... mal wieder 765 a ZPO

  • Guten Morgen,

    Sachverhalt:
    Unmittelbar vor dem Versteigerungstermin (1/2 Stunde vorher) wird ein schriftlicher Antrag nach § 765 a ZPO (Depressionen, ggf.Suizidgefahr, allerdings recht allgemein gehalten) eingereicht.

    Nach BGH muss ich ja nicht zwingend gesondert vor Schluss der Versteigerung über diesen Antrag entscheiden, sondern kann den Termin durchführen und dann inzidenter in den Gründen des Zuschlagsbeschlusses über 765 a entscheiden.

    Nun verhält es sich aber so, dass nach Ende der Bietzeit

    (zuschlagsfähiges Gebot liegt vor, Gläubiger und Ersteher „beantragen“den sofortigen Zuschlag, Gläubiger beantragt Zurückweisung § 765 a ZPO),

    aber vor Entscheidungsverkündung ein „Bote“, der offenbar die Versteigerung aus dem Publikum heraus verfolgt hat, einen schriftlich vorbereiteten Befangenheitsantrag vorlegt.

    Damit kann die Zuschlagsentscheidung nicht mehr getroffen werden. Es wurde ein Termin zur Verkündung der Zuschlagsentscheidung auf Ende Februar terminiert.

    Ich bin nun die Vertreterin der zuständigen (vorgeworfen befangenen) Rechtspflegerin und war im Termin als Protokollführerin anwesend.

    Muss bzw. darf ich über den Antrag nach § 765a ZPO nunmehr gesondert entscheiden oder ist zunächst die Befangenheit zu klären und sodann von der zuständigen Rechtspflegerin im Rahmen des Termins über die Zuschlagsentscheidung über den Antrag nach § 765 a ZPO zu entscheiden?
    Denn: nunmehr habe ich nicht mehr die Situation, dass der Antrag nach § 765 a ZPO „unmittelbar vor dem Termin“ vorliegt, sondern ich nunmehr ja Zeit habe, diesen als nicht befangene Vertreterin zu bearbeiten.

    Meine eigene Rechtsauffassung hierzu ist - unter Berücksichtigung der Kommentierung im Stöber, Einleitung, Rdnr. 58.3 und 58. 4 -, dass, sofern ein zuschlagsfähiges Gebot vorliegt und nicht vor Ende der Versteigerung gesondert über den Antrag nach § 765 a ZPO entschieden wurde, nur noch durch Zuschlagsversagung oder Erteilung entschieden werden darf.
    Da aber die zuständige Rechtspflegerin ja ausdrücklich einenTermin zur Entscheidung über den Zuschlag erlassen hat, fehlt mir ja eigentlich nach den obigen Fundstellen die rechtliche Befugnis, nun gesondert über diesen 765-a-Antrag zu entscheiden.

    ODER?

    Hinzu kommt, dass die Eigentümerin beantragt hat, dass ein vom Gericht einzuholendes ärztliches Gutachten in Auftrag gegeben werden soll.
    Hier habe ich die weitere Frage, ob ich hierzu verpflichtet bin, wenn lediglich vorgetragen wird, die Eigentümerin sei nun aufgrund der Versteigerung depressiv und es könnte Suizidgefahr bestehen. Von ihr werden keine Atteste vorgelegt.

    Ich sage schon mal Danke fürs geduldige Lesen!

    Gruß, Vollstrecki

  • Ich würde das Gutachten in Auftrag geben und die Entscheidung über den Befangenheitsantrag abwarten. Möglicherweise muss der Verkündungstermin vertragt werden.

    Ich habe viele Jahre ZVG gemacht und habe gelernt, dass Hektik und zwanghaftes Durchziehen des Verfahrens nichts bringt. Es gibt den 765 a ZPO nun mal und umfangreiche Rechtsprechung dazu, damit müssen sich alle abfinden bis zu einer Neuregelung. Als Vertreter solltest du dich da nicht weiter engagieren.

  • Hallo Stempel,

    Danke für die Rückmeldung!

    Ich würde mich da auch ungerne einmischen als Vertreterin. Die Idee kam so ... :)

    Deiner Antwort entnehme ich aber, dass Du schon eine "Verpflichtung" des Gerichts siehst, auf (nach m. A. unsubstantiiertes) "Zurufen" der Eigentümerin tatsächlich ein Gutachten einzuholen?

