Kontofreigabe der etwas anderen Art

  • Hallo ihr,

    ich habe hier einen etwas ungewöhnlichen Antrag auf Kontofreigabe.
    Die Schuldnerin, sich der Pfändung wohl bewusst, war bei der Mitarbeiterin ihrer Bank und hat mit ihr zusammen ausgerechnet, wie viel ihres verfügbaren Geldes für feststehende Überweisungen 'draufgeht' und wie viel sie noch zur freien Verfügung hat. Es kam heraus, dass sie noch 200,- € hat. Diese wollte sie dann abheben, der Automat hat aber versehentlich eine viel höhere Summe ausgespuckt (sagen wir mal 1000,- €). Die Schuldnerin meint, alles richtig gemacht zu haben.
    Sie hat das Geld, was zuviel war (und für ihre Überweisungen gebraucht wird) sofort zur Mitarbeiterin gebracht und es wurden die 800,- € wieder eingezahlt (keine 10 Minuten später).

    Da das Bankprogramm den Vorgang aber als Verfügung wertet, kann sie nun auf den eingezahlten Betrag nicht zugreifen, ihre Überweisungen platzen und es droht, an den Gläubiger ausgezahlt zu werden.

    Sie möchte nun, dass der Betrag freigegeben wird, weil sie ja gar nicht wirklich über ihn verfügt hat und ihn zur Bestreitung ihrer Kosten dringend benötigt.


    Aus dem Bauch heraus würde ich ihr den sofort geben, aber rein rechtlich tue ich mich schwer. § 850 k VI i.V.m. ...ja, was? 850 f b) ? Scheint mir nicht so wirklich zu passen.
    Oder läuft es am Ende auf 765a hinaus?

    Was meint ihr?

    Don't blink. Blink and you're dead. They are fast. Faster than you can believe. Don't turn your back. Don't look away. And don't blink. Good Luck. - The Doctor

  • Ich sehe hier zwei "Fallstricke":

    Diese wollte sie dann abheben, der Automat hat aber versehentlich eine viel höhere Summe ausgespuckt (sagen wir mal 1000,- €). Die Schuldnerin meint, alles richtig gemacht zu haben.


    Wie kann der Automat denn "versehentlich" mehr ausspucken? Der Automat wird ja nicht selbständig 600 € mehr ausspucken, solange er dazu nicht angewiesen wird. Wie hat sie diese Tatsache überhaupt glaubhaft gemacht, daß dann wohl ein technischer Defekt vorgelegen hat? (Ich erinnere mich an einen Fall, wo der Mandant behauptete, der Automat habe nur 1.000 € anstelle der bei ihm dann gebuchten 3.000 € ausgespuckt, was er auch sofort direkt in der Filiale monierte. Kam aber am Ende nichts bei raus. Kameras dort waren nicht aktiviert oder funktionierten nicht und der Automat hatte nach Prüfung auch keine Falschzählung protokolliert(?), jedenfalls konnte kein technischer Defekt festgestellt werden.)

    Sie hat das Geld, was zuviel war (und für ihre Überweisungen gebraucht wird) sofort zur Mitarbeiterin gebracht und es wurden die 800,- € wieder eingezahlt (keine 10 Minuten später).


    Hier sehe ich den 2. Fallstrick. Die ggf. irrtümliche Verfügung hätte ja nicht jetzige Rechtsfolge gehabt, wenn die Schuldnerin sie nicht selbst mit der Wiedereinzahlung gesetzt hätte. Ihr blieb es doch unbenommen, die Gläubiger der Lastschrift zu informieren und manuell zu überweisen (im schlimmsten Fall nur für diesen einen Monat die SEPA-Mandate zu kündigen, manuell zu überweisen, um die SEPA-Mandate danach wieder zu erteilen).

    Daher würde ich auch § 765a ZPO hier nicht für gegeben erachten, da sie sich am Ende selbst in diese - zugegeben, für sie unbequeme, aber vermeidbare und vor allem nicht auf anderem Wege unauflösbare, jedenfalls nicht gegen die guten Sitten verstoßende und damit nach § 765a ZPO zu schützende - Situation gesetzt hat (so auch: BVerfG, NJW 2015, 3083 - für den Fall der Kontoleihe eines Dritten für den Schuldner anstelle der Einrichtung eines P-Kontos).

