Einzelvertretung der GbR

  • Wie oben unter Hinweis auf Schäfer im Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 712 RN 22 mwN in Fußn. 36 ausgeführt, ist § 712 Absatz 1 BGB, der die Entziehung der Geschäftsführerbefugnis aus wichtigem Grund regelt, jedoch grundsätzlich abdingbar.

    Schäfer sagt aber auch eine Randnummer später (Rn. 23), dass das nur deshalb gelten kann, weil eine Möglichkeit besteht, den Geschäftsführer auf anderem Wege loszuwerden.

    "Die Mitgesellschafter werden dadurch nicht der Willkür des oder der Geschäftsführer ausgeliefert, da ihnen in jedem Fall das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund, im Rahmen von § 737 auch das Ausschließungsrecht verbleibt."

    Das heißt, aus einer Gründungsurkunde kann ich nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob der damals bestellte Geschäftsführer noch Alleinvertretungsbefugnis hat oder nicht.

    Der von kingbo ins Feld geführte § 712 Absatz 2 BGB betrifft die Kündigung durch den geschäftsführenden Gesellschafter und nicht die Frage seiner Abberufung durch die übrigen Gesellschafter.

    Stimmt. Falsches Zitat geposted.

  • Zitat

    Volmer in Keller/Munzig, Grundbuchrecht – Kommentar, 7. Auflage 2015, § 32 GBO RN 31 (Der Gesellschaftsvertrag ist keine Vollmachtsurkunde und genießt selbst bei notarieller Beurkundung/Beglaubigung keinen Vertrauensschutz nach § 172 BGB (arg.: nachträgliche Änderung denkbar))

    Halte ich für unglücklich formuliert. Ohne Möglichkeit zur Änderung bedürfte es ohnehin keines Rechtsscheins.

  • ..

    Schäfer sagt aber auch eine Randnummer später (Rn. 23), dass das nur deshalb gelten kann, weil eine Möglichkeit besteht, den Geschäftsführer auf anderem Wege loszuwerden.

    "Die Mitgesellschafter werden dadurch nicht der Willkür des oder der Geschäftsführer ausgeliefert, da ihnen in jedem Fall das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund, im Rahmen von § 737 auch das Ausschließungsrecht verbleibt."

    ...

    Das Zitat bei MÜKo/Schäfer RN 23 bezieht sich auf den völligen Ausschluss des Rechts auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis. In solchen Fällen verbleibt den übrigen Gesellschaftern die Möglichkeit, nach Kündigung aus der Gesellschaft auszuscheiden.

    Das besagt aber nicht, dass es wegen der Möglichkeit der Kündigung durch die übrigen Gesellschafter auch möglich ist, den allein vertretungsberechtigten Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag auf Lebenszeit zu bestellen.

    Im Vereinsrecht kann durch die Satzung die Widerruflichkeit der Bestellung nicht ausgeschlossen werden (§ 40 BGB). Daher ist etwa eine Satzungsbestimmung über die Bestellung einer bestimmten Person zum Vorstand auf Lebenszeit ohne jegliche Widerrufsmöglichkeit unwirksam (Weick im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 27 RN 14 unter Zitat LG Tübingen, Rpfleger 1995, 258, 259).

    Bei der GmbH geht der BGH im Urteil vom 16.02.1981, II ZR 89/79, davon aus, dass es ein unentziehbares Gesellschaftsrecht auf Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH und Belassung in diesem Amt nur vorbehaltlich eines Widerrufs aus wichtigem Grund nach § 38 Abs 2 GmbHG geben kann.

    Bei der GbR kann aber der Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes das Recht zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis ausgeschlossen ist. Auch das Ausschließungsrecht nach § 737 BGB, also für den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag eine auf den Kündigungsfall bezogene Fortsetzungsklausel enthält, ist abdingbar (Erman/Westermann, § 737 BGB RN 6; BeckOK/Schöne BGB, § 737 RN 20).

