Erbfolge nachgewiesen?

  • Im Grundbuch sind Ehefrau Anna und Ehemann Bert als Eigentümer eingetragen.
    Ehefrau Anna stirbt Mai 2017

    Vorgelegt wird Erbvertrag aus dem Jahre 2001 der verstorbenen Ehefrau Anna und des noch lebenden Ehemannes Bert mit folgendem Inhalt:

    Ehefrau Anna verfügt wie folgt:
    Erbe ist mein Kind Rudi aus meiner 1. Ehe mit meinem geschiedenem Ehemann Max.
    Mein jetziger Ehemann erhält ein Vermächtnis (Wohnrecht) an unserem Haus.

    Ehemann Bert verfügt wie folgt:
    Erbin ist mein Kind Silke aus meiner 1. Ehe mit meiner verstorbenen Ehefrau Beate.
    Mein jetzige Ehefrau erhält ein Vermächtnis (Wohnrecht) an unserem Haus.

    Jeder Ehegatte behält sich vertraglich das Recht vor, von den vertragsmäßigen Verfügungen dieses Erbvertrages zurückzutreten. Der Rücktritt ist jederzeit möglich und von keinen Voraussetzungen abhängig.

    Abweichend von § 2298 Abs. 2 BGB vereinbaren wir, dass der Rücktritt nur den Wegfall der vertragsmäßigen Verfügungen beider Vertragsteile zur Folge hat. Einseitige Verfügungen bleiben wirksam, wenn sie nicht gesondert widerrufen werden. Die den Ehegatten betreffenden Bestimmungen entfallen mit der Wirkung, als ob der Ehegatte vorverstorben wäre.

    Februar 2017 lässt Ehefrau Anna vor dem Notar folgendes beurkunden:

    Rücktrittserklärung von einem Erbvertrag.

    Ich habe zusammen mit meinem Ehemann Bert einen Erbvertrag geschlossen und darin vertragsmäßige Verfügungen angeordnet. In diesem Erbvertrag haben wir uns vorbehalten, von den vertragsmäßigen Verfügungen des Erbvertrages zurückzutreten.

    Hiermit trete ich, Anna, von dem vorgenannten Erbvertrag zurück.

    Erbfolge nachgewiesen aufgrund Erbvertrages: Rudi?

  • Hab ich was Überlegen oder steht tatsächlich nichts zur Vertragsmäßigkeit der Bestimmungen drin? (Außer dass man von diesen zurücktreten kann)

  • Es gibt zwei mögliche Auslegungsvarianten:

    1. Der Rücktritt betrifft den gesamten Vertrag und damit auch die einseitigen Verfügungen.

    2. Der Rücktritt betrifft nur die vertragsmäßigen Verfügungen.

    Das Gesetz geht von Variante 1 aus. § 2299 Abs. 3 BGB besagt: "Wird der Erbvertrag durch Ausübung des Rücktrittsrechts oder durch Vertrag aufgehoben, so tritt die Verfügung außer Kraft, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist."

    Meines Erachtens ist hier durch die Regelung im Erbvertrag klargestellt, dass ein Rücktritt vom Erbvertrag nur die vertagsgemäß getroffenen Verfügungen, also "ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist." Dementsprechend ist zu ermitteln, welche Verfügungen vertragsmäßig getroffen sind und welche nicht. Wenn dazu nichts weiter geregelt ist, würde ich davon ausgehen, dass die Vermächtnisse vertragsmäßig sind und die jeweiligen Erbeinsetzungen nicht.

    Im Ergebnis: Ja, Erbfolge nachgewiesen.

  • Welche Verfügungen sind denn überhaupt vertragsmäßig? Im Ervertragstext steht hierzu nämlich nix. Also sind entweder alle oder keine Verfügungen vertragsmäßig. (Ich tendiere zu alle). Also entweder trat die Ehefrau von etwas zurück, was es nicht gibt, oder sie ist vom gesamten Vertrag zurückgetreten. Dass muss meines Erachtens aber nicht das GBA feststellen

    => Erbschein.

  • Kann man hieraus nicht entnehmen, dass nur die wechselseitige Berufung als Vermächtnisnehmer vertragsmäßig sein soll? Dass die Berufung des jeweils eigenen Kindes im Verhältnis zum jeweils anderen Ehegatten vertragsmäßig sein soll, dürfte auch nicht anzunehmen sein.

    Natürlich wäre es vernünftig, klar zu regeln, was vertragsmäßig sein soll und was nicht. Vielleicht ist es auch so und die Fragestellerin hat es nur nicht mitgeteilt (oder übersehen).

  • Welche Verfügungen sind denn überhaupt vertragsmäßig? Im Ervertragstext steht hierzu nämlich nix. Also sind entweder alle oder keine Verfügungen vertragsmäßig. (Ich tendiere zu alle). Also entweder trat die Ehefrau von etwas zurück, was es nicht gibt, oder sie ist vom gesamten Vertrag zurückgetreten. Dass muss meines Erachtens aber nicht das GBA feststellen

    => Erbschein.

    Das stimmt so nicht ganz. Es können sehr wohl einzelne Verfügungen vertragsgemäss sein. Dass dazu nichts ausdrücklich geregelt ist, macht es zu einem schlechten Erbvertrag, ändert aber nichts an der Art der Verfügung.