    Der "Fehler" liegt hier m. E. darin, daß sie sich ggf. auf die (falsche) Information der Bank verließ. Insoweit mögen im Verhältnis Schuldnerin <-> Bank etwaige Ansprüche zu klären sein, sollte die Bank ihr insoweit eine Falschauskunft gegeben haben. Im Verhältnis Schuldnerin <-> Gläubiger fehlt es aber für mein Dafürhalten an einem Rechtsschutzbedürfnis für ihr Verlangen.

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    Einmal editiert, zuletzt von Bolleff (16. November 2017 um 06:46) aus folgendem Grund: Ergänzung


  • Dem würde ich in beiden Punkten uneingeschränkt zustimmen.
    Ich meine auch mal eine Dokumentation über so etwas gesehen zu haben und mit welchen Funktionen die Richtigkeit gewährleistet wird. Tenor des Ganzen war, dass solche Fehler im Bereich der Theorie liegen und eigentlich kaum praxisrelevant sind.
    Das Ganze bedarf also ganz besonderer Glaubhaftmachung: Kassettenbefüllungsliste, Journalausdruck der Auszahlungsbeträge und der Auszahlungsprotokolle der beauftragten Sicherheitsfirma (siehe hier: https://www.haufe.de/unternehmensfu…t_62_66738.html ) wären über die Bank herbeizuschaffen.


    Und zum zweiten Punkt: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Eine "hab ich nicht gewusst"-Klausel gibt es im 850k nicht. Das besonnene und richtige Verhalten hat Bolleff beschrieben.

    Bolleff hat nebenbei (siehe fett markiert) auch noch DAS Gegenargument für 765a genannt: Die Schuldnerin hat es selbst verursacht. Durch den Gläubiger ist keine sittenwidrige Härte entstanden. deswegen Zurückweisung

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

    Hier geht Ihre Spende nicht unter. Rette mit, wer kann.

    -Die Seenotretter, DGzRS-


  • Es kam heraus, dass sie noch 200,- € hat. Diese wollte sie dann abheben, der Automat hat aber versehentlich eine viel höhere Summe ausgespuckt

    Wirklich vesehentlich? Oder hat bei der Auszahlung einfach jemand einen höheren Auszahlungswunschbetrag eingegeben?

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Tja, ob sie sich vertippt hat oder nicht, weiß ich nicht. Wie gesagt, sie meint, sie hätte den richtigen Betrag eingegeben. Allerdings ist die Dame auch keine 20 mehr, sodass ein Fehler durchaus im Bereich des Möglichen liegt.



    Hier sehe ich den 2. Fallstrick. Die ggf. irrtümliche Verfügung hätte ja nicht jetzige Rechtsfolge gehabt, wenn die Schuldnerin sie nicht selbst mit der Wiedereinzahlung gesetzt hätte. Ihr blieb es doch unbenommen, die Gläubiger der Lastschrift zu informieren und manuell zu überweisen (im schlimmsten Fall nur für diesen einen Monat die SEPA-Mandate zu kündigen, manuell zu überweisen, um die SEPA-Mandate danach wieder zu erteilen).

    Was genau meinst du damit? Eine Überweisung --egal, ob SEPA oder selber veranlasst - kann ja gerade nicht ausgeführt werden, wenn die Banksoftware der Meinung ist, der Freibetrag wäre ausgeschöpft (?). Sie hätte also allen das Geld bar schicken können/müssen?


    Ansonsten finde ich die Argumentation aber überzeugend. Nicht die Maßnahme selber stellt hier eine sittenwidrige Härte dar, wie 765a ZPO es verlangt.

    Daher werde ich dann wohl zurückweisen.

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  • Zitat

    Was genau meinst du damit? Eine Überweisung --egal, ob SEPA oder selber veranlasst - kann ja gerade nicht ausgeführt werden, wenn die Banksoftware der Meinung ist, der Freibetrag wäre ausgeschöpft (?). Sie hätte also allen das Geld bar schicken können/müssen?