    Gruß, Vollstrecki

  • Ein Suizidantrag, egal ob eine halbe Stunde oder eine Woche vor dem Termin, führt bei mir nicht zu einer Aufhebung des Termins, was die Schuldner ja meistens erreichen wollen. Ich sage dann aber gleich zu Beginn der Versteigerung, dass heute kein Zuschlag erteilt werden kann, sondern ein Verkündungstermin bestimmt wird.
    Richtig ist, den Antrag in der Zuschlagsentscheidung zu behandeln. Zurückweisung und Erteilung oder Stattgabe und Versagung. Das hat dann zur Folge, dass nur eine Beschwerde einzulegen und zu bearbeiten ist.

    So lange die Befangenheit nicht rechtskräftig beschieden ist, wird auch keine Zuschlagsentscheidung getroffen. Der Vertreter ist ja erst am Zug, wenn die Befangenheit durchgeht.

    Zu den Attesten/Gutachten gibt es wohl jüngere Rechtsprechung (BGH und/oder BVerfG), dass ein (glaubhafter?) Vortrag genügt, wir sind dann zur Amtsermittlung verpflichtet und müssen die Gutachten selbst einholen, falls uns das nicht langt, was vorgelegt wird.

    (Wolltet ihr ernsthaft am Tag der Versteigerung und der Einreichung über den Schutzantrag entscheiden?? Sehr ambitioniert ;) )

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Hallo Araya,

    Danke für Deine Rückmeldung!

    Dein Argument zur Befangenheit überzeugt und bestätigt meine Tendenz, mich nicht als Vertreter vorschnell einzumischen.

    Jetzt müssen wir nur überlegen, ob ein amtswegiges Gutachten einzuholen ist...

    Gruß, eine recht "ambitionierte" Vollstrecki

  • Der abgelehnte Rechtspfleger kann bis zur Entscheidung über den Befangenheitsantrag lediglich unaufschiebbare Rechtshandlungen vornehmen.
    Er kann mithin keine Beweiserhebung hinsichtlich des Suizidvortrages des Schuldners anordnen.

    Nach BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - V ZB 111/09 gibt es - anders als bei Richtern - jedoch keinen Anspruch auf den "gesetzlichen Rechtspfleger", so dass diese Maßnahmen von seinem Vertreter veranlasst werden könnten (bis hin zur Zuschlagsbescheidung).
    Wer auf Nummer sicher gehen will, kann in der Geschäftsverteilung noch feststellen lassen, dass die Vertretungsregelung (welche eigentlich nur von interner Bedeutung ist) nicht nur bei tatsächlicher, sondern auch bei rechtlicher Verhinderung eintritt.

    Die Möglichkeit der Äußerung der Besorgnis der Befangenheit soll dem Bürger ein faires und rechtsstaatliches Verfahren gewährleisten, jedoch nicht dazu führen, ein zusätzliches Zeitfenster von evtl. mehreren Monaten bist zur rechtskräftigen Bescheidung des Befangenheitsantrags zu erhalten.

  • Hallo WinterM!

    Danke für Deinen Hinweis!

    Habe mir auch inzwischen die BVerfG-Entscheidung 2 BVR 320/11 rausgesucht, die u. a. das bestätigt, was Du (und Araya) sagst, nämlich dass wohl eine Gutachterbestellung (durch mich) sinnvoll erscheint!

    Gruß

    Einmal editiert, zuletzt von Vollstrecki (7. Februar 2018 um 14:03)

  • ....
    Die Möglichkeit der Äußerung der Besorgnis der Befangenheit soll dem Bürger ein faires und rechtsstaatliches Verfahren gewährleisten, jedoch nicht dazu führen, ein zusätzliches Zeitfenster von evtl. mehreren Monaten bist zur rechtskräftigen Bescheidung des Befangenheitsantrags zu erhalten.


    Die Dauer bis zur Entscheidung des Befangenheitsantrags kann durch den Bürger allerdings nicht (positiv) beeinflusst werden.

  • Die Dauer bis zur Entscheidung des Befangenheitsantrags kann durch den Bürger allerdings nicht (positiv) beeinflusst werden.[/QUOTE]

    Frog, da hast Du natürlich Recht, aber ein paar Wochen können die da leider schon raus holen... :(

  • Die Dauer bis zur Entscheidung des Befangenheitsantrags kann durch den Bürger allerdings nicht (positiv) beeinflusst werden.