    In diesen Fällen scheidet mE die Bestellung des allein vertretungsberechtigten Gesellschafters auf Lebenszeit aus.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Ist vorliegend im Gesellschaftsvertrag das Recht zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis gänzlich ausgeschlossen worden, kann mE keine Geschäftsführerbestellung auf Lebenszeit in Betracht kommen, ansonsten wohl aber schon.

    Andersrum? Urteil des FG Düsseldorf vom 12.04.1996; 14 K 5291/92 E:

    "Auch die unwiderrufliche Übertragung der Geschäftsführung auf „X.“ ist kein Umstand, der geeignet wäre, ihn als wirtschaftlichen Alleineigentümer des Grundstücks erscheinen zu lassen. Die unwiderrufliche Übertragung der Geschäftsführung war mit § 712 Abs. 1 BGB als einer ausnahmsweise zwingenden Regelung im Rahmen der Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts unwirksam."

    Sofern man mit der h.M. von der Abdingbarkeit des § 712 Abs. 1 BGB ausgeht, kann der Geschäftsführer "lebenslang", wenigstens aber bis zu seinem sonstigen Ausscheiden aus der Gesellschaft bestellt werden.

  • Sehe ich anders. Gerade der Umstand, dass § 712 BGB -und damit das Recht, den Geschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen- abbedungen werden kann, führt dazu, dass er in einem solchen Fall eben nicht auf Lebenszeit bestellt werden kann. Es kann sich nicht anders verhalten wie im sonstigen Gesellschaftsrecht. Nichts anderes ergibt sich aus Rz. 66 des Urteils des FG Düsseldorf vom 12.04.1996; 14 K 5291/92 E, das § 712 BGB für zwingend hält.

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  • Nein. Der Geschäftsführer kann nicht unwiderruflich bestellt sein, solange die Gesellschafter ihm die Geschäftsführung über den § 712 Abs. 1 BGB wieder entziehen können. Erst wenn den Gesellschaftern die Möglichkeit hierzu genommen wird, indem man den § 712 Abs. 1 BGB abbedingt, ist die Bestellung tatsächlich unwiderruflich. Die Gesellschafter können dann aber immer noch auf andere Weise einwirken (vgl. BeckOK/Schöne BGB § 712 Rn. 3; "Auch dann ist nicht zu befürchten ...").

  • Die von BeckOK/Schöne in § 712 BGB RN 3 propagierte Änderung des Gesellschaftsvertrages setzt bei der Gewährung von Sonderrechten die Mitwirkung des Sonderrechtsinhabers voraus. Und der Ausschluss nach § 737 BGB ist ebenfalls abdingbar. Die Kündigung aus wichtigem Grund nach § 723 BGB betrifft die Beendigung der Gesellschaft. Mit dem Entzug der Geschäftsführerbefugnis soll jedoch nicht die Gesellschaft beendet werden, sondern die Geschäftsführungsbefugnis. Das geht nur dann, wenn das Sonderrecht, die Bestellung auf Lebenszeit, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes beendet werden kann. Und setzt wiederum voraus, dass die Möglichkeit, den Geschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen, im Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen wurde

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  • Und der Ausschluss nach § 737 BGB ist ebenfalls abdingbar. Die Kündigung aus wichtigem Grund nach § 723 BGB betrifft die Beendigung der Gesellschaft.

    Schön. Ist der § 737 BGB im Gesellschaftsvertrag abbedungen, verbleibt als Ultima Ratio nur noch die Kündigung (vgl. BeckOK/Schöne BGB § 737 Rn. 21). Wegen dieser Möglichkeiten ist der § 712 Abs. 1 BGB abdingbar. Ändert aber nichts daran, dass man mit einem Kündigungsrecht nach § 712 Abs. 1 BGB nicht zu einer unwiderruflichen Geschäftsführung kommt. Vgl. eben das FG Düsseldorf, das insoweit zum selben Ergebnis kommt.