    Man kann auch Barüberweisungen tätigen, sprich Bargeld hingeben und auf das Konto des Empfängers überweisen lassen.

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Ah, danke!
    Was den ganzen Bankkram angeht bin ich recht unbewandert, bei mir läuft alles über Lastschrift oder online-Banking :D

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  • Hier sehe ich den 2. Fallstrick. Die ggf. irrtümliche Verfügung hätte ja nicht jetzige Rechtsfolge gehabt, wenn die Schuldnerin sie nicht selbst mit der Wiedereinzahlung gesetzt hätte. Ihr blieb es doch unbenommen, die Gläubiger der Lastschrift zu informieren und manuell zu überweisen (im schlimmsten Fall nur für diesen einen Monat die SEPA-Mandate zu kündigen, manuell zu überweisen, um die SEPA-Mandate danach wieder zu erteilen).

    Was genau meinst du damit? Eine Überweisung --egal, ob SEPA oder selber veranlasst - kann ja gerade nicht ausgeführt werden, wenn die Banksoftware der Meinung ist, der Freibetrag wäre ausgeschöpft (?). Sie hätte also allen das Geld bar schicken können/müssen?

    Man kann auch Barüberweisungen tätigen, sprich Bargeld hingeben und auf das Konto des Empfängers überweisen lassen.


    :daumenrau Und selbst dann, wenn die Barüberweisung bei der DS-Bank - warum auch immer - nicht möglich wäre, bliebe ja ggf. noch der Weg zur Bank der SEPA-Lastschrift-Empfänger (oder gar noch so etwas wie "Western Union").

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  • Naja es wird sich eher so abgespielt haben: Zuerst wurde das Geld abgehoben und erst im Anschluss wurde sich mit der Bank in Verbindung gesetzt...:gruebel:

    Definitiv nicht.
    Ich habe mit der Bankangestellten telefoniert, welche den Vortrag der Schuldnerin (außer dem Part mit dem Geldautomaten,da sie da ja nicht daneben stand) bestätigt hat.


    Habe jetzt aber aus den o.g. Gründen zurückgewiesen.

    Dankeschön an alle, vor allem an Bolleff! :dankescho

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  • Würde ich definitiv nicht so machen!


    Wenn ich nachgewiesen bekomme, dass eine Schuldnerin nicht über mehr verfügt hat, als ihr zu belassen ist, gebe ich frei.

    Das wie warum beim Automaten interessiert mich dabei auch nicht und ist auch nicht nachzuweisen.

    Was interessiert ist:
    Ist die Rückzahlung glaubhaft durch die Schuldnerin getätigt und das Geld somit Teil des ihr zu belassenden Betrages oder ist es eine Einnahme durch eine andere Quelle und somit pfändbar?

    Es kann meiner Ansicht nach nicht sein, dass ein unerfahrener Schuldner Geld abhebt, das Geld dann wieder einzahlt und dann nichts zum Leben hat und der Gläubiger mehr erhält als ihm von Rechts wegen zusteht.
    Einen Betrag doppelt zu pfänden - vor Auszahlung und danach noch mal bei Wiedereinzahlung ist nicht zulässig!

    Jeder Schuldner hat einen ihm zustehenden Freibetrag, über den er verfügen darf und dieser darf nicht gemindert werden.
    (wer im Gesetz den Passus findet -"der monatliche Freibetrag mindert sich um die jeweilige Summe die ein Schuldner irrtümlich auf ein P-Konto zurückzahlt" darf diesen mir gern zukommen lassen oder hier nennen)

    Aber genau das wird hier gemacht wenn der Schuldnerin die Freigabe verweigert wird. Es ist freizugeben, da durch diesen Irrtum der Schuldnerin der ihr zustehende Freibetrag gemindert würde/ Es zu einer Doppelpfändung kommt.

