Zu welchem Zeitpunkt die Pauschale berechnen?

  • Moin,
    müsste euch nochmal mit einer Frage behelligen.

    Habe häufiger den Fall, dass ein RA im KFB-Antrag bspw. die Geschäftsgebühr oder die Verfahrensgebühr fürs Mahnverfahren anrechnet an die Verfahrensgebühr im Gerichtsverfahren (oder auch die Geschäftsgebühr an die Verfahrensgebühr vom Mahnverfahren)
    Meine Frage: Wann rechnet man in diesen Fällen die Auslagenpauschale nach NR. 7002 VV RVG aus?
    Manchmal sind die Beträge um die es geht so gering, dass das tatsächlich einen Unterschied macht, ob man die Pauschale von der vollen Verfahrensgebühr berechnet oder ob man zuerst anrechnet.

    Kleines Bsp: Verfahrensgebühr sind ausgerechnet 104 EUR, es ist weiter bspw. die 1,0 Gebühr aus dem Mahnverfahren anzurechnen iHv 80 EUR.

    Wenn ich die Pauschale berechne, bevor ich anrechne, komme ich ja auf die max. 20 Euro. Wenn ich allerdings erst die 80 EUR abrechne, bestimmt sich ja die Pauschale nach den restlichen 24 EUR und ist dann nur bei 4,8 EUR.

    Wie seht ihr das? Mir kommen relativ viele Anträge auf den Tisch, wo die Anwälte die Pauschale von der vollen Verfahrensgebühr berechnen.

    Lieben Gruß

  • Ich habe gerade in einer Beschwerde entschieden, dass die Auslagenpauschale erst nach der Anrechnung der Gebühr aus dem Mahnverfahren berechnet wird. Ich kenne die Gegenansicht, die wohl hier auch die "herrschende" Ansicht sein dürfte (von der Anzahl der Leute her, die ihr folgen), aber ich sehe ehrlich gesagt nicht, wie die sich mit der gesetzlich vorgesehenen Berechnungsreihenfolge vertragen sollte. Die Auslagenpauschale wird eben erst berechnet, wenn man die Gebühren ausgerechnet hat und nicht zu irgendeinem früheren Zeitpunkt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Moin,
    danke für die Antworten. Ich Dussel hab das falsche Forum nach der Thematik durchsucht...

    Ja hm, scheint ja so oder so zu gehen. Ich persönlich wär auch eher dafür, die Pauschale erst nach der Anrechnung zu berechnen.
    Problematisch ist nur, dass ich momentan Kollegen vertrete und nicht weiß, wie die das handhaben.


    MfG

  • ...wie die sich mit der gesetzlich vorgesehenen Berechnungsreihenfolge vertragen sollte.

    Ich weiß, ich werde Dich nicht umstimmen können, aber - :cool: - es gibt doch gerade keine gesetzlich vorgesehene Berechnungsreihenfolge. In §15a Abs.1 steht, dass beide Gebühren voll entstehen. Keine von beiden entsteht in verminderter Höhe. Es darf nur insgesamt nicht mehr gefordert werden als Gesamtbetrag beider Gebühren minus Anrechnungsbetrag. Und in Nr. 7000 VV steht "20% der Gebühren". Wie schon im verlinkten Thread beschrieben: Mit der grammatischen Auslegung kommt man zwanglos zur Berechnung aus dem entstandenen vollen Wert der Gebühr.

  • Naja, unbekehrbar bin ich natürlich schon.

    Aber im Ernst:
    RVG-VV 7002 hat folgenden Wortlaut:

    20% der Gebühren - höchstens 20,00 Euro.

    Daraus ergibt sich für mich die Berechnungsreihenfolge, dass ich zuerst die Gebühren berechnen muss und dann daraus 20%. Als dritten Schritt muss ich dann die errechneten 20% mit der Höchstgrenze vergleichen und mich entscheiden, ob die Höchstgrenze oder die 20% der richtige Wert ist.
    Wie soll ich die 20% berechnen, wenn ich noch nicht weiß, von was?

