wenn er beim zunächst gelungenen Fluchtversuch die am Körper getragene Gefangenenbekleidung entwendet.

    Ganz oder gar nicht?

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Gibt man das Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit frei, kann der Schuldner den Pfändungsschutz des § 811 I Nr. 5 ZPO in Anspruch nehmen. Habe ich keine Selbstständigkeit mehr, habe auch nichts mehr zu schützen.

    Der Gedanke kam mir auch schon. Wobei man in meinem Fall den Unternehmensverkauf quasi als letzten Akt der Selbständigkeit ansehen müsste, denn S will seinen Laden nahtlos weitergeben, der Geschäftsbetrieb soll ohne Unterbrechung auf den Übernehmer übergehen.

  • Mit dem Unterschied, dass die für die selbstständige Tätigkeit nicht die Werkzeuge freigegeben worden sind, sondern nur das Vermögen aus dieser Tätigkeit. Das ist für mich erst einmal nicht gleichzusetzen.

    Und da meine ich halt, dass es schlicht zu einfach ist, zu unterstellen, dass sämtliche 'Werkzeuge' (zu denen ich auch Kundenstamm, KnowHow, Forderungsliste etc zähle), auf die sich der Firmenwert zum Zeitpunkt des Verkaufs stützt, schon zum Zeitpunkt der Freigabe vorhanden waren und nicht erst durch die freigegebe Tätigkeit erwirtschaftet wurden.

    Einfach nur mal ein Beispiel: IV gibt einem verkrachten IT-Entwickler die Tätigkeit frei, da er davon ausgeht, dass der sowieso nichts auf die Reihe bekommt und nur sinnlos hohe Kosten für Hardware zu erzeugen wird. Erst in der Folge hat der Schuldner einen echten Geistesblitz und entwickelt eine Social-Media-App, die dann von Google für die ein oder andere Million geschluckt werden soll...

  • dann ist dies halt so. Wenn der IV von der Feiglingsregelung meint Gebrauch machen zu müssen, ist es
    1). Sache der GLV dies zu canceln (deshalb mach ich da meist auch einen Termin wg). und
    2) Sache des Haftungsregimes
    Die vorschnelle Freigabe ist ein absolutes Haftungsrisiko des Verwalters.
    In dem gewählten Beispiel wären die Anschaffungskosten für neue Hardware ohnehin nicht zu lasten der Masse ohne Zutun des Verwalters möglich.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Was genau gibt man denn nun eigentlich frei? Die "Tätigkeit" des Schuldners dürfte ja wohl nicht massebefangen sein, also sein Handeln, Arbeiten, Tun.... Gibt man nicht eher das Unternehmen frei, also das, was der Schuldner für seine berufliche Tätigkeit benötigt?

    Hab mir da noch nie Gedanken drum gemacht, dass man das eine vom anderen trennen könnte... :gruebel:

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