    "Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen zugunsten von Personen, die nicht mit dem anderen Vertragschließenden verwandt sind und diesem auch nicht persönlich nahe stehen, sind dagegen regelmäßig einseitig testamentarischer Natur (BGH NJW 1961, 120; BayObLG Rpfleger 1983, 71). Dies gilt vor allem, wenn die Vertragschließenden schlechthin oder für den Fall des Todes des Überlebenden jeweils die eigenen Verwandten zu Erben einsetzen oder durch Vermächtnisse oder Auflagen begünstigen. " (BeckOK BGB 2278 Rn 6).

    Das finde ich in diesem Fall relativ eindeutig bestimmbar, da die Erbeinsetzung die eigenen Verwandten betrifft, das Vermächtnis aber den Vertragspartner.

  • Das Grundbuchamt kann auch keinen Erbschein verlangen, weil die Auslegung schwierig oder unklar ist:

    "Dabei hat das Grundbuchamt auch bei rechtlich schwierigen Fragen die Verfügung selbständig auszulegen (BayObLG Rpfleger 1995, 249) und die gesetzlichen Auslegungsregeln anzuwenden (OLG Stuttgart Rpfleger 1992, 154; OLG Hamm RNotZ 2013, 633). Die Pflicht zur umfassenden Auslegung bezieht sich auch auf eine etwaige Nach- und Ersatznacherbfolge bzw. etwaige Befreiungen des Vorerben (OLG München BeckRS 2012, 4409)."

    (becOK, GBO 35, Rn.104)

  • Welche Verfügungen sind denn überhaupt vertragsmäßig? Im Ervertragstext steht hierzu nämlich nix. Also sind entweder alle oder keine Verfügungen vertragsmäßig. (Ich tendiere zu alle). Also entweder trat die Ehefrau von etwas zurück, was es nicht gibt, oder sie ist vom gesamten Vertrag zurückgetreten. Dass muss meines Erachtens aber nicht das GBA feststellen => Erbschein.

    Das stimmt so nicht ganz. Es können sehr wohl einzelne Verfügungen vertragsgemäss sein. Dass dazu nichts ausdrücklich geregelt ist, macht es zu einem schlechten Erbvertrag, ändert aber nichts an der Art der Verfügung.

    Natürlich hast du da recht. Die Auslegung dem Nachlassgericht zuzuschieben hätte halt den Charme, dass du zwar u.U. mehrere GBAs beteiligt hast die zu unterschiedlichen Auslegungen kommen, es aber nur ein Nachlassgericht gibt dessen Auslegung dann für alle bindend wäre. Und wie du so schön sagst "schlechter Erbvertrag". Wäre es ein "schöner eindeutiger Erbvertrag" wäre ja die Problemstellung nicht aufgetaucht. Ich halte trotzdem das Nachlassgericht für am Zug und nicht das GBA, aber andere Ansicht durchaus vertretbar.

  • Ich würde hier auch einen Erbschein verlangen. Denn es geht hier nicht um rechtlich schwierige Fragen, sondern um die Frage , was die Parteien des Erbvertrages hier tatsächlich wollten. Zu klären ist, welche der im Erbvertrag enthaltenen Verfügungen vertragsgemäß und welche einseitig sein sollen. Das heißt, es geht um die Ermittlung des tatsächlichen Willens der Vertragsparteien. Ermittlungen hierzu sind jedoch nicht vom Grundbuchamt, sondern durch das Nachlassgericht anzustellen, vgl. Schöner/Stöber, 15. Aufl., Rdnr. 788.

  • [quote='Tyrael','RE: Erbfolge nachgewiesen? andere Ansicht durchaus vertretbar.

    Diesbezüglich sind wir uns jedenfalls einig :D Ich halte es hier insbesondere für vertretbar, da in Frage steht, ob überhaupt noch ein gültiger Erbvertrag vorliegt. Die Tatsache, dass verschiedene Grundbuchämter zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, würde ich nicht genügen lassen. Das kann in allen möglichen Bereichen mit allen möglichen Rechtsfragen ebenfalls passieren.

    [quote='thorsten','RE: Erbfolge nachgewiesen?'] vgl. Schöner/Stöber, 15. Aufl., Rdnr. 788.

    Die Fundstelle im Schöner/Stöber bezieht sich darauf, dass das Grundbuch keine Tatsachenermittlungen anstellen muss. Die Tatsachen liegen aber (unstreitig) auf dem Tisch. Die Auslegung der vorhandenenen Erklärungen ist eine Rechts- und keine Tatsachenfrage.


  • Die Fundstelle im Schöner/Stöber bezieht sich darauf, dass das Grundbuch keine Tatsachenermittlungen anstellen muss. Die Tatsachen liegen aber (unstreitig) auf dem Tisch. Die Auslegung der vorhandenenen Erklärungen ist eine Rechts- und keine Tatsachenfrage.

    Doch, denn man könnte durchaus überlegen mal beim beurkundenden Notar anzufragen ob er noch Aufzeichnungen über die Vorgespräche zur Beurkundung hat aus welchen sich etwas ergibt, oder ob der betreffende Notar bei Erbverträgen nie etwas dazu geschrieben hat was erbvertragsmäßig war und was nicht. Das könnte schon ein bischen Licht bringen. Das ist aber Tatsachenermittlung.

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