privatschriftliches vs. notarielles Testament

  • Ich frage mich, ob ich in diesem Fall einen Erbschein benötige. Verstorben ist die Berechtigte einer Rückauflassungsvormerkung.

    Diese hatte mit ihrem Ehemann, der vor ihr verstorben ist, ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament errichtet, in dem beide sich gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt hatten und den gemeinsamen Sohn S1 als Erbe des Letztversterbenden. S1 ist nach Errichtung des privatschriftlichen Testaments, aber vor seiner Mutter, verstorben. Ein weiterer Sohn, S2, wurde in dem privatschriftlichen Testament nicht berücksichtigt.

    Nach dem Tod von S1 errichtete die Mutter ein notarielles Testament, in dem sie die ihre beiden Enkel, die Kinder von S2, einsetzte. Ersatzerbfolge wurde angeordnet. Laut Testament sowie der Sterbefallsanzeige sei S1 unverheiratet und kinderlos gewesen. Laut notariellem Testament habe der S2 auf seine Erb- und Pflichtteilsansprüche zugunsten seiner Kinder verzichtet.

    Würde dem Nachlassgericht - und damit auch mir - die Vorlage einer Sterbeurkunde bezüglich S1 sowie eine EV der beiden Enkelkinder genügen, dass der S1 keine Kinder hatte und unverheiratet war oder sind tatsächliche Ermittlungen anzustellen ?

  • War denn die ursprüngliche Schlusserbeneinsetzung im gem. handschriftlichen Testament überhaupt bindend?
    Regelmäßig ist das ja eher nicht der Fall und d. letztversterbende kann weiter nach belieben testieren.

  • Das ist genau die Frage, die ich mir stelle. Die von Dir an anderer Stelle zitierte Fundstelle MüKoBGB/Musielak BGB § 2270 Rn. 12 hatte ich auch gelesen, aber da steht m.E. nicht zwingend drin, dass bei der Einsetzung des gemeinsamen Kindes automatisch und immer von einer fehlenden Bindung auszugehen ist. Und letzteres zu prüfen ist mir als Grundbuchamt doch verwehrt, da ich dann auch ein privatschriftliches Testament auszulegen habe ?

  • Wenn nix dabei steht und sonst nix darauf hindeutet, dass was anderes gelten soll dann
    ist die Einsetzung gemeinsamer Kinder nicht wechselbezüglich.

  • Hier ist aber nur eines eingesetzt, und das ist vor der Erblasserin verstorben. Das andere ist durch Nichterwähnung enterbt. Ob S1 verheiratet war oder nicht, spielt keine Rolle, die Ehefrau ist nach ihrer Schwiegermutter nicht erbberechtigt. Es kann also nur darauf ankommmen, ob Nachkommen da sind. Wenn nicht, kann das privatschriftliche Testament nicht greifen, also ist die Erblasserin wieder ganz frei in ihren Entscheidungen.
    Ist Dein Problem das rechtliche der Erbfolge oder das, ob die Angaben im notariellen Testament ausreichend sind?

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..

  • Ich stand insofern kurzzeitig auf dem Schlauch, als ich überlegt hatte, ob ich als Grundbuchamt die Bindungswirkung des handschriftlichen Testaments zu prüfen habe oder an der Stelle schon einen Erbschein verlangen kann. Aber es ist vorliegend keine tatsächliche Ermittlung erforderlich, das handschriftliche Testament muss ich insoweit (hinsichtlich der Bindungswirkung) auslegen und damit beruht die Erbfolge allein auf dem notariellen Testament, so dass ich keinen Erbschein verlangen kann und mir die Angaben aus dem notariellen Testament von den Enkeln an Eides Statt versichern lasse.

    Kann ich vielleicht auch auf die Eidesstattliche Versicherung der Enkel verzichten, weil die Mutter im Testament ausgeführt hat, dass der vorverstorbene Sohn keine Kinder hatte ? Sie wird es im Zweifel eher wissen als Kinder des Bruders.

  • Kann ich vielleicht auch auf die Eidesstattliche Versicherung der Enkel verzichten, weil die Mutter im Testament ausgeführt hat, dass der vorverstorbene Sohn keine Kinder hatte ? Sie wird es im Zweifel eher wissen als Kinder des Bruders.


    Eltern wissen manchmal auch nicht alles :teufel:. Aber wegen der EV müssen Dir andere raten, das fällt nicht in meinen Bereich.

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..

  • Nur zur Klarstellung der Beiträge des Ungeheuers: Grundsätzlich geht man bei gemeinschaftlichen Testamenten von Wechselbezüglichkeit aus, wenn es sich um einen Verwandten des Erstverstorbenen handelt und nichts anderes aus der Verfügung ersichtlich ist. Dass ausnahmsweise keine Wechselbezüglichkeit gewollt war, müsste im Rahmen des Erbscheinsverfahrens geklärt werden. Ob Wechselbezüglichkeit oder nicht gegeben ist, spielt hier aber tatsächlich keine Rolle, wenn S1 kinderlos vorverstorben ist.

    Nun zur Frage:
    Ich würde die eid. Versicherung, dass S1 keine Abkömmlinge hatte verlangen. Aber ob du es auch so siehst, ist deine Sache, wenn du die Angaben der Erblasserin im Testament für glaubwürdig hältst, kannst du natürlich auch darauf verzichten.

  • Jetzt ist es nach meinem Dafürhalten aber schon oft genug vorgekommen, dass einige User der besagten eklatant unrichtigen Kommenarmeinung aufgesessen sind. Denn ist natürlich völlig klar, dass die Schlusserbeneinsetzung des gemeinsamen Kindes im Verhältnis zur Alleinerbeneinsetzung des überlebenden Ehegatten durch den erstversterbenden Ehegatten in aller Regel wechselbezüglich ist - was auch sonst überall zu lesen steht und x-mal obergerichtlich entschieden wurde. Im Übrigen entspricht dies auch exakt der Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB, oder möchte jemand bestreiten, dass der gemeinsame Sohn mit dem erstversterbenden Ehegatten verwandt ist.

    Ich habe bislang jedes Mal gegen den besagten unausrottbaren Irrtum angeschrieben. Offensichtlich ohne viel Erfolg.

  • Man muss bei der Kommentierung schon genau hinschauen, um nicht einem Irrtum zu erliegen:

    Die Einsetzung der Kinder durch den Mann und die Einsetzung der Kinder durch die Frau sind in der Regel nicht zueinander wechselbezüglich.
    Anders sind die Einsetzung des Ehegatten durch den Erstversterbenden und die Einsetzung der Kinder durch den Letztversterbenden zu werten. Diese sind in der Regel zueinander wechselbezüglich.

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