Abwesenheitspflegschaft

  • Hallo,

    mir liegt ein Antrag auf Einrichtung einer Abwesenheitspflegschaft vor. Abwesend ist der Inhaber einer KFZ-Firma.
    Seine Kunden haben bei ihm Reifen hinterlegt und wollen diese jetzt wechseln.

    Der Abwesende ist seit längerer Zeit nicht erreichbar und keiner weiß, wo er sich aufhält. E

    s drohen Schadensersatzklagen der Kunden, die sich neue Reifen besorgen müssten. Reicht das als Fürsorgebedürfnis für den Abwesenden?

    Über Meinungen wäre ich dankbar.

  • Der Sachverhalt ist etwas dünn, um welche Art von Unternehmen handelt es sich denn? Gesellschaft? Kaufmann?

    Wenn du Glück hast, ist es eine GmbH. Ist da der Geschäftsführer untergetaucht und können die Gesellschafter keinen neuen bestellen (womöglich weil dieselbe Person), könnte ein Gläubiger beim Handelsregister den Weg über einen Notgeschäftsführer versuchen.
    Bei einem e.K. sieht es leider anders aus.

  • Es handelt sich um eine nicht im Handelsregister eingetragene Firma.
    Man weiß nicht, ob der Inhaber untergetaucht oder verunglückt ist.
    Es gibt diverse Gläubiger, die einen Herausgabeanspruch haben und mit Schadensersatzklagen drohen.
    Ich denke nicht, dass dies mit einem "normalen" Schuldner, gegen den eine Geldforderung besteht vergleichbar ist.

  • Ich würde nicht ohne weiteres eine Abwesenheitspflegschaft anordnen und versuchen, genauere Hintergrundinformationen einzuholen.
    Wenn nicht positiv ermittelt werden kann ist, dass der Betroffene abgehauen ist, und keinen anderen Weg gibt, die Gläubiger zu bedienen (durch Angestellte?), könnte man ein Fürsorgebedürfnis sehen, auch wenn ich mich irgendwie innerlich dagegen sträube.

    Einmal editiert, zuletzt von Eddie Macken (17. Mai 2017 um 11:16) aus folgendem Grund: Berichtigung

  • Ich würde da sicher auch erst den Sachstand der Vermisstenanzeige bei der Polizei erfragen.
    Fraglich ist halt hier insbesondere beim Fürsorgebedürfnis , ob nur Drittinteressen ( hier Gläubiger ) oder auch die eigentlich maßgeblichen Interessen des Abwesenden berücksichtigt werden sollen.
    Nur Drittinteressen dürfen es halt nicht sein.
    Insofern ist das "innerlich dagegen sträuben" mehr als verständlich.

  • oder auch die eigentlich maßgeblichen Interessen des Abwesenden berücksichtigt werden sollen.
    Nur Drittinteressen dürfen es halt nicht sein.
    Insofern ist das "innerlich dagegen sträuben" mehr als verständlich.

    Moment mal ... was ist denn mit den diversen Schadenersatzforderungen, die dem Abwesenden gegenüber stehen? Man kann eine Klage auch öffentlich zustellen ! Die Folge wäre dann ein Versäumnisurteil.

  • Moment mal ... was ist denn mit den diversen Schadenersatzforderungen, die dem Abwesenden gegenüber stehen? Man kann eine Klage auch öffentlich zustellen ! Die Folge wäre dann ein Versäumnisurteil.

    Mir hat sich auch kurz die Frage gestellt, wie kann den dann ein Gläubiger seine Forderungen durchsetzen. Macht der dann alles bis zur Zwangsvollstreckung/Zwangsversteigerung mittels öffentlicher Zustellung? Bei Zwangsversteigerungen sind mir Zustellempfänger bekannt.