  • Die von BeckOK/Schöne in § 712 BGB RN 3 propagierte Änderung des Gesellschaftsvertrages setzt bei der Gewährung von Sonderrechten die Mitwirkung des Sonderrechtsinhabers voraus. Und der Ausschluss nach § 737 BGB ist ebenfalls abdingbar. Die Kündigung aus wichtigem Grund nach § 723 BGB betrifft die Beendigung der Gesellschaft. Mit dem Entzug der Geschäftsführerbefugnis soll jedoch nicht die Gesellschaft beendet werden, sondern die Geschäftsführungsbefugnis. Das geht nur dann, wenn das Sonderrecht, die Bestellung auf Lebenszeit, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes beendet werden kann. Und setzt wiederum voraus, dass die Möglichkeit, den Geschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen, im Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen wurde

    Kurz zusammengefasst: Versteh ich dich richtig, dass Du der Auffassung bist, dass man eine GbR konstruieren kann, bei der es einen Geschäftsführergesellschafter gibt, den man auf keine denkbare Weise los wird?

  • Die von BeckOK/Schöne in § 712 BGB RN 3 propagierte Änderung des Gesellschaftsvertrages setzt bei der Gewährung von Sonderrechten die Mitwirkung des Sonderrechtsinhabers voraus. Und der Ausschluss nach § 737 BGB ist ebenfalls abdingbar. Die Kündigung aus wichtigem Grund nach § 723 BGB betrifft die Beendigung der Gesellschaft. Mit dem Entzug der Geschäftsführerbefugnis soll jedoch nicht die Gesellschaft beendet werden, sondern die Geschäftsführungsbefugnis. Das geht nur dann, wenn das Sonderrecht, die Bestellung auf Lebenszeit, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes beendet werden kann. Und setzt wiederum voraus, dass die Möglichkeit, den Geschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen, im Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen wurde

    In gleicher Weise allerdings -> MüKo/Schäfer BGB § 712 Rn. 23:

    "Die Mitgesellschafter werden dadurch nicht der Willkür des oder der Geschäftsführer ausgeliefert, da ihnen in jedem Fall das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund, im Rahmen von § 737 auch das Ausschließungsrecht verbleibt."

  • Sehe ich anders. Gerade der Umstand, dass § 712 BGB -und damit das Recht, den Geschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen- abbedungen werden kann, führt dazu, dass er in einem solchen Fall eben nicht auf Lebenszeit bestellt werden kann. Es kann sich nicht anders verhalten wie im sonstigen Gesellschaftsrecht. Nichts anderes ergibt sich aus Rz. 66 des Urteils des FG Düsseldorf vom 12.04.1996; 14 K 5291/92 E, das § 712 BGB für zwingend hält.

    Hätte man es wie sonst im Gesellschaftsrecht zu sehen, wäre der § 712 Abs. 1 BGB wohl tatsächlich nicht abdingbar (vgl. EBJS/Drescher HGB § 117 Rn. 35; Baumbach/Hopt/Roth HGB § 117 Rn. 11; "die Alternativen den übrigen Gesellschaftern häufig nicht zumutbar")

  • /QUOTE]...

    In gleicher Weise allerdings -> MüKo/Schäfer BGB § 712 Rn. 23:

    "Die Mitgesellschafter werden dadurch nicht der Willkür des oder der Geschäftsführer ausgeliefert, da ihnen in jedem Fall das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund, im Rahmen von § 737 auch das Ausschließungsrecht verbleibt."

    Na ja, da siehst Du es ja: Es muss den übrigen Gesellschaftern das Recht auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis aus wichtigem Grund verbleiben, darf also nicht abbedungen sein. Nur dann ist auch die Bestellung des Geschäftsführers auf Lebenszeit möglich. Ansonsten würde ja das eintreten, was kingbo befürchtet, nämlich dass man eine GbR konstruieren könnte, bei der es einen Geschäftsführergesellschafter gibt, den man auf keine denkbare Weise los wird.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Kurz zusammengefasst: Versteh ich dich richtig, dass Du der Auffassung bist, dass man eine GbR konstruieren kann, bei der es einen Geschäftsführergesellschafter gibt, den man auf keine denkbare Weise los wird?