    @ Bolleff: Hier kein Rechtsschutzbedürfnis zu sehen, bei einer Schuldnerin die jetzt -nach Vortrag glaubhaft- über 800,00 € weniger verfügen kann und nicht weiss wie sie den Monat finanziell übersteht und der Gläubiger jetzt 800,00 € mehr bekommt als ihm nach den Vorschriften der ZPO zusteht. - absolut weltfremd, sorry, wenn es nicht sittenwidrig ist, das einer Schuldnerin die ihr gemäß den Pfändungsvorschriften noch zu verbleibenden Beträge genommen werden, was dann? Und 765 a ZPO ist hier sehr wohl anwendbar, da die Kontopfändung und deren (fehlerhafter, weil über den vorgesehenen Beträgen wegen der Doppelpfändung liegenden) Umfang diese Probleme verursacht.

    Bereits schon mal gefragt worden:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…durch-Schuldner

    Hoffe das bewegt dich zum Überdenken deiner Entscheidung Zahira, sofern du keinen Zweifel hast, dass es sich um eine Aus- und gleich danach Wiedereinzahlung handelt.

    Nehmt es mir nicht übel- aber so geht es meiner Ansicht nach gar nicht.


  • Ich muss hier widersprechen, auch wenn ich mich im Wesentlichen nur wiederhole.

    Zunächst zur Anwendbarkeit des §765a ZPO: ich bleibe bei der Ansicht, dass er nicht anwendbar ist. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine ganz reguläre Kontenpfändung, wie sie von uns allen hundertefach pro Jahr erlassen wird.
    Die Schuldnerin selbst hat durch ihre Unwissenheit diese Situation verursacht. Das das nicht schön und gefühlt auch nicht fair ist, da sind wir definitiv und unstreitig einer Meinung.
    Ich kann aber nicht den §765a für alles heranziehen, um mir eine moralisch richtige Lösung zu basteln.
    Wie bereits von mir gesagt gibt es auch keine "Dusseligkeitsklausel" im §850k.
    Dass viele Leute sich der Trag- und Funktionsweise eines P-Kontos nicht im Klaren sind, ist traurige Realität. Das führt dann zu solchen bitteren Ausnahmefällen.

    Man muss bei der Anwendbarkeit von §765a ZPO in Verbindung mit dem §850k auch immer die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten: Schaut euch doch an, wie unfassbar restriktiv diese Vorschrift zum Beispiel bei einer Räumung auszulegen ist. Hier geht es um den Schutz der Wohnung.
    Dann wird es im Verhältnis um so schwieriger zu erläutern, weshalb die Überbrückung von einem Monat so viel wichtiger sein soll, als die Wohnung zu behalten.


    Und mich würde das Warum sehr wohl brennend interessieren. Denn dann wäre die "untragbare" Situation zumindest durch einen Fehler der Bank/des Automaten provoziert worden, und damit hätte die Schuldnerin dann nicht alleine Schuld an der Misere. Dann hätte ich gaaaanz eventuell einen Rettungsanker, 765a doch zu nehmen.

    Ob die Schuldnerin eventuelle Darlehen o.ä. beantragen kann, bleibt ihr gegebenenfalls anzuraten.


    Das Ergebnis ist moralisch fragwürdig bis nicht gewünscht. Das gebe ich zu.

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

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    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Wie so oft wird es auch sehr unterschiedliche Meinungen geben.

    Was ich noch anmerken möchte:

    Zitat

    Bolleff hat nebenbei (siehe fett markiert) auch noch DAS Gegenargument für 765a genannt: Die Schuldnerin hat es selbst verursacht. Durch den Gläubiger ist keine sittenwidrige Härte entstanden. deswegen Zurückweisung

    Das ist meines Erachten weder DAS Gegenargument, noch überhaupt ein Argument. Im Gegenteil wird dies nirgends als Voraussetzung des § 765a ZPO genannt, und ist es schlicht auch nicht.
    Um mal bei dem Vergleich mit dem Räumungsschutz zu bleiben: die typischen Sachen wie Krankheit, Suizidgefahr, Ersatzwohnung in wenigen Wochen, etc.. sind alle nicht Durch den Gläubiger entstanden.

  • Warum hier 765 a ZPO anwendbar ist:

    Es handelt sich hier um eine durch die Bank bedingte Doppelpfändung. Das Geld wurde bei Zahlungseingang erfasst, nur der Freibetrag blieb auf dem Konto.

