Wir fragen uns hier gerade, wie zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshof zu werten sind.
Will man jetzt Zwangsvollstreckungsmaßnahmen generell nicht mehr als Indiz, welches auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit hindeutet, werten? So werden die Entscheidungen des Bundesgerichtshof durch verschiedene Gläubiger bereits interpretiert.
Oder aber soll eine erste Zwangsvollstreckung, bei der unmittelbar danach eine Einmal- oder auch Ratenzahlung erfolgt, nicht mehr für eine Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO taugen .
In seiner Entscheidung vom 22.06.2017, IX ZR 111/14, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei einer einmaligen Geschäftsbeziehung eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit selbst dann nicht vorliegt, wenn nach monatelangen Schweigen und der späteren Einleitung einer Zwangsvollstreckung die Forderung kurzfristig ausgeglichen wird.
Der Bundesgerichtshof betont dabei: "Zum Schutz vor einer möglichen Zahlungsunwilligkeit, bewussten Zahlungsverzögerungen oder einem erzwungenen Lieferantenkredit muss dem Gläubiger, demgegenüber erstmalig ein Zahlungsrückstand auftritt und der über keine weiteren Erkenntnisse zur Zahlungsfähigkeit des Schuldners verfügt, möglich sein, außerhalb des von der besonderen Insolvenzanfechtung erfassten Zeitraums seine Forderung ohne Anfechtungsrisiko auf gerichtlichem Weg durchzusetzen."
Dies leuchtet mir insoweit noch ein, dass man in derartigen Fällen wohl im Einzelfall auch von einer Zahlungsunwilligkeit, welche mittels der Einleitung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gebrochen werden muss, ausgehen kann.
Nun hat der Bundesgerichtshof dies in seinem Urteil vom 06.07.2017, IX ZR 178/16, auch auf einen Fall erstreckt, indem eben keine Einmalzahlung erfolgte, sondern der Insolvenzschuldner beim Gerichtsvollzieher um die Gewährung einer Ratenzahlung nachsuchte.
Hier meine ich, dass das unter der Prämisse, dass der Gläubiger im Fall des § 133 Abs. 1 InsO ohne Beschränkungen zur Zwangsvollstreckung berechtigt ist, deutlich zu weit geht. Jeder lediglich zahlungsunwillige Schuldner wird im Fall der Zwangsvollstreckung die Forderung ausgleichen. Wenn er nicht einmal dies kann, demonstriert er doch sehr genau, dass er nicht solvent ist.
Oder muss man den Gesamtkontext wie folgt interpretieren: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders." [Es wird mehrfach betont, dass die Wertung des Berufungsgerichts unter der Prämisse der Revisionsinstanz nicht beanstandet werden kann bzw. das Berufungsgericht zu dem Schluss kommen kann, dass ....']
Auf einem Seminar in 11/2016 hat der BGH-Richter Gehrlein gemeint, dass der Bundesgerichtshof über eine starke Beschränkung der Insolvenzanfechtung nachdenkt und wir uns noch sehr wundern werden . Ist es jetzt tatsächlich schon soweit?