RK 2, Insolvenz, Beschlagnahme

  • Guten Morgen,

    ich bin mir unsicher, wie ich entscheiden soll.

    Beantragt ist die Zwangsversteigerung wegen Forderungen der Rangklasse 2.
    Über das Vermögen der Schuldnerin ist Ende 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Titel sind gegen die Schuldnerin erwirkt aber zwischenzeitlich auf den Insolvenzverwalter umgeschrieben (dort sehe ich kein Problem).
    Tituliert sind Forderungen aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung (Titel von Anfang/Mitte 2014).

    Mein Gedankengang: Bei einer Beschlagnahme 2018 sind die Ansprüche für die Rangklasse 2 deutlich zu alt.

    Nun trägt der Rechtsanwalt aber vor:
    Nach dem Urteil des BGH vom 21.07.2011 (GZ: IX ZR 120/10 - zitiert nach juris, dort Rn. 34 und 35) ist im Falle der Insolvenz des Schuldners der Zeitpunkt der Beschlagnahme i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ("aus dem Jahr der Beschlagnahme") entgegen dem eindeutigen Wortlaut mit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gleichzusetzen.


    Ich weiß nicht, ob ich anordnen kann.
    Über zahlreiche Meinungen wäre ich dankbar.

  • Die Argumentation des BGH erscheint mir schlüssig.

    Grundsätzlich ist auf den Zeitpunkt der Beschlagnahme abzustellen, da es Sache der WEG ist, ihre Ansprüche aktiv zu verfolgen. Tut sie dies nicht kann sie keinen verstärkten Schutz einfordern.

    Dieser Gedanke ist in der Insolvenz nicht direkt anwendbar. Da eine Vollstreckung ohnehin frühestens zu dem Zeitpunkt möglich ist, in dem die Duldungsklage Erfolg hat bzw. die Unterwerfungserklärung umgeschrieben wurde kann die WEG vorher nicht "säumig" werden. Sie hätte ja gar nicht mehr beschlagnahmen können.

    Ganz sauber erscheint die Argumentation allerdings nicht. Streng genommen müsste dies zu einer Art Hemmung des Zeitpunkts der Beschlagnahme führen, bei dem der Zeitraum zwischen Eröffnung und Umschreibung bei der Fristberechnung außer acht bleibt. Der BGH stellt aber, ganz undifferenziert, auf den Zeitpunkt der Eröffmung als Beschlagnahmezeitpunkt ab. Begründet wird das damit, dass ja nach Insolvenzeröffnung keine neuen Hausgeldansprüche mehr in den Schutz des § 10 ZVG "nachrücken" könnten. Letztlich also eine reine Billigkeitsüberlegung. Das scheint mir dann weniger überzeugend.

    Letztlich wird dies aber nur zum Problem, wenn die WEG sich nach Insolvenzeröffnung Jahre Zeit gelassen hat, die Umschreibung bzw. die Duldungsklage zu veranlassen. Lagen Eröffnung und Betreiben der Angelegenheit einigermaßen nah beieinander sehe ich nicht, was gegen eine Anwendung von § 10 Abs 1 Nr. 2 ZVG spräche.


  • Letztlich wird dies aber nur zum Problem, wenn die WEG sich nach Insolvenzeröffnung Jahre Zeit gelassen hat, die Umschreibung bzw. die Duldungsklage zu veranlassen. Lagen Eröffnung und Betreiben der Angelegenheit einigermaßen nah beieinander sehe ich nicht, was gegen eine Anwendung von § 10 Abs 1 Nr. 2 ZVG spräche.

    Genau dieses Problem habe ich aber.
    Die Zahlungstitel aus dem WEG-Verfahren sind Anfang/Mitte 2014 ergangen.
    Umschreibung auf den Insolvenzverwalter der Beklagten erfolgte aber erst 2017.


    Ich tendiere dazu, dass es bei der eindeutigen Regelung des 22 ZVG verbleibt - ohne Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung.
    Die Äußerungen des BGH hatten insoweit keinen Entscheidungscharakter und haben auch bisher keinen Niederschlag in der Kommentierung gefunden.

  • Es würde also jeder das Verfahren anordnen????

    Nein, weil ich dem:

    "Anders als bei einer Klage auf Zahlung des Hausgeldes, bei der das Prozessgericht nur ermitteln muss, ob ein fälliger Hausgeldanspruch besteht, während das Vollstreckungsgericht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZVG feststellt, muss sich das Prozessgericht bei der Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung nicht nur vom Vorliegen der Hausgeldansprüche überzeugen, sondern auch davon, ob wegen dieser Ansprüche die Zwangsversteigerung in die Eigentumswohnung aus der Rangklasse 2 zulässig ist. Es muss deswegen den Fragen nachgehen, ob die geltend gemachten Hausgeldansprüche unter § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG fallen. Denn nunmehr trifft nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das Prozessgericht die Entscheidung, ob das Grundstück, in das vollstreckt werden soll, für die geltend gemachten Ansprüche haftet."

    die Motivation des BGH für seine Entscheidung entnehme und der Fall einer Pfandklage hier nicht gegeben ist.

  • Es würde also jeder das Verfahren anordnen????

    Man könnte hier gut begründbar auch das Gegenteil vertreten. Allerdings ist eine bewusste Entscheidung gegen den BGH schon eine Ansage. Ob man sich das wirklich geben will..

    Die Chancen würde ich bei exzellenter Argumentation bei ca. 60-40 sehen.

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