    Frog, da hast Du natürlich Recht, aber ein paar Wochen können die da leider schon raus holen... :([/QUOTE]

    Es gibt Schlimmeres.
    Zumal Leben an erster Steller steht und diese Anträge ja auch durchaus mal berechtigt sein können und nicht nur Masche.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • ... diese Anträge ja auch durchaus mal berechtigt sein können und nicht nur Masche.

    In der hier vorliegenden Konstellation -Schutzantrag Minuten vor dem Termin und später dann Anbringung eines vorbereiteten Ablehnungsantrags- liegt keine Suizidgefahr vor, sondern ist ein Verhinderer am Werk.

    Unser Landgericht ist übrigens der Meinung, daß vorbereitete Ablehnungen per se rechtsmißbräuchlich sind und durch den Abgelehnten selbst verworfen werden können.

  • Was war denn die Begründung des Befangenheitsantrags? Wenn dieser absolut keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des zuständigen Rechtspflegers enthält, kann dieser durch den abgelehnten Rechtspfleger selbst als offensichtlich rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden. Der Bote kann dann schlecht dagegen vorgehen. Ein Vertretungsfall tritt überhaupt nicht ein. Die Zurückweisung kann auch noch nach dem Termin erfolgen.

    Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser Antrag etwas Greifbares enthält, da er ja vor dem Termin vorbereitet wurde und sich gar nicht auf das Verhalten im Termin beziehen konnte.

    Bei solchen 'Taktiken' hilft nur Konsequenz.

  • ... diese Anträge ja auch durchaus mal berechtigt sein können und nicht nur Masche.

    In der hier vorliegenden Konstellation -Schutzantrag Minuten vor dem Termin und später dann Anbringung eines vorbereiteten Ablehnungsantrags- liegt keine Suizidgefahr vor, sondern ist ein Verhinderer am Werk.

    Unser Landgericht ist übrigens der Meinung, daß vorbereitete Ablehnungen per se rechtsmißbräuchlich sind und durch den Abgelehnten selbst verworfen werden können.

    Na, dann kannst du ja beides ganz locker am Ende des Termins sofort bescheiden. Überlebt der Schuldner, hattest du ja recht.

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  • Der vorbereitete Befangenheitsantrag stützt sich darauf, dass in einer Art "Schnellverfahren" über den Antrag nach § 765 a ZPO entschieden werden sollte, also nicht gesondert,
    sondern im Rahmen der Zuschlagsentscheidung.

    M.E. ganz klar Verhinderer.

  • Überlebt der Schuldner, hattest du ja recht.

    Kurzes Fazit: Alle Antragsteller haben bislang überlebt.

    Dann wünsche ich dir schon mal viel Spaß, wen es der erste macht!

    An "ganz klar" und "offensichtlich" sind mE strenge Anforderungen zu stellen. Umso mehr, als es hier um Leben geht.

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  • Dann wünsche ich dir schon mal viel Spaß, wen es der erste macht!

    Schon passiert, aber der hatte keinen Antrag gestellt. Da kann man dann halt auch nichts machen.

    Und im übrigen geht es hier offensichtlich nicht ums Leben des Schuldners, sondern um den Lebensunterhalt des Verhinderers.

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  • Ich würde schon zwischen Befangenheitsantrag und 765a unterscheiden. Der Befangenheitsantrag kann sich nicht auf ein konkretes Verhalten beziehen. Den würde ich auch sofort zurückweisen und dann einen Termin zur Zuschlagserteilung deutlich nach hinten schieben. Dann wird entweder bzgl. des765a zwischenverfügt oder ein Gutachten eingeholt. Es mag ein Verhinderer sein, aber der Schuldner kann ja trotzdem was haben. Ich würde da immer auf Nummer sicher gehen.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Ich würde schon zwischen Befangenheitsantrag und 765a unterscheiden. Der Befangenheitsantrag kann sich nicht auf ein konkretes Verhalten beziehen. Den würde ich auch sofort zurückweisen und dann einen Termin zur Zuschlagserteilung deutlich nach hinten schieben. Dann wird entweder bzgl. des765a zwischenverfügt oder ein Gutachten eingeholt. Es mag ein Verhinderer sein, aber der Schuldner kann ja trotzdem was haben. Ich würde da immer auf Nummer sicher gehen.

    Schön, dass ich nicht der einzige bin.

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