    Diesen Betrag kann die Schuldnerin verwenden wie sie will, es ist ihr auch gesetzlich nicht verboten diesen nach Belieben aus und wieder einzuzahlen. Es ist der Betrag über den sie pfandfrei verfügen darf.

    Jedoch kann die kontoführende Bank es nicht nachvollziehen, ob es sich um einen neuen Zahlungseingang von anderer Seite oder den seitens der Schuldnerin handelt, entsprechend sind die Programme so geschrieben, dass sie den Betrag nur einmal im Monat berücksichtigen und jeden danach eingehenden Betrag sperren und zur Pfändung gelangen lassen. Das ist auch so richtig, da sonst die Gefahr bestünde, dass bei mehr als einer Einnahmequelle dem Gläubiger pfändbare Beträge entgehen.

    Zahlt ein Schuldner einen Betrag jetzt nach Pfändung aus und dann um ihn zu überweisen wieder ein, arbeitet das Programm und der Betrag wird gepfändet. Es findet eine nicht zulässige Doppelpfändung statt- bedingt durch den Computer der Bank- nicht durch die Schuldnerin, da ihr Ein- und Auszahlungen generell nicht verboten sind. Eine Erklärung über diese Funktionsweise findet seitens der Banken meines Wissens nicht statt. Es ist also eine Frechheit hier mit: "Die Schuldnerin ist selbst schuld" zu kommen. Selbst als die Schuldnerin es wieder bei der Bank einzahlte, wurde sie darauf nicht hingewiesen, sonst hätte sie es wohl kaum gemacht. Genau dies wäre bei der Bank wünschenswert gewesen:"Sie wollen das wieder einzahlen? Sie wissen schon, dass Sie ein P-Konto haben und dieses Geld dann gesperrt ist?"-passierte aber nicht.

    Der Schuldnerin wird nun von der Bank kein Geld ausgezahlt, sie kann über das wiedereingezahlte Geld nicht verfügen.

    Es ist ein Mensch nötig, um festzustellen ob die Schuldnerin über ihr zustehendes Geld oder über zu pfändendes Geld aus einer zweiten Einnahmequelle verfügen will. Es ist ein Beschluss notwendig nach 765 a ZPO, da die Doppelpfändung eine nicht zulässige besondere Härte darstellt und dazu führt, dass die Schuldnerin ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten kann.


    Es liegt hier eine doppelte Pfändung vor- ganz einfach. Da ist 765 a einfach anzuwenden, da es eine besondere Härte darstellt, die vom Gesetzgeber nicht gewünscht ist, genau dafür gibt es ja die Pfändungsbestimmungen: Eben um den Schuldnern genug zum Leben zu lassen. Durch Bankcomputer generierte Doppelpfändungen hat der Gesetzgeber nicht berücksichtigt.

    Genau deshalb geben wir doch auch Gehaltseingänge frei, wenn das Gehalt bereits beim Arbeitgeber gepfändet ist- um Doppelpfändung zu vermeiden.

    @ Intrepid: Ja, es ist eine hundertfach erlassene normale Kontopfändung, nur wirkt diese hier doppelt auf einen Betrag und genau deshalb ist nicht die Pfändung aber ihre Auswirkung besonders. Klar macht ein Schuldner dies auch nur einmal. Trotzdem ist die Ursache: Durch die Funktionsweise der Bankcomputer kann der Schuldner nicht wie er will über seinen pfandfreien Betrag verfügen- er kann ihn eben ohne Schwierigkeiten nicht wieder einzahlen und muss ihn wenn er irrtümlich zuviel abhebt behalten- eine Einschränkung die durch die Banken, nicht jedoch vom Gesetzgeber bedingt ist.

    Das Problem, dass die Schuldnerin jetzt nicht über den ihr gesetzlich zustehenden Betrag verfügen kann, wird durch die Kontenpfändung seitens des Gläubigers hervorgerufen, diese Zwangsvollstreckungsmaßnahme muss entsprechend durch 765 a korrigiert werden.