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  • So gehen wir der Reihe nach:

    1. Volljährig und abwesend

    Derjenige Volljährige muss abwesend sein. Da die Abwesenheit selbst nicht im Gesetz geregelt ist, liegt es im freien Ermessen des Gerichts die Anforderungen an die Dauer der Abwesenheit und deren Umstände, die dazu führten, des Abwesenden festzustellen. Im Rahmen der Amtsermittlungspflicht sind jedoch alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Nachforschungsmöglichkeiten auszuschöpfen. In diesem Fall sind also Polizei, Staatsanwaltschaft, Angehörige, Bekannte, Mitarbeiter der KFZ-Bude etc. zum letzten Aufenthalt des Abwesenden anzuhören.

    2. Fürsorgebedürfnis

    Es muss sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit des Abwesenden handeln, für die ein Fürsorgebedürfnis besteht. Es sollten dabei nicht nur Drittinteressen an der Einrichtung einer Abwesenheitspflegschaft eine Rolle spielen (ja die einfachprozessrechtliche Durchsetzung eines Anspruchs begründet jedenfalls für sich gesehen noch nicht die Einrichtung einer Abwesenheitspflegschaft), wobei an das Fürsorgebedürfnis selbst indes nicht all zu hohe Anforderungen gestellt werden dürfen. Das Gericht hat daher aus Sicht des Abwesenden zu prüfen, ob er bei Anwesenheit hierfür einen Vertreter bestellen würde, wenn er denn selbst verhindert wäre.

    In diesem Fall würde ich also zur Bejahung einer vermögensrechtlichen Angelegenheit zunächst die gesellschaftsrechtlichen Hintergründe dieser KFZ-Bude recherchieren, also in welcher Beziehung diese zum Abwesenden steht. Darüber hinaus würde ich im Allgemeinen die vermögensrechtlichen Hintergründe des Abwesenden ermitteln, vgl. zur Ermittlungsweise wie Pkt. 1. Und vor allem würde ich in Erfahrung bringen, ob der Abwesende nicht schon selbst für den Fall seiner Verhinderung bereits Vorsorge in Form einer Vollmacht etc. getroffen hatte.

    (Sonnenfeld, Betreuungs- und Pflegschaftsrecht 2. Auflage Rn.491 ff.)

    Das alles würde ich wohl in Anbetracht der Eiligkeit recht schnell abhandeln wollen (mittels Telefon, Fax, und persönlicher Eindruck von der KFZ-Bude)...

    Na ich bin gespannt aufs Ergebnis...

  • Ja hat denn sonst überhaupt gar NIEMAND einen Schlüssel für den Schuppen,
    oder traut sich kein Angehöriger oder Angestellter (irgendeinen Handlanger auf Stundenbasis hat doch selbst der kleinste Betrieb) die blöden Reifen herauszugeben:confused:
    Da wird sich doch irgendjemand finden der auf GoA schnell mal die Reifen austeilt zum selber wechseln:(

  • Hab meine Überlegungen lediglich am mitgeteilten Sachverhalt orientiert, da stand nur was von Reifen und fehlender HR-Eintrag, es wird sich also kaum um den örtlichen (hier großen internationalen Autokonzern einsetzen) -Servicepartner handeln.

  • Will man ernsthaft annehmen wollen, dass es im vorliegenden Fall nur um die Reifen geht?

    Eben!

    Ich denke, dass der § 1911 BGB recht eindeutig ist. Der Volljährige ist abwesend (eine Vermisstenmeldung liegt ja vor) und es besteht ganz offensichtlich ein Bedürfnis.

    Für mich ist das keine Frage, dass hier ein Abwesenheitspfleger zu bestellen ist.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Hab meine Überlegungen lediglich am mitgeteilten Sachverhalt orientiert, da stand nur was von Reifen und fehlender HR-Eintrag, es wird sich also kaum um den örtlichen (hier großen internationalen Autokonzern einsetzen) -Servicepartner handeln.


    Eben, anderes wurde nicht vorgetragen.

    Also prüfen, wie von Sersch schön aufgeschüsselt.

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