Die Genehmigung einer Ausschlagungserklärung aus der Sicht des Nachlassgerichts

  • Die Frage,wie mit einem rechtskräftigen Genehmigungsbeschluss zu verfahren ist, bereitet in der nachlassgerichtlichen Praxis aufgrund unterschiedlicher Bearbeitungsweisen durch die Familien - und Betreuungsgerichte (künftig:Genehmigungsgerichte) zuweilen erhebliche Probleme.

    Hierbei ist auffällig, dass gerade die Berliner Familiengerichte – nicht jedoch Betreuungsgerichte und auswärtige Familiengerichte – Auffassungen vertreten, die ich nicht als zutreffend ansehe.

    Ich halte es daher für geboten, die Problematik – selbstverständlich unter Beachtung des § 9 RpflG – aus Sicht des Nachlassgerichts zu erörtern und weise bereits an dieser Stelle auf Folgendes hin:

    Es kann dahinstehen, welche Auffassung die Genehmigungsgerichte zur Frage der Wirksamkeit einer rechtskräftigen familiengerichtlichen Genehmigung vertreten, da im Ergebnis einzig die Ansicht des jeweils zuständigen Nachlassgerichts maßgeblich ist.

    Dieses hat zum Beispiel im Falle von Gläubigeranfragen, spätestens jedoch bei Vorliegen eines Erbscheinsantrags über die Wirksamkeit einer Ausschlagungserklärung eines gesetzlichen Vertreters (Elternteile, Vormünder, Betreuer etc.) zu befinden.

    Die Nachlassgerichte sollten daher erwarten dürfen, dass Vorstehendes von den Familien- und Betreuungsgerichten
    – schon aus Haftungsgründen - respektiert und bei der Korrespondenz etc. mit den gesetzlichen Vertretern auch beachtet wird.

    Sollten sich später im nachlassgerichtlichen Verfahren Probleme ergeben, wären diese dort oder im jeweiligen Beschwerdeverfahren zu klären.

    Der guten Ordnung halber mache ich darauf aufmerksam, dass Literatur und Rechtsprechung an der von den Berliner Familiengerichten oftmals zitierten – dem Unterzeichner selbstverständlich bekannten – Aufsatz von Prof. Sonnenfeld und Dipl. - RpflZorn (RPfleger 2004, 533 ff) vertretenen Ansicht schon seit geraumer Zeit nicht mehr festhalten.

    Nur beispielhaft für die Vielzahl der diesbezüglichen Veröffentlichungen weise ich auf die vier Nachstehenden hin:

    · Kammergericht, Beschluss vom04.09.2015 – 6W 92/15
    · OLG Brandenburg, Beschlussvom22.4.2014–3 W 13/14
    · Jürgens, BtR, BGB, § 1831 Rn. 1 – 8,beck – online
    · Schindler: ZEV-Report Zivilrecht, ZEV 2015, 13

    Soweit nun jüngst von den Familiengerichten zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung auf die im vorgenannten Beschluss des Kammergerichts zitierte Entscheidung des Reichsgerichts vom 29.09.1927 (RGZ 118, 145 ff) verwiesen wird, ist Folgendes zu beachten:

    Sowohl das Kammergericht als auch das Reichsgericht haben eindeutig entschieden, dass der (nach Inkrafttreten des FamFG nunmehr rechtskräftige) Genehmigungsbeschluss vom gesetzlichen Vertreter selbst innerhalb der Ausschlagungsfrist einzureichen ist.

    Das Reichsgericht begründet dies auch mit der überzeugenden Analogie zu § 1945 Abs.3 BGB betreffend die fristgemäße Nachreichung einer formgültigen Vollmacht durch den Bevollmächtigten selbst; in den gerichtlichen Genehmigungsfällen tritt somit lediglich der vom gesetzlichen Vertreter nachzureichende Beschluss an die Stelle der ansonsten vom Bevollmächtigten nachzureichenden Vollmacht.

    Auffällig und interessant an der Entscheidung des Reichsgerichts ist, dass dieses seinerzeit noch nicht mit der
    – inzwischen auch geklärten – Problematik der Hemmung der Ausschlagungsfrist während des Genehmigungsverfahrens befasst war; dies steht allerdings in keinem relevanten Zusammenhang mit der hier behandeltenFrage der Gebrauchmachung.

