Verfahren bei Wohnraumkündigung...

  • Betroffener ist hinfällig und beginnend dement. Er versteht und kann seinen Willen äußern. Es existiert ein Attest vom behandelnden Arzt, dass er nicht mehr zuhause wohnen bleiben kann und ins Heim muss. Betreuerin hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Er selbst möchte nicht in ein Seniorenheim und hat starkes Heimweh. Kündigen kommt nicht in Frage. Er ist nicht einsichtsfähig in seinen Gesundheitszustand.
    Wie ist weiter zu verfahren? Er lebt von einer super kleinen Rente und ergänzenden Leistungen. Vermögen ist nicht vorhanden. Die Wohnung kann nicht neben dem Heim gehalten werden. Aktuell befindet er sich (mal wieder) im Krankenhaus mit einem Anfallsleiden. Entlassung naht aber schon.

    Wie würdet Ihr weiter verfahren? Würdet ihr die Genehmigung versagen bei diesem Gesundheitszustand und den nicht vorhandenen Geldmitteln?
    Ist trotzdem noch ein Verfahrenspfleger einzuschalten?
    Danke für praktische Tipps. Bislang konnte ich entweder genehmigen, da einsichtsfähig oder einen Verfahrenspfleger bestellen, da kein freier Willen mehr erkennbar.

  • Wenn für mich feststeht, dass der Betroffene nicht mehr allein Leben kann, genehmige ich auch gegen den Willen des Betroffenen. Sofern natürlich ein Heimplatz vorhanden ist und es auch finanziell nicht anders geht.
    Wenn du dir unsicher bist, kannst du ja auch ein Gutachten in Auftrag geben. Das hat mehr Aussagekraft als ein Attest vom Hausarzt.

  • Auf jeden Fall erst mal anhören (falls noch nicht geschehen). In Fällen, wo ich gegen den Willen des Betroffenen möglicherweise entscheiden muss, reicht mir ein ärztliches Attest aus und fordere eine gutachterliche Stellungnahme zu der Frage an, ob eine Versorgung im häuslichen Bereich unter Zuhilfenahme ambulanter Hilfen möglich ist.

  • Wo hat er denn bisher gelebt? Zu Hause oder war er schon im Heim?
    Wenn der Betroffene sich noch frei bewegen kann, die Problematik versteht und seinen Willen vernünftig äußern kann, kann man ihn wohl nicht zwangsweise im Heim einsperren. Wenn bei einem Heimaufenthalt die Wohnungsmiete nicht gezahlt wird, wird es zur Kündigung seitens des Vermieters kommen.
    Ist die Frage, ob man den Betroffenen zu Hause lässt, bis er einsieht, dass es alleine zu Hause nicht mehr geht. Oder aber es geht doch mit einem Pflegedienst.
    Allein das Attest würde mir nicht reichen. Ich würde da noch mal bissel nachfragen.

  • ... Er ist nicht einsichtsfähig in seinen Gesundheitszustand.

    Demnach eher doch fraglich, ob ein beachtlicher Wunsch im Sinne des § 1901 Abs. 3 BGB vorliegt, denn er verkennt damit die der Willensbildung zugrundeliegenden Tatsachen aufgrund seiner Erkrankung (s. BGH v. 22.07.2009, XII ZR 77/06, Rn 20).

    Im Zweifel würde ich an der Stelle da noch mal ein Attest/Gutachten drauf setzen.

    Über nicht beachtliche Wünsche dürfen sich Betreuer und das Gericht hinwegsetzen wenn eine andere Entscheidung dem objektiven Wohl entspricht.

  • Vielen Dank für die Antworten! Wie macht man das mit einem Gutachten? Wo bekomme ich den Arzt her? Macht das der medizinische Dienst oder der Arzt, welcher schon das Attest ausgestellt hat? Trotz jahrelanger Tätigkeit hier in der Betreuungsabteilung haben wir hier keinen Rechtspfleger, der so etwas schon mal in Auftrag gegeben hätte. Oder kann man vielleicht die Betreuerin anschreiben um Vorlage einer präzisiere Stellungnahme bitte, welche speziell auch auf die Möglichkeit der häuslichen Pflege eingeht? Kann man die Richterformulare nehmen, welche für die nervenärztlichen Eingangsgutachten verwendet werden? Ergänzen muss ich hier, dass der Betroffene in einer Einzimmerwohnung mit Kochnische lebt und an den Rollator gebunden ist.