    Wer sehenden Auges trotz Antrag zulässt, dass ein Fehler -egal durch wen- den Gläubiger bevorteilt, den Schuldner benachteiligt und das Pfändungsrecht komplett aushebelt, sollte seine Berufswahl überdenken.
    Klar kommt jetzt wieder- "aber der Schuldner kann ja Rechtsmittel einlegen". Aber mal aus der Praxis: Die Menschen vertrauen dem Gericht und glauben was wir tun ist richtig. Die Chance, dass bei Ablehnung eines solchen Antrages ein Rechtsmittel kommt, ist kaum vorhanden-weil diese Leute keine Ahnung und kein Geld für Anwälte haben. Also kann sich jeder entscheiden wie er will- ich möchte aber auch gern morgens in den Spiegel schauen...

    Mehr sag ich da nicht zu.

  • Wie so oft wird es auch sehr unterschiedliche Meinungen geben.

    Was ich noch anmerken möchte:

    Zitat

    Bolleff hat nebenbei (siehe fett markiert) auch noch DAS Gegenargument für 765a genannt: Die Schuldnerin hat es selbst verursacht. Durch den Gläubiger ist keine sittenwidrige Härte entstanden. deswegen Zurückweisung

    Das ist meines Erachten weder DAS Gegenargument, noch überhaupt ein Argument. Im Gegenteil wird dies nirgends als Voraussetzung des § 765a ZPO genannt, und ist es schlicht auch nicht.
    Um mal bei dem Vergleich mit dem Räumungsschutz zu bleiben: die typischen Sachen wie Krankheit, Suizidgefahr, Ersatzwohnung in wenigen Wochen, etc.. sind alle nicht Durch den Gläubiger entstanden.

    Dem muss ich leider widersprechen.
    Im Wortlaut des §765a steht: " 1Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist."


    Die Maßnahme ist stets vom Gläubiger beantragt. Bei einer Räumung kann es insoweit deswegen auch schnell zu Sittenwidrigkeit kommen. Dann wäre diese Maßnahme nicht mit den guten Sitten vereinbar.

    Eine Kontenpfändung als "nicht mit den guten Sitten vereinbar" (auch bei "voller Würdigung ...") zu bezeichnen dürfte ein ziemlicher Akt sein.

    Außerdem: §765a, Rn.5 Zöller, 30. Auflage: ..."nämlich nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gl zu einem ganz untragbaren Ergebnis führen würde.::"
    Der Gläubiger geht hier im konkreten Fall aber nach erwirkter ursprünglicher Pfändung gar nicht weiter vor.

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

    Hier geht Ihre Spende nicht unter. Rette mit, wer kann.

    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Insulaner

    Vielleicht mal aufgedröselt:

    Für die Begründetheit des Vollstreckungsschutzes nach § 765a ZPO braucht es drei kumulative Voraussetzungen:

    1. "ganz besondere Umstände"


    Bedeutet, daß Nachteile, die eine ZV nun einmal mit sich bringen, nicht ausreichend sind. Es muß insoweit eine "krasse Ausnahme", die über alle besonderen gesetzlichen ZV-Schutzvorschriften hinausgeht, vorliegen (Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., § 765a Rn. 16). Das Angewiesensein auf Sozialhilfe reicht ebenfalls nicht aus (z. B. Walker, aaO., m.w.N.; BGH, NJW 2005, 681).


    Nachteil, den die ZV hier mit sich bringt, ist, daß bei Verfügung über den Freibetrag auf dem P-Konto (ob nun durch Überweisung oder Barabhebung) jedes darüber hinausgehende Guthaben (ob nun durch Überweisung oder Barabhebung) dem Pfandrecht des Gläubigers unterliegt und an diesen zu fließen hat.


    Liegt also danach ein ganz besonderer Umstand hier vor? Würde ich verneinen, insbesondere das Argument, den Lebensunterhalt nicht bestreiten zu können (auf Sozialhilfe oder Hilfe Dritter evtl. angewiesen zu sein) würde ich als nicht schlagkräftig ansehen.


