Erbvertrag - gegenseitige Erbeinsetzung fehlt

  • Hallo zusammen!

    Mir liegt ein Ehe- und Erbvertrag von 1974 vor. Der gängige Satz "Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein" wurde einfach vergessen! Es geht los mit "Für den Fall des Todes des Erstversterbenden von uns vereinbaren wir das Nachstehende:" und weiter geht es mit "Falls sich der Überlebende von uns wieder verehelichen sollte, ..." Dann folgt ein Vermächtnis zugunsten der Kinder für den Fall der Wiederverehelichung (Beteiligung der Abkömmlinge am Grundbesitz mit Nießbrauch für den Überlebenden usw.). Danach kommt eine Pflichtteils-Strafklausel (sollte der Pflichtteil verlangt werden, dann...). Für den Fall des Todes des Letztversterbenden wurde nichts vereinbart.

    Nun stehe ich vor dem Dilemma - gesetzliche Erbfolge oder Auslegung dahingehend, dass der überlebende Ehegatte Alleinerbe ist? (Habe demnächst Termin und bin gespannt, was die Beteiligten möchten.) Haltet ihr eine Auslegung überhaupt für möglich?

    PS: es ist Grundbesitz vorhanden. Beim Notariat wurde keine Abschrift mehr gefunden, die anders aussieht.

  • Ich denke, dass die Pflichtteilsstrafklausel nur Sinn macht, wenn der überlebende Ehegatte Alleinerbe des erstversterbenden Ehegatten wird, weil die Kinder ansonsten beim ersten Fall überhaupt nicht pflichtteilsberechtigt wären (und sie wären es auch dann nicht, wenn sie einen etwaigen gesetzlichen Erbteil ausschlagen, weil die Voraussetzungen des § 2306 BGB nicht vorliegen). Auch die für den Fall der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten getroffene Regelung wäre wohl relativ sinnfrei, wenn die Kinder schon beim ersten Sterbefall zu einer erbrechtlichen Grundstücksbeteiligung kämen (kommt aber natürlich darauf an, wem der Grundbesitz gehört).

    Du schreibst, dass für den zweiten Sterbefall nichts vereinbart wurde. Du meinst wohl keine Erbeinsetzung, denn die Pflichtteilsstrafklausel ist mit ihrem üblichen Inhalt eine Regelung für den zweiten Sterbefall. Wenn man mit den Leuten schon über eine Auslegung diskutiert, würde ich diese Diskussion auch auf den zweiten Sterbefall erweitern.

  • Sorry, ich wollte schon früher schreiben, hatte aber Probleme mit der Anmeldung im Forum.

    Meines Wissens gibt es den Notar nicht mehr.

    Die Pflichtteils-Strafklausel wurde hier für den Fall der Wiederverehelichung aufgenommen.

  • Ich denke, dass die Pflichtteilsstrafklausel nur Sinn macht, wenn der überlebende Ehegatte Alleinerbe des erstversterbenden Ehegatten wird, weil die Kinder ansonsten beim ersten Fall überhaupt nicht pflichtteilsberechtigt wären (und sie wären es auch dann nicht, wenn sie einen etwaigen gesetzlichen Erbteil ausschlagen, weil die Voraussetzungen des § 2306 BGB nicht vorliegen). Auch die für den Fall der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten getroffene Regelung wäre wohl relativ sinnfrei, wenn die Kinder schon beim ersten Sterbefall zu einer erbrechtlichen Grundstücksbeteiligung kämen (kommt aber natürlich darauf an, wem der Grundbesitz gehört).

    Du schreibst, dass für den zweiten Sterbefall nichts vereinbart wurde. Du meinst wohl keine Erbeinsetzung, denn die Pflichtteilsstrafklausel ist mit ihrem üblichen Inhalt eine Regelung für den zweiten Sterbefall. Wenn man mit den Leuten schon über eine Auslegung diskutiert, würde ich diese Diskussion auch auf den zweiten Sterbefall erweitern.

    In eine notarielle Urkunde etwas hineinlesen, was nicht geschrieben steht und wozu es auch keine Anhaltspunkte in der notariellen Urkunde -außer den weiteren Bestimmungen, die ohne die gegenseitige Alleinerbeneinsetzung wahrscheinlich keinen Sinn geben- gibt?

  • Wie schrieb ich einmal so schön (notar 2013, 147, 164):

    Die ... Schwierigkeiten ... liegen in der Regel darin begründet, dass notarielle letztwillige Verfügungen auslegungsbedürftig sind, obwohl sie dies im Hinblick auf häufig vorkommende erbrechtliche Fragestellungen nicht sein sollten.

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