Schon wieder: Löschung Wohnrecht

  • Guten Morgen,

    der verstorbenen Vater der Betreuten hat im Erbvertrag seinen Sohn (den Bruder der Betreuten) zum Alleinerben eingesetzt. Die Betreute und ihre Mutter erhielten ein lebenslängliches im Grundbuch abzusicherndes Wohnrecht an bestimmten Räumen, welches nach dem Tod der einen der anderen lebenslänglich allein und unbeschränkt zusteht.
    Im Erbvertrag hatte die Betreute – die seinerzeit geschäftsfähig gewesen ist – auf Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegen ihren Bruder nach dem Erbfall des Vaters verzichtet.
    Kurz nach dem Vater ist auch die Mutter der Betreuten verstorben, diese ist lt. Erbschein beerbt worden von der Betreuten und ihrem Bruder zu gleichen Teilen (Mutter hatte im Erbvertrag nur ihren ja nun vorverstorbenen Ehemann zum Alleinerben eingesetzt und nichts weiter verfügt).

    Nach den beiden Erbfällen ist der seinerzeitige ehrenamtl. Betreuer von mir aufgefordert worden, das Wohnrecht dinglich absichern zu lassen, sprich: Bruder der Betreuten auffordern, die Eintragung zu bewilligen.
    Dies ist – auch wegen zwischenzeitlich eingetretenem Betreuerwechsel – lange Zeit unterblieben, bis der Bruder das mit dem Wohnrecht zu belastende Haus (aus dem Nachlass des Vaters) veräußert hat und eine Auflassungsvormerkung für Erwerber eingetragen wurde.
    Nachdem alle Beteiligten kurz in Hektik ausgebrochen sind, wurde dann auf Grundlage einer einstweiligen Verfügung eine halbspaltige Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs der Betreuten auf Eintragung des Wohnrechts im Grundbuch eingetragen. Diese Vormerkung wurde im Rahmen der Eigentumsumschreibung mit übernommen.
    Da der Bruder der Betreuten sich aber den Erwerbern gegenüber vertraglich zur lastenfreien Übertragung verpflichtet hat, soll die Vormerkung für die Betreute jetzt zur Löschung kommen.

    Der RA des Bruders hat die neue Berufsbetreuerin nun angeschrieben und 17.500 € als Ablösebetrag angeboten nach folgender Berechnung: seiner Meinung nach entspricht der Wert des Wohnrechts ungefähr dem Wert ihres Pflichtteils an dem Hausgrundstück, da in dem not. Erbvertrag der Betreuten als Gegenleistung für den Pflichtteilsverzicht das Wohnrecht eingeräumt wurde. Ausgehend vom Kaufpreis für die Immobilie von 70.000 € wäre der Pflichtteil mit ¼ davon, also 17.500 € zu bewerten.
    Die Betreuerin bittet jetzt um „Überprüfung und ggf. Erteilung der Genehmigung“.

    Dieser Betrag von 17.500 € wurde damals vor ca. 1,5 Jahren vom RA des Bruders auch schon dem vorherigen Betreuer angeboten. Der vorherige Betreuer bat mich damals schon um Mitteilung, ob dieser Ablösebetrag von hier aus als ausreichend erachtet wird. Damals hatte ich dem Betreuer geschrieben, dass die Berechnung des RA des Bruders fehl geht, allein schon vor dem Hintergrund, dass sich der Pflichtteil nach dem NL-Wert insgesamt berechnet und nicht nur nach dem vereinbarten Kaufpreis für ein Grundstück aus dem Nachlass. Ich habe dann den Wert des Wohnrechts „ganz kalt“ anhand restl. Lebenserwartung und dem im Erbvertrag angegebenen Jahreswert mit ca. 60.000 € berechnet und dem seinerzeitigen Betreuer mitgeteilt. Danach war lange Ruhe. Bis jetzt.

    Ich will jetzt der neuen Betreuerin schreiben, dass die Erteilung der Genehmigung zu den vom RA genannten Bedingungen (17.500 € Ablösebetrag) ausdrücklich nicht in Aussicht gestellt wird und ich an meiner seinerzeitigen Berechnung festhalte. Im Übrigen sei aus ihrem Antrag „ihre Meinung“ zu dem Angebot überhaupt nicht ersichtlich.

    Liege ich falsch, wie würdet ihr es handhaben?