    2. "mit den guten Sitten unvereinbare Härte"


    Hier genügt es nicht, festzustellen, daß Umstände vorliegen, die diese ZV zu Lasten des Schuldners von anderen unterscheidet. Bei der Prüfung sind auch die Wertentscheidungen des GG und die dem Schuldner in der ZV zu gewährenden Grundrechte zu berücksichtigen (Walker, aaO., Rn. 18 mit Verweis auf die st. Rspr. des BVerfG und m.w.N.). Fallgruppen sind dabei z. B.: Gefährdung der Gesundheit des Schuldners, Lebensgefahr, Selbstmordgefahr (wobei das auch immer mit den ZV-Interessen des Gläubigers abzuwiegen ist) oder auch Entbindung, evtl. auch Räumung (wenn Gläubiger selbst Ursache setzte), ungewöhnliche wirtschaftliche Folgen, wenn sie mit dem eigentlichen ZV-Vorgang nichts zu tun haben (z. B. eine Familie mit schweren gesundheitlichen Problemen bei der ZV in den Pkw nicht mehr in der Lage ist, die regelmäßig erforderlichen Arztbesuche durchzuführen) oder auch dann, wenn die ZV allein dem Schuldner schadet, ohne dem Gläubiger zu nützen.


    Liegt also schon danach eine sittenwidrige Härte vor? Kommt darauf an, ob man bei der Abwägung den Irrtum bei der Wiedereinzahlung als z. B. im vorigen Beispiel "ungewöhnliche wirtschaftliche Folge" ansehen möchte. Denn im vorliegenden Fall wurde die Ursache nicht durch den Gläubiger durch die ZV gesetzt (die dann nur mittelbar also auf den Schuldner ausstrahlt), sondern das eigene Verhalten der Schuldnerin.


    Zwar ist nach Meinung der Literatur die Sittenwidrigkeit nicht ausgeschlossen, wenn der Schuldner sich selbst durch eigene Maßnahmen in eine wirtschaftliche Situation gebracht hat, daß ihn nun ZV-Maßnahmen in seiner Existenz gefährden und ungewöhnlich hart treffen (so: Walker, aaO., Rn. 28; derselbe in Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl.; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 765a Rn. 7). Die Rechtsprechung sieht das aber anders (KG, MDR 1960, 234; OLG Hamm, JurBüro 1960, 24; BVerfG, s. Beitrag #2). Insofern ist der Schuldnerin auch anzulasten, daß sie sich nicht ausreichend (Stichwort: besonnen) informiert hat.


    3. "Schutzbedürfnisse des Gläubigers"


    Schließlich sind bei alledem auch die Gläubigerinteressen abzuwägen, inwieweit also auch dieser schutzbedürftig sein kann. Denn der darf auch darauf vertrauen, daß der Staat die Durchsetzung dessen, was er selbst für rechtens erklärt hat, nicht verweigern darf, zumal der Schuldner auch nicht ohne sein Zutun Schuldner geworden ist, weil er vom Gläubiger Leistungen erhalten hat oder ihm Schaden zugefügt hat. Insofern kann also das Ungleichgewicht stärker sein, wenn es sich z. B. um Unterhaltsansprüche des Gläubigers oder um Ansprüche aus unerlaubter Handlung handelt. Auch ist zu berücksichtigen, daß der Gläubiger ggf. selbst dringend auf die (zwangsweise) Erfüllung seiner Forderung angewiesen ist (z. B. eigene Verpflichtungen, auch, um seinen Betrieb aufrechtzuerhalten, Abwendung der eigenen Insolvenz usw.)

    Da nicht alle drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen (beispielsweise wir bislang auch nichts zu den Gläubigerbelangen kennen, was letztlich wegen der oben in 1. genannten Voraussetzung aber m. E. dann auch dahingestellt bleiben kann), sehe ich den Antrag als unbegründet hat. Und ich persönlich bin auch weiterhin der Meinung, daß "Irrtum nicht vor Strafe schützt". Die Schuldnerin ist ja nicht wehrlos, sondern kann sich ggf. bei der Bank schadlos halten, die ihr eine falsche Auskunft gegeben hat. Dann wird evtl. jemand zur Meinung gelangen, daß sie sich auf die Auskunft des/der Bankangestellten nicht hätte verlassen dürfen, sondern rechtskundigen Rat zuvor hätte einholen müssen (besonnen zu reagieren gehabt hätte), bevor sie selbst die Ursache ihrer jetzigen Bedürftigkeit setzt. Und wie gesagt: Die Wiedereinzahlung war letztlich der Bequemlichkeit geschuldet. Denn ihr wäre dadurch kein Schaden entstanden, wenn sie wie in #2 ausgeführt gehandelt hätte, selbst wenn zwischenzeitlich Rücklastschriften erfolgt wären.