  • Vorschlag:

    In pp. ist zu prüfen, ob die Kündigung des Mietverhältnisses .... betreuungsrechtlich zu genehmigen ist.
    Dazu soll ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.

    Das zu erstellende Gutachten soll sich mit folgenden Fragen befassen:


    • Ist eine Versorgung der Betroffenen in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen geboten, bzw. ist eine Versorgung im bisherigen Umfeld nicht mehr ausreichend und stellt eine gesundheitliche Gefährdung dar.
    • Ist eine Versorgung der Betroffenen in einer Einrichtung ...... trotz des bereits gutachterlich festgestellten ..... und gegen den Willen der Betroffener sinnvoll?


    • Würde eine gesundheitliche Gefährdung dadurch entstehen, dass gegen den Willen der Betroffenen das Wohnmietverhältnisses gekündigt wird und ein Umzug in eine Einrichtung für ..... erfolgt?



    Mit der Erstellung des Gutachtens wird
    Herr/Frau [Sachverstaendigen.Titel_Vorname_Nachname], [Sachverstaendigen.Adresse], beauftragt.

    Gründe:

    Die Betreuerin beabsichtigt, das Wohnmietverhältnis der Betroffenen gegen den Willen der Betroffenen zu kündigen. Grundsätzlich hat aber die Betreuerin gem. § 1901 Abs. 3 BGB den Wünschen der Betroffenen zu entsprechen. Eine Entscheidung gegen den Willen der Betroffenen ist nur möglich, sofern das Handeln entsprechend dem Wunsch dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen würde.

    Durch das Gutachten ist daher zu klären, ob ein Entsprechen des Wunsches der Betroffenen auf Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses tatsächlich dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen würde.

    Weiterhin ist entscheidungserheblich, ob eine Wohnungskündigung und Veränderung der Wohnverhältnisse keine - bzw. als nachrangig einzustufende - negative Auswirkungen auf die psychische Verfassung der Betroffenen haben würde.

    RMB.....


    Bei dem SV würde ich erst einmal in der Akte nachschauen, ob sich da einer anbietet. Ansonsten kann man natürlich auch einen SV bestellen, der sonst bei Anordnung der Betreuung beauftragt wird.

  • Bevor man hier iregdwie aktiv wird muss der Betreute freiwillig ins Heim, dann kann man das alles machen.

    Eine Wohnungskündigung genehmigen, bevor der Betreute freiwillig ins Heim gegangen ist käme faktisch einer Zwangseinweisung in in offenes Pflegeheim gleich, was nicht möglich ist.

    Die zwangsweise Verbringung eines Betreuten in ein offenes Altenpflegeheim ist unzulässig...Die zwangsweise Verbringung des Betreuten in ein Altenpflegeheim greift tief in dessen Rechte ein. Die Durchführung dieser Maßnahme setzt notwendig ein Eindringen in die Wohnung des Betroffenen und die Anwendung von körperlichem Zwang voraus. Damit ist der Schutzbereich der Grundrechte aus Art. 2 und 13 GG berührt.
    [TABLE='class: gesetzesgliederung, align: center']

    [tr]


    [TD='class: gliederungtd urteilszeile']LG Offenburg, 08.07.1996 - 4 T 88/96
    [/TD]
    [TD='class: gliederungtd'][/TD]

    [/tr]


    [/TABLE]

  • Das zu erstellende Gutachten soll sich mit folgenden Fragen befassen: ...

    Den Fragenkatalog halte ich in dieser Form für bedenklich, weil danach ein Verlassen der Wohnung mehr oder weniger vorausgesetzt wird. Es wäre m.E. auch die Frage aufzunehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verbleib des Betroffenen in der Wohnung möglich ist.