    Im Erbvertrag ist damals natürlich auch nichts zu dem Fall gesagt worden, was passiert, wenn die Betreute aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist das Wohnrecht auszuüben. Dies scheint tatsächlich heute auch so zu sein, obwohl kein Beteiligter dies mir bislang vorgetragen hat. Und mein Job als Betreuungsgericht ist es ja nun nicht den Ablösebetrag mindernde Umstände ins Feld zu führen…
    Nach dem Tod der Eltern ist die Betreute aus dem elterlichen Haushalt in eine ambulant betreute Wohnform umgezogen. Die Betreuerin hat vor kurzem im Jahresbericht noch mitgeteilt, dass eigentlich über eine stationäre Heimunterbringung nachzudenken sei.

    Ich würde mich freuen, wenn Ihr Eure Überlegungen zu dem Fall mit mir teilt.

    Danke (allein schon fürs Lesen des langen Sachverhalts)!


    Ach. Was mir grad beim nochmaligen Lesen auffällt: Ausdrücklich wurde der Betreuten und ihrer Mutter das Wohnrecht eingeräumt. Eine Überlassung des Wohnrechts an Dritte ist nicht zugelassen worden. Ist es dann nach der Entscheidung BGH v. 25.01.2012 (XII ZB 479/11) so, dass das Wohnrecht für die Betreute „wertlos“ ist und ohne Zahlung einer Gegenleistung gelöscht werden kann? Oder fehlt dazu der – dann noch zu erforschende – ausdrückliche Wille der Betreuten, niemals wieder das Wohnrecht ausüben zu wollen? Und wird dieses wollen bzw. nicht-wollen bei Geschäftsunfähigkeit „ersetzt“ durch ein nicht-mehr-ausüben-können, was dann ärztlicherseits zu attestieren wäre?

  • Also ich würde zunächst nicht davon ausgehen, dass das Recht wertlos ist, mangels anderweitiger Klauseln könnte der Betroffene ja jederzeit wieder in die Wohnung einziehen (ggf. unter Zuhilfenahme der Sozialstation, einer häuslichen Pflegekraft (die er gem. § 1093 Abs. 2 BGB in die Wohnung mitaufnehmen dürfte) o.ä.). Insbesondere muss man auch sehen, dass der Betroffene für das Wohnrecht auf den Pflichtteilsanspruch verzichtet hat. Also "gratis" würde ich das keinesfalls löschen lassen. Bei der Berechnung des Wertersatzes könnte man entweder den Pflichtteil aus dem gesamten Nachlass oder die Restnutzungszeit des Wohnrechts in Betracht ziehen. Vor dem Hintergrund, dass es denkbar ist, dass der Betroffene mit einer häuslichen Pflegekraft dort zusammen einziehen könnte, wäre es im Bereich des möglichen, dass er die Wohnung bis zu seinem Tod nutzt. Daher wäre ich, nach dem was du bisher geschrieben hast, eher bei den 60.000€. Maßgeblich ist meiner Meinung nicht, was der Betroffene beim Tod des Erblassers möglicherweise erhalten hätte, sondern was das, was er erhalten hat tatsächlich wert ist. Die Berechnung mit dem Pflichtteil geht daher meiner Meinung nach fehl. Ist aber nur meine Meinung, mit Rechtsprechung unterlegen kann ich das nicht. Anders würde ich es allenfalls bewerten, wenn das Recht dem Vormerkungsberechtigten gegenüber tatsächlich relativ unwirksam wäre.

  • Verständnisfrage: Das Wohnrecht ist gegenüber der Vormerkung nachrangig, stellt somit eine "Verfügung" dar, die gegenüber dem neuen Eigentümer relativ unwirksam ist.

    Wäre der Betreute nicht auf Verlangen der jetzigen Eigentümer verpflichtet, die Löschung des Wohnrechts zu bewilligen?

  • Verständnisfrage: Das Wohnrecht ist gegenüber der Vormerkung nachrangig, stellt somit eine "Verfügung" dar, die gegenüber dem neuen Eigentümer relativ unwirksam ist.

    Wäre der Betreute nicht auf Verlangen der jetzigen Eigentümer verpflichtet, die Löschung des Wohnrechts zu bewilligen?

    Ein Wohnrecht ist ja eben noch nicht eingetragen, sondern nur eine Vormerkung für die Betreute zur Sicherung ihres Anspruchs auf Eintragung eines solchen Wohnrechts. Außerdem hat der Notar nach Eingang der entsprechenden Zwischenverfügung des GB-Kollegen unter Ausnutzung der eingeräumten Vollmacht für die Erwerber erklärt, dass die halbspaltige Vormerkung übernommen wird.