    Ich kann aber auch durchaus nachvollziehen, daß Du das anders siehst, weil die Schuldnerin hier nicht mit bösem Willen, sondern evtl. bißchen blauäugig gehandelt hat. Ob diese nachvollziehbaren Symphatien aber für die Begründetheit nach § 765a ZPO reichen, möchte ich (weiterhin) bezweifeln.

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  • Die Maßnahme ist stets vom Gläubiger beantragt. Bei einer Räumung kann es insoweit deswegen auch schnell zu Sittenwidrigkeit kommen. Dann wäre diese Maßnahme nicht mit den guten Sitten vereinbar.

    Eine Kontenpfändung als "nicht mit den guten Sitten vereinbar" (auch bei "voller Würdigung ...") zu bezeichnen dürfte ein ziemlicher Akt sein.

    In einem Fall ist Räumungsauftrag die Maßnahme, im anderen Fall die Pfändung. Beides ist eine Maßnahme des Gläubigers.
    Beides ist auch nicht per se sittenwidrig. Und in beiden Fällen geht es um die Folgen für den Schuldner (nicht wer diese Verursacht hat - bzw. wenn du so willst, wurde diese in beiden Fällen vom Gläubiger "durch die Maßnahme" verursacht).
    Und in beiden Fällen geht es um eine Interessenabwägung - und das berechtigte Interesse des Gläubiger besteht zweifelslos, aber würde ich dies in diesem konkreten Fall (Gl. würde Geld bekommen das er ohne schludrigkeit des Schuldners vom Willen des Gesetzgebers her gar nicht bekommen würde) eher gering ansetzen. Vor allem im Verhältnis zum Interesse des Schuldners, den monat praktisch ohne Geld auskommen zu müssen (was vom Gesetzgeber ja gerade nicht gewollt war).

  • Da der Vortrag der Schuldnerin durch die Bankangestellte bestätigt wurde, sehe ich es auch wie Insulaner. Natürlich hat der Gläubiger das Problem nicht verursacht, er würde allerdings davon profitieren und für den entsprechenden Monat eigentlich mehr erhalten als ihm zusteht.

    Würde übrigens hier tatsächlich von einem Versehen der Schuldnerin beim Abheben ausgehen. (Ist mir selbst in der Eile auch schon passiert, dass ich eine Null zuviel gedrückt hatte und 900,- € statt 90,- € erhielt.) Es ergäbe sonst im geschilderten Fall auch wenig Sinn, mit der Bankangestellten zu rechnen (Rest 200,- €) und dann doch viel mehr abzuheben.

    (Eigentlich frage ich mich, weshalb die Bank vom monatlichen pfändungsfreien Betrag nicht die Daueraufträge abzieht und durch entsprechenden Eintrag im Computerprogramm der Schuldner am Automaten tatsächlich nur die Differenz abheben kann. Technisch sollte das wohl machbar sein.)

  • Diesen Betrag kann die Schuldnerin verwenden wie sie will, es ist ihr auch gesetzlich nicht verboten diesen nach Belieben aus und wieder einzuzahlen. Es ist der Betrag über den sie pfandfrei verfügen darf.


    Woraus nimmst Du das? :gruebel: Der Gesetzgeber verwendet das Wort "verfügen" in seiner Begründung zum P-Konto nur als "Barabhebung, Lastschrift, Überweisung" und begründet die Vereinfachung bei der Abwicklung des P-Kontos damit, daß das für die Bank auch vorteilhaft sei, weil sie so keine weiteren Prüfungen bei Eingang der Gelder vornehmen muß. M. E. beinhaltet das "Verfügen" gerade damit nicht die Aus- und Wiedereinzahlung, Überweisung und Rücküberweisung, Lastschrift und Rücküberweisung.

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