Freigabe von Nachzahlungen (Sozialleistungen) auf dem P-Konto

  • Liebe Kollegen(innen),
    mal eine kurze Frage, nachdem bei uns fast alles krank ist und ich fast alles machen muss, also auch die RAST und die eiligen Vollstreckungssachen, letzteres auch die letzten 3 Jahre nicht mehr gemacht.

    Es erschien eine Schuldnerin, vom Anwalt geschickt, und wollte die Erhöhung ihres pfändungsfreien Betrages auf dem P-Konto beantragen, nachdem sie für 6 Monate volles Harz4 nachgezahlt bekommen hat.

    Ich hatte da so im Hinterkopf, dass es da mal eine Entscheidung gab, dass man das nicht uneingeschränkt freigeben und auf die die ganzen Monate, auf die sich die Nachzahlung bezieht, verteilen kann. Würde man letzteres tun, wäre es natürlich unpfändbar, weil der Betrag in jedem einzelnen Monat, auf den sich die Nachzahlung bezieht, unpfändbar gewesen wäre. Ich habe sie daraufhin gefragt, wovon sie denn dann die letzten Monate gelebt hat. Antwort: Von Kindergeld und von meinem Freund (wäre ja das Problem gewesen, ob das nun mit ihm eine Bedarfsgemeinschaft war oder nicht). Ich habe weiter gefragt, ob sie denn tatsächlich die Nachzahlungen z.B. für aufgelaufene Verbindlichkeiten braucht oder ob sie denn auch von ihren laufenden Leistungen bzw. wenigstens von dem bescheinigten Freibetrag auf dem P-Konto leben könnte. "Ja, paar Verbindlichkeiten sind schon aufgelaufen ....." war ihre Antwort, schlüssig und für einen Antrag reif konnte sie das aber nicht darstellen, geschweige denn nachweisen.

    Ich habe ihr dann paar Worte der Begründung geschrieben für ihren Anwalt, dass sie den Antrag doch mal lieber von diesem stellen lassen sollte, denn es ist nicht Aufgabe der RAST, für die Schuldnerin einen Antrag hinzuzaubern, der dann auch Erfolg verspricht, so als ob ich ihr anwaltlicher Vertreter wäre, ganz zu schweigen davon, dass derselbe Rechtspfleger dann auch noch über diesen Antrag entscheiden müsste.

    So, nun zurück zur Frage: Welche Anforderungen würdet Ihr stellen, um die gesamte Nachzahlung auf dem P-Konto zusätzlich freizustellen?

  • Ich lasse mir in solchen Fällen den (bzw. die) Leistungsbescheid(e) sowie die Kontoauszüge des Zeitraumes vorlegen, für welchen die Leistung nachgezahlt wird. Dann prüfe ich für jeden Monat gesondert, ob die für diesen anteilige Nachzahlung zusammen mit den sonstigen Eingängen auf dem P-Konto noch unter / teilweise unter / über dem Freibetrag des damaligem Monats liegt und gebe entsprechend den vollen Betrag / einen Teilbetrag / gar nichts für diesen Monat frei. Die Einzelbeträge ergeben dann in der Summe den endgültigen Freigabebetrag.

    Don't blink. Blink and you're dead. They are fast. Faster than you can believe. Don't turn your back. Don't look away. And don't blink. Good Luck. - The Doctor

  • Nicht ganz unumstritten.

    Siehe zum Beispiel hier:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ght=nachzahlung

    Die Meinungen gehen bei dem Thema weit auseinander.
    Manche halten den §850k IV für anwendbar, manche nur über die Brücke des §765a ZPO.

    In letzterem Fall wird es dann natürlich haarig.
    Denn die Voraussetzungen des §765a ZPO sind enorm hoch. Manche Vollstreckungsgerichte gehen jedoch gerade bei P-Kontenanträgen hin, und erklären ihn zur Allheilmittellösung für alles.
    Dabei werden die Voraussetzungen des §765a dann aufgeweicht.
    Vergleicht man zum Beispiel die restriktive Rechtsprechung hinsichtlich Räumung mit dem, was manche bei der P-Kontenfreigabe nett durchwinken, merkt man vom Gefühl her recht schnell, dass das nicht richtig sein kann.