    Weiterhin ist entscheidungserheblich, ob eine Wohnungskündigung und Veränderung der Wohnverhältnisse keine - bzw. als nachrangig einzustufende - negative Auswirkungen auf die psychische Verfassung der Betroffenen haben würde.



    Was sind denn "nachrangige" negative Auswirkungen auf die Verfassung des Betroffenen?

    RMB.....

    M.E. keine, die Einholung eines SV-Gutachtens ist keine Entscheidung i.S.d. § 11 RPflG, sondern nur eine vorbereitende Maßnahme.

  • Mein Vorschlag ist sicherlich nicht das Non-Plus-Ultra. Die Begutachtung bezog sich schon auf einen sehr speziellen Fall.
    Als nachrangig Nachteile waren dort eine schlechtere Versorgung und sicherlich auch die Gefahr einer Selbstgefährdung. Nachrangig deshalb, weil dem gegenüber der Wille der Betroffenen stand.
    Ich habe im Übrigen damals die Genehmigung zurückgewiesen.
    Ansonsten habe ich in so einem Fall noch kein so einen ausführlichen "Beweisbeschluss" gemacht. In anderen Fällen sollte sich der Arzt zu der Frage äußern, ob ein Aufenthalt in einer stationären Einrichtung erforderlich ist, und ob eine Versorgung des Betroffenen unter Zuhilfenahme ambulanter Hilfe im häuslichen Umfeld noch möglich ist.

    Zu RMB-Belehrung: Da gebe ich BReamter recht. Kein RM gegeben.

    Einmal editiert, zuletzt von Eddie Macken (21. September 2017 um 08:34) aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Vielen Dank für die wirklich gute Hilfestellung! Habe nunmehr ein Gutachten in Auftrag gegeben. RMB hatte ich auch nicht angehängt, da mir das Problem schon bekannt war... Die Fragestellung habe ich nur wenig anpassen müssen. Für meinen Fall passte das im Hinblick auf den Antrag und die Lebenssituation des Betroffenen doch sehr gut.

  • Bevor man hier iregdwie aktiv wird muss der Betreute freiwillig ins Heim, dann kann man das alles machen.

    Eine Wohnungskündigung genehmigen, bevor der Betreute freiwillig ins Heim gegangen ist käme faktisch einer Zwangseinweisung in in offenes Pflegeheim gleich, was nicht möglich ist.

    Die zwangsweise Verbringung eines Betreuten in ein offenes Altenpflegeheim ist unzulässig...Die zwangsweise Verbringung des Betreuten in ein Altenpflegeheim greift tief in dessen Rechte ein. Die Durchführung dieser Maßnahme setzt notwendig ein Eindringen in die Wohnung des Betroffenen und die Anwendung von körperlichem Zwang voraus. Damit ist der Schutzbereich der Grundrechte aus Art. 2 und 13 GG berührt.
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    :daumenrau

  • Hallo,
    als Ergänzung, der Betroffene befindet sich momentan zur Kurzzeitpflege im Heim. Er ist dort ungerne und hat Heimweh. Die Wohnung soll nunmehr gekündigt werden, da eine Rückkehr wohl nicht möglich ist. Gleichwohl ist das Interesse des Betroffenen gegenläufig. Dieser möchte unter Verkennung der gesundheitlichen Risiken wieder zurück...

  • [quote='Eddie Macken','RE: Verfahren bei Wohnraumkündigung...']

    M.E. keine, die Einholung eines SV-Gutachtens ist keine Entscheidung i.S.d. § 11 RPflG, sondern nur eine vorbereitende Maßnahme.


    Das sehe ich im Lichte einer aktuellen BGH-Entscheidung anders (hier).

    In dem Verfahren stellte sich die Frage, ob die Bestellung eines Verfahrensbeistandes dann anfechtbar ist, wenn sie durch den Rechtspfleger erfolgt (bei einer Bestellung durch den Richter ist es unbestritten unanfechtbar).