    Das Kammergericht greift die Entscheidung des Reichsgerichts meines Erachtens im Wesentlichen nur deshalb auf, weil es deutlich machen will, dass es in den in Rede stehenden Fällen keiner Vorgenehmigung bedarf, sondern ein fristgerechtes Nachreichen zulässig ist.
    Zur Begründung wird zutreffend ausgeführt, dass die gesetzlichen Vertreter die Dauer des gerichtlichen Genehmigungsverfahrens nicht beeinflussen können und die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen bei Einholung einer vorherigen Genehmigung oft nicht gewahrt wäre.

    Es ist nunauch noch auf einen weiteren Punkt einzugehen, den die Familiengerichte neuerdings der Entscheidung des Reichsgerichts entnehmen, um ihre Ansicht zubelegen; hierbei handelt es sich um einen Teil des letzten Absatzes der Entscheidung vom 29.09.1927.

    Hierin heißt es: „Damit soll nicht gesagt werden, daß der Nachweis einer wirksamen Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung beim Nachlaßgericht nur durch solche Vorlegung des Genehmigungsbeschlusses geführt werden kann.“

    Daraus zuschließen, dass es sehr wohl möglich sein soll, die Frist durch eine rechtzeitige Mitteilung des Familiengerichts (oder des Betreuungsgerichts) zu wahren, halte ich schon allein deshalb für falsch, weil hier völlig außer Acht gelassen wird, dass das Reichsgericht unmittelbar im Anschluss an den oben zitierten Text weiter Folgendes ausführt:

    „Es kann vielmehr im einzelnen Falle genügen, wenn (…) der gesetzliche Vertreter in derAusschlagungserklärung anzeigt, das namhaft gemachte Amtsgericht habe ihm durch einen nach Datum und Aktenzeichen angeführten, ihm am angegebenen Tagezugestellten Beschluß die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zur Ausschlagung erteilt.“

    Schon hieraus ist zu ersehen, dass das Reichsgericht neben der Vorlage der nach Abgabe derAusschlagungserklärung erteilten Genehmigung einzig die genaue Bezeichnung eines bereits vor der Abgabe der Ausschlagungserklärung erlassenen Genehmigungsbeschlusses (Vorgenehmigung) in der Erklärung selbst für zulässig hielt und lediglich für diesen Fall die Vorlage der Beschlussausfertigung nicht als erforderlich erachtete.

    An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Frage der Vorgenehmigung in der Praxis kaum eine Rolle spielt, da die gesetzlichen Vertreter – selbst viele Berufsbetreuer– im Regelfall erst anlässlich der Abgabe der Ausschlagungserklärung vom Genehmigungsbedürfnis Kenntnis erlangen.

    Alles andere als die Gebrauchmachung durch den jeweiligen Erklärenden selbst würde im Übrigen dem Wesen der gesetzlichen Vertretung widersprechen, da nur er – nicht jedoch das Familien- bzw. Betreuungsgericht – in der Lage ist, zu demZeitpunkt, an dem der rechtskräftige Beschluss vorliegt, darüber zu befinden, ob die Einreichung beim Nachlassgericht nach wie vor dem Wohle des Vertretenen entspricht.

    Um staatliche Eingriffe in die Vertretungsmacht möglichst gering zu halten, muss es daher dem gesetzlichen Vertreter möglich sein, nach Erhalt der Genehmigungeigenverantwortlich und fristgemäß über die Gebrauchmachung zu entscheiden.

    Ansonsten wäre er für den (wenn auch nur sehr seltenen) Fall, dass genau zu diesem Zeitpunkt Anhaltspunkte für eine Werthaltigkeit des Nachlasses bekannt werden sollten, gezwungen, die Anfechtung der nach Ansicht der Familiengerichte wirksam gewordenen – nun aber nicht mehr gewollten - Ausschlagung zu erklären; dies erscheint über alles bisher Ausgeführte hinaus äußerst abwegig.