    :confused: Keine Ahnung.

    In jedem Fall muss aber der Betreuer handeln wg. nicht mehr vorliegender Geschäftsfähigkeit der Betreuten. Einwilligungsvorbehalt für die Vermögensangelegenheit ist ebenfalls angeordnet. Ich hab halt die Frage der Genehmigungsfähigkeit zu prüfen...:(

  • Mag sein, dass die halbspaltige Vormerkung erst mal dinglich übernommen wird, um den Vollzug zu ermöglichen. Aber vormerkungswidrig ist die halbspaltige Vormerkung schon, und die Vormerkung der Erwerber wird der Notar, wenn er noch bei Trost ist, nicht haben löschen lassen. Wenn dem so ist, ist der Betreute dem Erwerber - nicht dem Veräusserer - gegenüber in der Tat zu Löschung verpflichtet. Möge er die Schadensersatzansprüche wegen der Vereitelung der Vermächtniserfüllung gegen seinen Bruder geltend machen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Mag sein, dass die halbspaltige Vormerkung erst mal dinglich übernommen wird, um den Vollzug zu ermöglichen. Aber vormerkungswidrig ist die halbspaltige Vormerkung schon, und die Vormerkung der Erwerber wird der Notar, wenn er noch bei Trost ist, nicht haben löschen lassen. Wenn dem so ist, ist der Betreute dem Erwerber - nicht dem Veräusserer - gegenüber in der Tat zu Löschung verpflichtet. Möge er die Schadensersatzansprüche wegen der Vereitelung der Vermächtniserfüllung gegen seinen Bruder geltend machen.

    Die Auflassungsvormerkung für die Erwerber wurde im Rahmen der Eigentumsumschreibung auf entsprechenden Notarantrag hin gelöscht...

    Fällt jemandem zur Frage (der Höhe) des Abfindungsbetrages noch was schlaues ein? :(

  • Ich finde deinen Ansatz richtig.
    Im Übrigen hat auch der Notar geschlafen. In so einem Fall darf die Auflassungsvormerkung nie mit Eigentumsänderung gelöscht werden. Aber das ist nicht Sache des Betreuungsgerichts.

  • losgelöst von der Frage, wer hier wann geschlafen hat oder nicht zur Berechnung: Handelst es sich um eine abgeschlossene Wohnung? Dann würde ich die durchschnittlich zu erzielende Jahresnettokaltmiete mit der Lebenserwartung laut Sterbetafel multiplizieren und den Betrag dann abzinsen. Voilà: Dein Wert. Anders macht es der Gutachter auch nicht. Lediglich der Faktor für die Abzinsung muss dann gefunden werden. Bei der aktuellen Zinslage würde ich aber von einer maximalen Verzinsung von 1 bis 1,5 % p.a. ausgehen.

  • Danke für Eure Rückmeldungen uschi und mikschu! :daumenrau

    Ich muss nochmal in die Akte schauen, aber ich meine mich zu erinnern, dass im Erbvertrag irgendwas mit "abgeschlossene Wohnung im..." stand.
    Wenn sich allerdings dazu ausgeschwiegen wird, ist die Frage anhand Akte vom Schreibtisch aus nicht zu klären. Würde Vortrag der Betreuerin ausreichen?
    Mit dieser hab ich übrigens die Tage telefoniert, sie wird in die Verhandlungen einsteigen und wieder berichten.

  • Als Betreuerin würde ich anders vorgehen und im Interesse der Betreuten die größtmögliche Summe rausholen. Dazu würde ich versuchen, zusammen mit dem neuen Eigentümer gegen den Verkäufer/Bruder vorzugehen. Der ist doch der Schuldige. Daher sehe ich keinen Grund, die Strafsumme auf den abgezinsten Wohnungswert zu begrenzen. Da käme er schön billig weg.

  • Als Betreuerin würde ich anders vorgehen und im Interesse der Betreuten die größtmögliche Summe rausholen. Dazu würde ich versuchen, zusammen mit dem neuen Eigentümer gegen den Verkäufer/Bruder vorzugehen. Der ist doch der Schuldige. Daher sehe ich keinen Grund, die Strafsumme auf den abgezinsten Wohnungswert zu begrenzen. Da käme er schön billig weg.

    ;) So ähnlich hab ichs ihr am Telefon auch gesagt. Bin gespannt, wie es läuft.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!