    Und inkonsequent ist es noch dazu: Es ist doch wohl völlig unstreitig, dass die 20% auch auf eine Summe von Gebühren anzuwenden sind, z.B. auf die Summe einer 1,2 Terminsgebühr und einer 1,3 Verfahrensgebühr aus dem galaktischen Streitwert von 350,- Euro. Wenn ich das auf die Summe von mehreren Gebühren anzuwenden habe, warum gilt das nicht, wenn diese Summe aus folgenden drei Teilen besteht: 1,2 Terminsgebühr plus 1,3 Verfahrensgebühr abzüglich 1,0 Gebühr aus Mahnverfahren (denn "Anrechnung" heißt ja nichts anderes als "abzüglich")?

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH


    Nachtrag:
    Von mir aus kann der Anwalt auch sagen, er rechnet 57% der entstandenen Mahngebühr auf die Mahngebühr selbst und 43% auf die 2,5 Gebühren aus dem Prozess an, das ist mir völlig egal. Aber in allen denkbaren Kombinationen muss ich m.E. zuerst die komplette Summe "der Gebühren" ausrechnen und dann die 20% daraus berechnen. Darauf will ich hinaus, und deswegen hat das mit § 15a RVG m.E. nichts zu tun.

    Einmal editiert, zuletzt von AndreasH (9. Oktober 2017 um 22:56) aus folgendem Grund: Nachtrag

  • Da bin ich - wie sollte es auch anders sein :cool: - auf Seiten von Adora Belle und verweise auf die Begründung von Sommerfeldt (BeckOK RVG/Sommerfeldt/Sommerfeldt, 37. Ed. 01.06.2017, RVG Rn. 20):


    "Fraglich ist, ob bei Anrechnung von Gebühren die Pauschale jeweils nur aus den gekürzten (verbleibenden) Gebühren zu berechnen sind (KG JurBüro 2000, 583; LG Berlin Rpfleger 1988, 42) oder aus den Ursprungsgebühren (BGH NJW-RR 2004, 1656; LG Essen JurBüro 2002, 246; OLG Köln Rpfleger 1994, 432; N. Schneider AGS 2003, 94 ; Hansens/Braun/Schneider Teil 18 Rn. 98 ff.). Für eine Berechnung ohne Berücksichtigung der Gebührenanrechnung spricht, dass sich der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit infolge der Vorbefassung, die zumeist Grund für eine Anrechnung von Gebühren ist, zwar reduziert, zumeist aber nicht die tatsächlichen Auslagen. Da durch § 15a nunmehr klargestellt ist, dass die Anrechnung keine Auswirkungen auf das Entstehen von Gebühren hat, wird der Auffassung der Vorzug zu geben sein, die die Pauschale nach den Gebühren vor Anrechnung bemisst (so auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe Rn. 42)."

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Wie soll ich die 20% berechnen, wenn ich noch nicht weiß, von was?

    Na ich weiß es ja. Ich berechne die 20% aus den entstandenen Gebühren. Ich könnte auch erst ganz am Ende in meiner Rechnung, direkt vor der Umsatzsteuer, alles abziehen, was abzuziehen ist.

    Und auch das wirtschaftliche Argument ist m.E. nachvollziehbar. Ich schreibe/telefoniere im gerichtlichen Verfahren nicht weniger, nur weil ich schon vorgerichtlich tätig war.

  • Ich will ja gar nicht bestreiten, dass man auch anderer Auffassung sein kann. Der Unterschied liegt in der Herangehensweise: Enthält Nr. 7002 eine Rechenanweisung oder nicht - und führt einfache Mathematik unter Juristen zu klaren oder diskussionsfähigen Ergebnissen.

    Da sind wir eben beim Grundproblem, das in dem klassischen Witz gut auf den Punkt gebracht wird:

    Wieviel ist 2+2?
    (... viele satirisch überhöht interessante Antworten anderer Berufszweige, und dann)
    Anwalt: Wieviel möchten sie denn, das es ist? :D:teufel:


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Ich stehe klar auf dem Standpunkt, dass sich die Pauschale aus den entstandenen Gebühren ohne Berücksichtigung der Anrechnung zu ermitteln ist. Die Literatur ist sich in diesem Punkt weitestgehend einig.

    Die Anrechnung soll lediglich die Vorbefassung mit dem Sachverhalt berücksichtigen. Ein geringerer Post- und Telekommunikationsaufwand für einen bereits vorgerichtlichen Rechtsanwalt dürfte sich nicht ergeben.

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