    Völlig unberührt davon bleibt die Frage seiner Rechenschaftspflicht gegenüber dem Vertretenen und dem Genehmigungsgericht im Sinne der §§ 1837, 1908 i, 1915 BGB (Bericht betreffend die Durchführung des genehmigten Rechtsgeschäfts).

    Ein weiteres Indiz dafür, dass schon der Gesetzgeber selbst die Entscheidung beim gesetzlichen Vertreter belassen wollte und auch weiterhin belassen will, ist die – soweit ersichtlich – bisher in Literatur und Rechtsprechung außer Acht gelassene Tatsache, dass weder im materiellen (BGB) noch im formellen (FamFG) Recht oder auch nur in Ausführungsvorschriften (MiZi) Regelungen bezüglich einer amtlichen Benachrichtigungspflicht der Genehmigungsgerichte enthalten sind.

    Wollte man die Wirksamkeit einer Ausschlagungserklärung tatsächlich davon abhängig machen,dass den Nachlassgerichten die rechtskräftigen Genehmigungsbeschlüsse seitens der Familien- und Betreuungsgerichte übersandt werden, wäre die Erbenstellung Minderjähriger bzw. Betreuter lediglich von der Praxis der Genehmigungsgerichte abhängig und damit rein zufällig.

    Mit Blick auf die Ausführungen des Kammergerichts im Beschluss vom 04.09.2015 in den Randnummern 4 und 5 erscheint es unnötig, dass dieses in Randnummer 6 zusätzlich noch ausführt, die Frist sei auch nicht durch die Mitteilung des Familiengerichts an das Nachlassgericht gewahrt worden, da es ja – wie in den vorhergehenden Randnummern schon ausführlich begründet - einzig und allein auf die rechtzeitige Gebrauchmachung durch den gesetzlichen Vertreter ankommt.

    Soweit seitens der Familiengerichte zur Untermauerung der eigenen Rechtsauffassung in Einzelfällen darauf verwiesen wird, dass beispielsweise an der HWR Berlin und an der FHR Nord gelehrt werde, dass die Genehmigungen auch von den Genehmigungsgerichten mitgeteilt werden können, ist anzumerken, dass dies selbstverständlich legitim ist.

    Es ist dabei jedoch zu beachten, dass hierdurch keine Rechtssicherheit für die Beteiligten – insbesondere für die schutzbedürftigen Vertretenen – erreicht werden kann, da es – wie oben ausgeführt – allein auf die Würdigung des Sachverhalts durch das Nachlassgericht ankommt.

    Daher sollten die Genehmigungsgerichte – wie bereits eingangs erwähnt – schon im Eigeninteresse (Haftung) alles dafür unternehmen, dass die gesetzlichen Vertreter selbst von den ihnen erteilten rechtskräftigen Genehmigungen fristgemäß Gebrauch machen, sofern sie nach Entgegennahme der Beschlüsse weiterhin davon überzeugt sein sollten, dass die Gebrauchmachung dem Wohle der Vertretenen entspricht.

    Eine Übersendung der Beschlüsse durch die Genehmigungsgerichte an das jeweils zuständige Nachlassgericht wäre eventuell lediglich zu Informationszwecken zu erwägen, hätte jedoch – wie beschrieben - keine rechtliche Relevanz.

    Vorstehende Ausführungen geben die langjährige Rechtsauffassung des Unterzeichners und zugleich die Praxis aller Nachlassrechtspfleger/innen des Amtsgerichts Charlottenburg per 05.09.2017 wieder.

    Ich habe die Schriftgröße mal für das Forum angepasst.
    Mel, Mod.

  • Es ist ja nicht so, dass wir das nicht schon wiederholt und - mir Verlaub - schon fast zum Erbrechen erörtert hätten.

    Hier der Hauptthread:

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ull=1#post22653

    an den sich viele weitere ähnliche Threads und Diskussionen anschlossen.

    Mit der "Berliner" Ansicht möchte ich mich eigentlich gar nicht mehr beschäftigen. Wenn jemand haftungsrechtliches Harakiri betreiben möchte, kann er nach der Berliner Ansicht verfahren.