    Es wird ausgeführt:
    "Anders verhält es sich jedoch, wenn der Rechtspfleger über die Bestellung des Verfahrensbeistands entschieden hat. In diesem Falle verlangt der von Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt, dass den betroffenen Eltern bereits vor Abschluss des Verfahrens eine Möglichkeit zur Verfügung steht, die Entscheidung des Rechtspflegers gerichtlich überprüfen zu lassen (vgl. auch Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl. § 158 Rn. 17; Bumiller/Harders/Schwamb FamFG 11. Aufl. § 158 Rn. 19). "

    Nichts anderes kann hier gelten. Die Einholung eines Gutachtens stellt m.E allein schon durch die Tatsache eine Entscheidung dar, dass ein entsprechender Beschluss ergeht und muss daher im Sinne der obigen Entscheidung der richterlichen Prüfung unterliegen. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich um eine Zwischenentscheidung, eine Endentscheidung oder eine vorbereitende Maßnahme handelt.


  • Da bin ich aber froh, dass mein Landgericht zu einer Beschwerde gegen die Bestellung eines Verfahrenspflegers (wegen wenn ich mich recht entsinne beantragter betreuungsgerichtlicher Genehmigung zum Grundstücksverkauf) zur Erkenntnis gelangte, dass es sich um eine nicht anfechtbare Zwischenentscheidung handelt und eine Zulässigkeit der Beschwerde nur hinsichtlich der Endentscheidung besteht.

    (Stelle ich mir aber "lustig" für den hier diskutierten Fall vor, wenn man das anders sieht. Da könnte erst einmal ein Beschwerdeverfahren gegen die Anordnung des Gutachtens durchgeführt werden, dauert ggf. ein paar Monate bis zur Entscheidung. Dann kommt man zur Genehmigung der Wohnungskündigung. Es wird wieder Beschwerde eingelegt. Vielleicht hat der Betreuer dann in einem Jahr mal einen rechtskräftigen Genehmigungsbeschluss, mit dem er kündigen kann? In diesem Fall ist es allerdings das Vermögen des Beschwerdeführers=Betreuten, das Schaden nimmt.)

  • Da es sich beim Betreuten um einen volljährigen handelt dürfte die Entscheidung hier irrelevant sein, da kein Elternrecht betroffen ist.
    Betroffenes Rechtsgut des Betreuten ist hier richtig Art. 2 u. 13 GG insoweit ist Art. 19 Abs. 4 GG gewahrt und das Gutachten bleibt verfahrensleitende Nebenentscheidung.

    Und wenn der Betreute eben partout nicht will dann muss ihn der Betreuer eben wieder in die Wohnung schaffen und da was organisieren.

    Andereseits erledigt sich das ganze oft wenn man erst am Ende der Kurzzeitpflege bzw. wenn der Betreute sich im Heim eingelebt hat zur obligatorischen Anhörung auftaucht.

  • Da es sich beim Betreuten um einen volljährigen handelt dürfte die Entscheidung hier irrelevant sein, da kein Elternrecht betroffen ist.
    Betroffenes Rechtsgut des Betreuten ist hier richtig Art. 2 u. 13 GG insoweit ist Art. 19 Abs. 4 GG gewahrt und das Gutachten bleibt verfahrensleitende Nebenentscheidung.

    Und wenn der Betreute eben partout nicht will dann muss ihn der Betreuer eben wieder in die Wohnung schaffen und da was organisieren.

    Andereseits erledigt sich das ganze oft wenn man erst am Ende der Kurzzeitpflege bzw. wenn der Betreute sich im Heim eingelebt hat zur obligatorischen Anhörung auftaucht.


    Bei der zitierten Entscheidung ist steht nicht die Frage im Vordergrund, ob ein Minder- oder Volljähriger beteiligt ist, sondern ob auch ein durch den Rechtspfleger erlassener verfahrensbegleitender Beschluss, durch den keinerlei Rechte eingeschränkt werden, anfechtbar sein muss.

    Dies hat der BGH bejaht.

    Der Sachverhalt ist daher m.E. auch hier anwendbar.

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