    Ist der § 712 Abs. 1 BGB unter vollständigem Verzicht auf das Kündigungsrecht abdingbar, sind die Folgen für die Gesellschafter offenbar doch zumutbar. Ist er insoweit nicht abdingbar, kann keine unwiderrufliche Geschäftsführung übertragen werden. Nach eurer Ansicht ist er doch aber abdingbar!

  • Geht die Frage an mich?

    Nein, die Frage ging eigentlich an Prinz, aber deine Meinung dazu interessiert mich natürlich genauso ;) dich hatte ich schon zuvor so verstanden, dass du auch der Auffassung bist, dass es das im Ergebnis nicht geben kann.

  • Die Frage habe ich aber doch eigentlich schon hinreichend beantwortet, oder? Hier mein letztes Statement in dieser Sache:

    Wie oben
    http://rechtspflegerforum.de/showthread.php…429#post1118429

    ausgeführt, wird die Bestellung eines Geschäftsführers auf Lebenszeit deshalb für zulässig gehalten, weil den übrigen Gesellschaftern die Möglichkeit verbleibt, den Geschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen. Grundsätzlich handelt es sich bei Sonderrechten um unentziehbare Rechte der Gesellschafter, in die ohne Zustimmung des Betroffenen nicht eingegriffen werden kann (BGH, Urteil vom 30.11.1961, II ZR 137/60 unter Zitat RGZ 148, 175, 186; BGHZ 15, 177, 181 m. w. Nachw.). Jedoch kann ein Sonderrecht ohne Zustimmung des Berechtigten ausnahmsweise entzogen oder eingeschränkt werden, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliegt (OLG Nürnberg, Urteil vom 10.11.1999, 12 U 813/99 unter Zitat Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Auflage, § 14 Rn. 18). Das GbR-Recht sieht in § 711 BGB lediglich die Einzelvertretungsbefugnis, nicht hingegen die Bestellung des Geschäftsführers auf Lebenszeit vor. Wenn hierfür die Vorschriften des Vereinsrechts (§ 35 BGB) über Sonderrechte entsprechend angewendet werden (Erman/Westermann, § 709 BGB RN 33), dann sind auch die weiteren, im Vereinsrecht geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Wie oben ausgeführt, kann im Vereinsrecht durch die Satzung die Widerruflichkeit der Bestellung nicht ausgeschlossen werden (§ 40 BGB). Daher ist etwa eine Satzungsbestimmung über die Bestellung einer bestimmten Person zum Vorstand auf Lebenszeit ohne jegliche Widerrufsmöglichkeit unwirksam (Weick im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 27 RN 14 unter Zitat LG Tübingen, Rpfleger 1995, 258, 259). Nichts anderes kann dann für den GbR-Gesellschafter gelten. Also kommt die Bestellung des GbR-Geschäftsführers auf Lebenszeit nur dann in Betracht, wenn die Möglichkeit der Abberufung aus wichtigem Grund im Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen wurde.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Die Frage habe ich aber doch eigentlich schon hinreichend beantwortet, oder?

    Eigentlich ja, ich konnte nur aus deinen langen Ausführungen nicht verständlich herauslesen, was Du dazu IM ERGEBNIS denkst. :) Dann sind wir uns im Ergebnis ja einig.

  • Also kommt die Bestellung des GbR-Geschäftsführers auf Lebenszeit nur dann in Betracht, wenn die Möglichkeit der Abberufung aus wichtigem Grund im Gesellschaftsvertrag nicht abbedungen wurde.

    Und was, wenn sie es nachträglich tun? Wenn widerruflich bedeutet, dass nur aus wichtigem Grund widerrufen werden kann, wäre es doch naheliegender, dass der § 712 Abs. 1 BGB gar nicht vollständig abbedungen werden kann. Siehe obige Kommentierung zum § 117 HGB. Und ohne Vereinsrecht.

    Einmal editiert, zuletzt von 45 (23. August 2017 um 11:57)

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