    Ich habe zur Problematik in Rpfleger 2016, 694, 695/696 ausgeführt:

    Bedarf die Erbausschlagung einer familien- oder betreuungsgerichtlichen Genehmigung,[27] so ist die Ausschlagungsfrist gehemmt, bis dem gesetzlichen Vertreter des Ausschlagenden eine mit Rechtskraftvermerk versehene Ausfertigung des Genehmigungsbeschlusses zugeht, von dem der Vertreter sodann i. S. des § 1829 BGB durch Einreichung beim Nachlassgericht oder auf andere geeignete Weise[28] gegenüber dem Nachlassgericht Gebrauch machen muss.[29] Erfolgt dies nicht (mehr) innerhalb der Ausschlagungsfrist, so kommt eine Anfechtung der Fristversäumung nicht in Betracht, weil es sich bei diesem Unterlassen des Vertreters weder um eine tatsächliche noch um eine fingierte Willenserklärung handelt.[30] Eine Gebrauchmachung ist ohne rechtliche Wirkung und wahrt daher nicht die Ausschlagungsfrist, wenn sie bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses erfolgt, weil die Genehmigung wegen § 40 Abs. 2 S. 1 FamFG in diesem zeitlichen Stadium noch nicht wirksam ist.[31]


    [27] Zur amtswegigen Ermittlungspflicht im Genehmigungsverfahren vgl. OLG Saarbrücken FamRZ 2016, 260.
    [28] Es sollte insoweit genügen, dass der gesetzliche Vertreter dem Nachlassgericht nach dem Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses mitteilt, welches Gericht die Erbausschlagung wann und unter welchem Aktenzeichen rechtskräftig genehmigt und wann er vom Gericht die Erstausfertigung des Beschlusses und sodann die mit Rechtskraftvermerk versehene weitere Beschlussausfertigung erhalten hat (zutreffend Horn ZEV 2016, 20, 23; ebenso bereits RGZ 118, 145, 149 zur Rechtslage nach dem FGG ohne Berücksichtigung des damals noch nicht existenten Rechtskrafterfordernisses; offengelassen von OLG Brandenburg FamRZ 2015, 696 = ZEV 2014, 540). Da für diese Mitteilung keine Form vorgeschrieben ist, kann sie aus materieller Sicht auch per Fax (Horn ZEV 2016, 20, 23) und im "formlosen Extremfall" auch nur mündlich oder fernmündlich erfolgen, obwohl von Letzterem schon aus Beweisgründen Abstand genommen werden sollte.
    [29] OLG Brandenburg FamRZ 2015, 696 = ZEV 2014, 540; KG openJur 2016, 5855. Zum Erfordernis der Gebrauchmachung vgl. auch OLG Celle Rpfleger 2013, 456; OLG Koblenz Rpfleger 2014, 319 = FamRZ 2014, 1037 = ZEV 2014, 249; KG FamRZ 2016, 324; Mayer Rpfleger 2013, 657, 661; Horn ZEV 2016, 20, 22; a. A. LG Berlin NJOZ 2008, 512; Sonnenfeld/Zorn Rpfleger 2004, 533, 536.
    [30] KG openJur 2016, 5855.
    [31] KG FamRZ 2016, 324; Horn ZEV 2016, 20, 22.

  • Verstehe insoweit die Intention des Threadstarters ebensowenig.

    Auch wenn ich von der nachträglichen Gebrauchmachung der Genehmigung nach § 1829 Abs. 1 S. 2 BGB analog, die für ein einseitiges, amtsempfangsbedürftiges Rechtsgeschäft erteilt wurde als NachlassG nicht überzeugt wäre, schließt das doch lange nicht aus, dem gesetzlichen Vertreter seine Möglichkeiten aufzuzeigen und ihn trotzdem dazu anzuhalten, von der Genehmigung Gebrauch zu machen, um nicht später mögliche Rechtsverluste zu erleiden.

    Welcher Ansatz zu einer erneuten Diskussion hier geboten scheint, erschließt sich mir jedenfalls nicht, als die Suchfunktion jede Menge Treffer hierzu bereithält und ggf. dort nochmal an der einen oder anderen Stelle "aufgewärmt" werden kann.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!