    Die Verteilung der Nachzahlung auf Monate ist daher nicht unumstritten. LG Berlin 51 T 656/13 stellt sich zum Beispiel gegen die Verteilung auf mehrere Monate. Meine es gibt dazu noch mehr.

    Du hast meiner Meinung nach die richtige Frage gestellt: Sind Verbindlichkeiten aufgelaufen?
    Das wäre für mich der einzige Anhaltspunkt, an dem man ansetzen könnte, und das muss gut, schlüssig und glaubhaft gemacht werden.

    Nur zur Info: PERSÖNLICH gesehen empfinde ich diese Rechtsprechung keineswegs als fair ... aber das gibt es leider im Bereich Vollstreckung schon mal häufiger.

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

    Hier geht Ihre Spende nicht unter. Rette mit, wer kann.

    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Nicht ganz unumstritten.


    Die Verteilung der Nachzahlung auf Monate ist daher nicht unumstritten. LG Berlin 51 T 656/13 stellt sich zum Beispiel gegen die Verteilung auf mehrere Monate. Meine es gibt dazu noch mehr.

    ja, z.B. LG Koblenz, Beschluss vom 23.1.2015, 2 T 46/15, das sich auch der Auffassung des LG Berlin angeschlossen und sich gegen eine Verteilung auf die vergangenen Monate ausspricht. ("dass nach Ablauf der Frist nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Betrag tatsächlich zum Lebensunterhalt des Schuldners benötigt wird")

  • Nicht ganz unumstritten.


    Die Verteilung der Nachzahlung auf Monate ist daher nicht unumstritten. LG Berlin 51 T 656/13 stellt sich zum Beispiel gegen die Verteilung auf mehrere Monate. Meine es gibt dazu noch mehr.

    ja, z.B. LG Koblenz, Beschluss vom 23.1.2015, 2 T 46/15, das sich auch der Auffassung des LG Berlin angeschlossen und sich gegen eine Verteilung auf die vergangenen Monate ausspricht. ("dass nach Ablauf der Frist nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Betrag tatsächlich zum Lebensunterhalt des Schuldners benötigt wird")


    Aber LG Berlin wiederum mit Durchbrechung des Zuflussprinzips, wenn es sich bei der NZ um originär unpfändbare Sozialleistungen handelt, so z.B. wie im vorliegenden Sachverhalt bei ALG II (siehe vor kürzerem im RS-Thread).

  • Bei so eine häufigen und wichtigen Problematik muss es doch auch mal zu einer Entscheidung eines höheren Gerichtes als eines LG kommen? :gruebel:


    Geklärt:

    BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 - VII ZB 21/17


    gegen LG Berlin und "in praeteritum non vivitur".

  • Ich stutze, weil ich dann nicht zur Freigabe komme. Die Ausgaben in den betreffenden Monaten waren hoch, so dass sich kaum mehr Freibeträge ergeben.

    Der Freibetrag ist doch immer gleich, der richtet sich doch nicht nach den Ausgaben? :gruebel:
    Wäre bei rechtzeitiger Zahlung denn bei dir der Freibetrag überschritten worden? Wenn nein = Freigabe.

  • Du musst schauen, welche Einnahmen in den betroffenen Monaten erfolgt sind und ob sich unter Hinzurechnung der, auf die Leistungsmonate verteilten Leistungen aus der Nachzahlung ein pfändbarer Betrag ergibt....

  • Jetzt bin ich verwirrt. Ich hatte das immer so verstanden, dass ich schaue, welche Ausgaben erfolgten und dann ermittle ich eine eventuelle Differenz zum regulären monatlichen Freibetrag.
    Also mal ein konkretes Beispiel mit gerundeten Beträgen zur Vereinfachung: Nachzahlung für 12/18 und 01/19 je 500 €, Freibetrag § 850k Abs. 1 + 2 ZPO: 1300 €, Nachzahlung erfolgt im April 2019. Ausgaben vom Konto in 12/2018 800 €, in 01/19 900 €. Also könnte ich jetzt einmalig zum regulären Freibetrag 500 + 400 € freigeben.

