Erbschein bei Widerruf des Widerrufs ?

  • Guten Morgen !

    Bei mir ist eigentlich nur die Löschung einer Rückauflassungsvormerkung für den verstorbenen M beantragt. Die Witwe F sei Rechtsnachfolgerin und könne die Löschung bewilligen.

    Sachverhalt:

    M und F sind Eheleute und haben im Laufe mehrerer Jahre vier öffentliche gemeinschaftliche Testamente verfasst. Das vierte Testament war laut Anschreiben des Notars bei der Ablieferung eine Ergänzung. Das erste und das vierte Testament haben die Eheleute später aus der amtlichen Verwahrung genommen.

    Damit dürften das zweite und dritte Testament im Zweifel wieder wirksam geworden sein (§ 2257 BGB), denn der Widerruf des Widerrufstestaments kann in allen drei vom Gesetz vorgesehenen Formen nach §§ 2254, 2255, 2256 erfolgen (Staudinger/Wolfgang Baumann (2012) BGB § 2257, Rn. 6).

    Ich gebe aber vorsorglich auszugsweise den Inhalt der beiden verbliebenen Testamente an (über eine evtl. Befreiung ist nichts gesagt).

    Zweites Testament:

    I

    Wir (M und F) haben 1988 zur Urkunde ... ein gemeinschaftliches Testament errichtet, welches wir hiermit widerrufen.

    II

    Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu Erben ein. M soll jedoch nur als Vorerbe eingesetzt sein. Als seine Nacherbin bestimmen wir die Schwester von F. Ersatznacherben: die leiblichen Nachkommen der S nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

    III

    Die Einsetzung von M als Vorerben und der Nacherbin soll sich jedoch nur auf den Teil des Nachlasses erstrecken, der F zu Lebzeiten oder durch Erbfall seitens ihrer Familie zugewachsen ist oder noch zuwachsen kann, namentlich im Falle von Grundeigentum.

    Die Einsetzung von M als Vorerben erstreckt sich nicht auf das Hausgrundstück Hauptstraße 1.

    Dieses Grundstück hat F von M geschenkt erhalten. Stirbt F vor M, soll es in das Eigentum von M uneingeschränkt zurückfallen. M kann dann frei über das Grundeigentum verfügen.

    IV

    F wird uneingeschränkte Erbin des M. Sie kann über das eigene und ererbte Vermögen frei verfügen. Nach dem Tod des Längstlebenden oder unseres gemeinsamen Ablebens bestimmen wir als Schlusserben für das Hausgrundstück Hauptstraße 1 die Kinder des M, nämlich K1 und K2.


    Drittes Testament:

    Wir wollen unser zweites Testament unter Ziffer IV wie folgt ändern:

    F wird uneingeschränkt Erbin des M. Sie kann über ihr eigenes und ererbtes Vermögen frei verfügen. F ist befugt, eine abweichende letztwillige Verfügung zu treffen, falls ihr gegenüber Pflichtteilsansprüche durch die nachfolgend eingesetzten Schlusserben geltend gemacht werden. Trifft F keine Verfügung, so bestimmen wir als Schlusserben für das Grundstück Hauptstraße die Kinder K1 und K2 zu gleichen Teilen.


    Da ich nur die Erbfolge nach M zu beurteilen habe, denke ich, dass F Alleinerbin ist, frage mich aber, ob wegen des Widerrufs der anderen Testamente, deren Inhalt ich nicht kenne, einen Erbschein benötige wegen tatsächlicher Ermittlungen, denn die Regel des § 2257 BGB ist ja eine widerlegbare Vermutung.

  • Jedenfalls braucht Dich das gesamte Nacherbengesulze nicht zu interessieren, weil nicht F, sondern M der erstversterbende Ehegatte ist.

    Ich würde mir mal die Testamentsverwahrungs- und Rücknahmeakten anschauen, ob anlässlich der Rücknahmen problematisiert wurde, dass sich insgesamt vier letztwillige Verfügungen in der Verwahrung befinden. Vielleicht wurde aus Anlass der Rücknahmen (oder war es nur eine einzige gleichzeitige Rücknahme?) etwas zu diesem Punkt erklärt. Wenn ein Rücknahmeverlangen gestellt wurde, werden dem Rechtspfleger üblicherweise alle (!) verwahrten Verfügungen seitens der Geschäftsstelle mitgeteilt, so dass man dann mit den Leuten auch entsprechend reden kann (was soll bestehen bleiben und was nicht usw.).

  • Guten Morgen !

    Die Herausgabe der beiden Testamente fand in einem Termin statt. Aus dem Protokoll der Rechtspflegerin ergibt sich ein Vermerk über die Testierfähigkeit der Testatoren sowie eine Belehrung über die Rechtsfolgen der Herausgabe, nämlich, dass öffentliche Testamente und Erbverträge durch die Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung als widerrufen gelten. Aus der Verfügung, die vom Tag der Herausgabe datiert, ergibt sich, dass alle Testamente der Rechtspflegerin vorlagen, da nach der Verfügung die beiden anderen Testamente wieder in die amtliche Verwahrung genommen werden sollten.

    Einen Vermerk über eine Erörterung des Umstands, dass sich insgesamt vier Testamente in der amtlichen Verwahr befanden, kann ich dem Protokoll nicht entnehmen.

    Noch eine Frage: Der Notar hat in den beiden eröffneten Testamenten ein Vorausvermächtnis und die Einsetzung einzelner Gegenstände protokolliert. Ich nehme an, dass wenn diese Verfügungen zum Zuge kämen, ich lediglich einen Erbschein benötigte, aber nicht etwa unwirksame Verfügungen vorliegen. Ist das zutreffend ?

  • Das Vorausvermächtnis kann eigentlich nur eine Verfügung der Ehefrau sein, die ihren Ehemann lediglich zum Vorerben eingesetzt hat (§ 2110 Abs. 2 BGB). Oder irre ich mich da?

    Und die anderen Verfügungen bezüglich einzelner Gegenstände sind "normale" Vermächtnisse? Und vom wem wurden sie auf welchen Erbfall angeordnet?

  • Ja, ok, habe verstanden. Und im übrigen, was die Frage der Rücknahme angeht, gehe ich von der Wirksamkeit der verbliebenen Testamente aus, oder ?

  • Das erste Testament ist ja ohnehin nicht das Problem, weil es bereits mittels ausdrücklichen Widerrufs durch das zweite Testament aufgehoben worden war und es somit gar nicht die Rücknahme war, die den Widerruf des ersten Testaments bewirkte.

    Wenn Du bezüglich des vierten Testaments sicher gehen möchtest, wäre vielleicht daran zu denken, vom Notar eine Kopie desselben zu erholen (hat er ja als Abschrift vorliegen). Da es sich nur um eine "Ergänzung" handeln soll, kann es sich durchaus so verhalten, dass die Rücknahme die früheren Testamente ohnehin nicht tangiert, sondern eben nur den Inhalt der Ergänzung. Für die Kopie dieses vierten Testaments müsstest Du dann allerdings eine Einsichtsperre verfügen. Geht niemanden etwas an.

    Im Übrigen sehe ich es so wie Du. Die Ehefrau ist unbeschränkte Alleinerbin.

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