Beratungshilfe für Strafsache

  • Hallo,

    in folgendem Fall habe ich ein totales Brett vor dem Kopf:
    Anhängiges Strafverfahren. Der Angeklagte hat einen Verteidiger. Die Pflichtverteidigung wurde aber abgelehnt.

    Der nur mittelmäßig intelligente Angeklagte stellt einen Antrag auf Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe (beide Formulare ausgefüllt und natürlich dem BerH-Rpfl vorgelegt weil die Strafabteilung damit nichts anfangen kann).
    Auf meine Rückfrage, um welche Kosten es genau geht, kommt leider keine verständliche Antwort, weil der Angeklagte einfach nicht genau weiß was sein Antrag überhaupt bedeutet.

    Seht ihr Raum für eine Bewilligung?
    Bewilligt werden könnte ja sowieso nur eine Beratung, wobei ich eigentlich davon ausgehe, dass eine solche eigentlich durch den Verteidiger erfolgt sein müsste - spätestens als entschieden wurde eine Pflichtverteidigung zu beantragen.
    Das Büro des RA teilte telefonisch mit, dass das Mandat laufe, nur eben "die Pflicht in der Verteidigung abgelehnt" worden sei ;)

  • Wenn die Anklageschrift bereits zugestellt wurde, gibt es -m. E.- auch keine BerH mehr. Bin aber offen für andere Meinungen.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Wenn die Anklageschrift bereits zugestellt wurde, gibt es -m. E.- auch keine BerH mehr. Bin aber offen für andere Meinungen.


    Sehe ich anders, genau bei der Zustellung einer Klageschrift in Zivilverfahren.

    Bei letzterem kann m. E. BerH gewährt werden, damit sich der Ast. z. B. beraten lassen kann, ob er gleich anerkennen soll oder die Verteidigungsbereitschaft anzeigen (also letztlich Beratung über die Aussichten der gegen ihn erhobenen Klage).

    Hinsichtlich Strafsachen dürften die meisten eher selten als Angeklagte damit konfrontiert sein. Daher habe ich keine Probleme mit der Bewilligung auch nach Eingang der Anklage. Inhalt der Beratung ist dann z. B., ob ein Geständnis erfolgen sollte, welche Möglichkeiten bestehen, sich prozessual günstig zu verhalten, welche Anträge gestellt werden sollten usw.

  • Wenn die Anklageschrift bereits zugestellt wurde, gibt es -m. E.- auch keine BerH mehr. Bin aber offen für andere Meinungen.

    Völlig richtig, s. a.: 1 BvR 1290/87.


    Halte ich nicht für richtig.

    Zum einen sagt die Entscheidung nicht, dass in diesen Fällen BerH zu verweigern wäre. Es wird nur geschrieben, eine Verweigerung wäre verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

    Zum anderen wird dies damit begründet, dass durch die Möglichkeit der Bestellung eines Pflichtverteidigers ein hinreichender Rechtsschutz für den Unbemittelten bestehen würde.

    Diese Aussage verwundert mich, da die Bestellung eines Pflichtverteidigers mit wirtschaftlichen Gründen im Sinne einer Mittellosigkeit des Angeklagten überhaupt nicht zusammenhängt. Voraussetzung ist vielmehr die Schwere des Vorwurfs (ggf. in Verbindung mit der aufgrund Vorverurteilungen drohenden Haftstrafe).

    Daraus ergibt sich auch, dass nur in einem Bruchteil der Strafverfahren - zum Glück - die Bestellung eines Pflichtverteidigers in Betracht kommt. Ergo stehen die Angeklagten mit leichteren Delikten beratungsmäßig im Regen, wenn sie sich nicht selbst einen Verteidiger leisten können.

    Daher halte ich es nicht für gerechtfertigt, BerH für Strafsachen nach Eingang der Anklageschrift zu verweigern.

  • Spätestens mit Rechtshängigkeit sind wir im gerichtlichen Verfahren- oder ist mir da was entgangen?


    Eine Rechtshängigkeit gibt es jedenfalls in Strafsachen nicht.

    Unabhängig davon kann eine anwaltliche Beratung auch zu einer erheblichen Verkürzung des Verfahrens führen (Geständnis).

  • Spätestens mit Rechtshängigkeit sind wir im gerichtlichen Verfahren- oder ist mir da was entgangen?


    Eine Rechtshängigkeit gibt es jedenfalls in Strafsachen nicht.

    Unabhängig davon kann eine anwaltliche Beratung auch zu einer erheblichen Verkürzung des Verfahrens führen (Geständnis).

    Ganz nebenbei ist das Hauptverfahren nach Zustellung der Anklageschrift noch lange nicht eröffnet, da sind wir erstmal im Zwischenverfahren - und hier kann durchaus auch noch rauskommen, dass das Hauptverfahren bei entsprechendem Vortrag nicht eröffnet wird. :D Mir würde nun ganz und gar nicht einleuchten, warum in diesem Stadium eine anwaltliche Beratung nicht möglich sein soll.

    Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers. (Oscar Wilde)

  • War natürlich auf dein Zivil Fall bezogen

    Das sehe ich auch im Zivilverfahren nicht so. Zumindest eine Beratung zur Frage ob ich mich verteidigen soll ist noch möglich, wenn ich zum ersten mal mit der Klage konfrontiert werde (anders aber zB wenn das Mahnverfahren vorausgegangen ist und ich mich eingelassen oder die Fristen verstreichen lassen habe).

  • ...

    Ganz nebenbei ist das Hauptverfahren nach Zustellung der Anklageschrift noch lange nicht eröffnet, da sind wir erstmal im Zwischenverfahren - und hier kann durchaus auch noch rauskommen, dass das Hauptverfahren bei entsprechendem Vortrag nicht eröffnet wird. :D Mir würde nun ganz und gar nicht einleuchten, warum in diesem Stadium eine anwaltliche Beratung nicht möglich sein soll.


    Dass sich mit einer Stellungnahme und/oder anwaltliche Beratung noch etwas veränden kann, ist aber doch nicht das Kriterium für die Gewährung von BerH in Abgrenzung zu PkH, Pflichtverteidigung o.ä.

    Wenn die Möglichkeit der Änerung des Ergebnisses alleine das ausschlaggebende Kriterium wäre, dann müsste man auch BerH für die gegenäußerung im Rwvisionsverfahren (Strafrecht und Zivilrecht) gewähren.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Um eine mögliche Ergebnisänderung gings mir gar nicht - aber meine Vorschreiber hörten sich z. T. so an, als sei mit Anklagezustellung eigentlich alles schon gegessen und überhaupt sei es da schon sicher wie das Amen in der Kirche, dass eine Hauptverhandlung stattfindet; soweit ist es da aber halt nunmal noch gar nicht.

    Ganz nebenbei: Von einer Gegenäußerung mal abgesehen, wie sähe es denn überhaupt aus mit BerH bezüglich der Frage der Einlegung eines Rechtsmittels in Strafsachen?

    Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers. (Oscar Wilde)

  • Hier würde ich auch zur Gewährung von Beratungshilfe tendieren, als Rechtspfleger auf der Rechtsantragsstelle auch drauf hinwirken, daß die Rechtsmittelfrist beachtet wird und ggf. das Rechtsmittel protokollieren.

  • Hallöchen,

    ich hätte hier auch einen Beratungshilfeantrag nach Zustellung der Anklageschrift.
    Beratung ist noch nicht erfolgt, der Antrag ist am 08.02. eingegangen.

    Grundsätzlich hätte ich kein Problem, in diesem Stadium noch Beratungshilfe zu bewilligen, da man sich zu Sinn oder Unsinn einer Verteidigung durchaus informieren können sollte.
    Nun hatte ich beim Strafgericht angerufen, um in Erfahrung zu bringen, ob bereits irgendeine Einlassung erfolgt ist. Man hat mir mitgeteilt, dass der Betreuer der Antragstellerin die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragt hat. Wann der Antrag eingegangen ist, konnte man mir nicht sagen, da die Akte bereits unterwegs zum Entscheider ist. Im Übrigen gibt es nichts Neues seit der Anklageschrift.

    Spätestens jetzt ist die Antragstellerin doch im Verfahren und ich bin raus aus der Nummer, oder?

  • Meine Meinung:

    Beratungshilfe kann gemäß § 1 Absatz 1 BerHG nur außerhalb gerichtlicher Verfahren bewilligt werden. Beratungshilfe soll den außergerichtlichen Bereich der Beratung und Vertretung abdecken. Beratungshilfe kann also nur bewilligt werden, solange der Antragsteller noch nicht Beteiligter eines Gerichtsverfahrens ist. Maßgeblich ist, ob sich der Rechtssuchende subjektiv aus seiner Sicht noch außerhalb oder bereits innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens befindet (Groß, Beratungshilfe/ Prozesskostenhilfe/ Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, § 1 BerHG Rn. 16).

    Nach der Zustellung einer Klage in einem Zivilprozess hat der Beklagte die Möglichkeit sich zu entscheiden, ob er sich aktiv an dem Prozess beteiligt, oder ob er sich nur passiv verhält und sich nicht am Prozess beteiligt. Solange sich der Beklagte noch nicht aktiv am Zivilprozess beteiligt, befindet er sich aus seiner Sicht noch nicht innerhalb eines Gerichtsverfahrens. Die Wahrnehmung von Rechten ist noch außergerichtlich im Sinn des § 1 BerHG.

    Anderes gilt jedoch bei einem Strafprozess. Mit der Zustellung der Anklageschrift an den Angeklagten wird dieser automatisch zum Beteiligten eines Strafprozesses. Eine Möglichkeit sich dazu zu entscheiden sich nicht am Strafprozess zu beteiligen gibt es nicht. Der Antragsteller befindet sich bereits aus seiner Sicht innerhalb eines Gerichtsverfahrens. Beratungshilfe kann deshalb nicht mehr bewilligt werden.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!