  • Jetzt bin ich verwirrt. Ich hatte das immer so verstanden, dass ich schaue, welche Ausgaben erfolgten und dann ermittle ich eine eventuelle Differenz zum regulären monatlichen Freibetrag.
    Also mal ein konkretes Beispiel mit gerundeten Beträgen zur Vereinfachung: Nachzahlung für 12/18 und 01/19 je 500 €, Freibetrag § 850k Abs. 1 + 2 ZPO: 1300 €, Nachzahlung erfolgt im April 2019. Ausgaben vom Konto in 12/2018 800 €, in 01/19 900 €. Also könnte ich jetzt einmalig zum regulären Freibetrag 500 + 400 € freigeben.


    Nachzahlung für 12/18 und 01/19 je 500 €, Freibetrag § 850k Abs. 1 + 2 ZPO: 1300 €, Nachzahlung erfolgt im April 2019. Einnahmen Konto in 12/2018 800 €, in 01/19 900 €.

    Erhöhung Freibetrag 4/19 auf 1300+500+400=2.200 (wobei man richtigerweise 1/19 noch durch die Tabelle nach 850c ZPO rödeln müsste)

  • Jetzt bin ich verwirrt. Ich hatte das immer so verstanden, dass ich schaue, welche Ausgaben erfolgten und dann ermittle ich eine eventuelle Differenz zum regulären monatlichen Freibetrag.
    Also mal ein konkretes Beispiel mit gerundeten Beträgen zur Vereinfachung: Nachzahlung für 12/18 und 01/19 je 500 €, Freibetrag § 850k Abs. 1 + 2 ZPO: 1300 €, Nachzahlung erfolgt im April 2019. Ausgaben vom Konto in 12/2018 800 €, in 01/19 900 €. Also könnte ich jetzt einmalig zum regulären Freibetrag 500 + 400 € freigeben.


    In deinem Beispiel wäre der Freibetrag in den beiden betroffenen Monaten nicht überschritten worden = Der Schuldner hätte bei zeitiger Zahlung im Dezember und Januar die 500,-€ voll abheben können. Wofür er die ausgibt ist erstmal wurscht.

    Jetzt hat das Amt aber im Dezember und Januar nichts gezahlt und stattdessen gehen beim Schuldner im April plötzlich 1500,-€ ein (je 500 aus Dez, Jan und April). Das ist schlecht! Weil = er hat auch im April nur einen Freibetrag von 1.300,-€. Folge: 200,-€ behält die (böse) Bank um sie später dem (noch böseren) Gläubiger zu geben. Hätte das Amt zeitig gezahlt wäre das nicht passiert. Der S kann hierfür nix.

    LÖSUNG: Du erhöhst im April den Freibetrag einmalig um zusätzliche 200 Euro. Jetzt ist alles so wie es sein sollte. Der S ist glücklich. Der BGH ist glücklich. Und du bist glücklich!

  • Jetzt bin ich verwirrt. Ich hatte das immer so verstanden, dass ich schaue, welche Ausgaben erfolgten und dann ermittle ich eine eventuelle Differenz zum regulären monatlichen Freibetrag.
    Also mal ein konkretes Beispiel mit gerundeten Beträgen zur Vereinfachung: Nachzahlung für 12/18 und 01/19 je 500 €, Freibetrag § 850k Abs. 1 + 2 ZPO: 1300 €, Nachzahlung erfolgt im April 2019. Ausgaben vom Konto in 12/2018 800 €, in 01/19 900 €. Also könnte ich jetzt einmalig zum regulären Freibetrag 500 + 400 € freigeben.

    Die Ausgaben vom Konto sind in diesen Zusammenhang doch völlig irrelevant. Was zählt sind alle Gutschriften (bis auf Storni).

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