Anordnung Nachlasspflegschaft für Grundstücksverkauf



  • Ich habe folgenden Sachverhalt auf dem Tisch und würde gerne dazu Eure Meinung hören.

    Der Erblasser ist 1905 geboren und 1994 verstorben. Erben sind dem Nachlassgericht nicht bekannt. Der Erblasser ist als Eigentümer eines Grundstückes im Grundbuch eingetragen. Das Grundstück ist unbebaut. Einzig ein alter Schuppen steht darauf und es ist verwildert. Sonstige Nachlasswerte sind nicht vorhanden.


    Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft wird hier von dem Dritten X angeregt, welcher das Grundstück erwerben möchte. Es wird kein Antrag gemäß § 1961 BGB gestellt, da der X ohnehin kein Gläubiger des Erblassers ist und auch keine Forderung gegen diesen hat, sondern die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 BGB angeregt.



    Jetzt stellt sich mir die Frage ob ein Fürsorgebedürfnisgemäß § 1960 BGB für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gegeben ist. Laut der Kommentierung im Palandt / Weidlich, 76. Auflage, § 1960 BGB, Rn. 1 ist ein Fürsorgebedürfnis dann gegeben, wenn der Bestand des Nachlasses ohne das Eingreifen des Nachlassgerichtes gefährdet wäre.



    Der X argumentiert, dass ein Verkauf des Grundstückes im Interesse der unbekannten Erben ist. Die Grundstückspreise seien in den letzten Jahren exorbitant gestiegen. Wenn man sich die Situation auf dem Grundstücks-und Immobilienmarkt anschaut, kann hier von einer "Blase" gesprochen werden. Die Grundstücks- und Immobilienpreise dürften in den nächsten Jahren deutlich sinken, da der Markt übersättigt ist. Ergo lieber jetzt das Grundstück verkaufen und den Verkaufserlös für die unbekannten Erben hinterlegen, als einen drohenden Wertverfall des Grundstückes in den nächsten Jahren in Kauf nehmen und so den Nachlass schmälern.



    Mit dieser Begründung versucht der X ein Fürsorgebedürfnis für das Nachlassgericht herzuleiten.


    Der X hat ein wirtschaftliches Interesse an dem Erwerb des Erblasser-Grundstückes. Ein berechtigtes Interesse ist meiner Meinung nach nicht gegeben.


    Ich sehe hier eher kein Fürsorgebedürfnis für das Nachlassgericht. Die reine Hypothese, dass der Bestand des Nachlasses durch ein zukünftiges Absinken der Grundstückspreise gemindert werden könnte erscheint mir doch sehr konstruiert.



    Wie seht Ihr den Sachverhalt?

  • Sind die Erben nicht bekannt weil sie nicht ermittelt wurden oder blieb eine Ermittlung erfolglos?

    Sofern keine Erben ermittelt werden konnten, wäre m. E. n. die Feststellung des Fiskalerbrechts angebracht, da Nachlass vorhanden ist.

    Das würde die Überlegungen zur Nachlasspflegschaft entbehrlich machen und der Interessent könnte das Grundstück ggf. vom Fiskus erwerben.

  • Wenn man sich die Situation auf dem Grundstücks-und Immobilienmarkt anschaut, kann hier von einer "Blase" gesprochen werden.

    Erzähl mal einem Münchner was von einem übersättigten Immoblilienmarkt. Selbst im ländlichen Bayern kann davon noch keine Rede sein. Und selbst wenn, sind Immobilien keine Aktien, deren Wert ins Bodenlose sinkt.

  • Mein Fiskus ist kein Freund von rumliegenden Grundstücken. Die haben zu viele Grundstücke und zu wenig Beamte die sich kümmern können. Auch beim Fiskus gilt, nur Bares ist wahres.

    Wer würde den hier eigentlich das Fiskuserbrecht anregen? Eine Grundbuchumschreibungspflicht ist mir nicht bekannt.

    Der Kaufinteressent sollte sich auf die Suche nach einem Gläubiger machen. Als erster Gläubiger fällt mir immer die Komune ein, welche garantiert in den letzten Jahren keine Grundsteuer erhalten hat. Dann kann man schauen, wie der Verstorbene unter die Erde gekommen ist, ob da noch Rechnungen offen sind? Dann liegen vielleicht an dem Grundstück noch ein paar Medien an? etc.

    Da beim Brainstormen alle Gedanken erlaubt sind, kann der Interessent ja mal schauen, ob er das Grundstück nicht in Beschlag nehmen kann und sitzt es 30 Jahre aus :oops:

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  • Die Suche nach einem Gläubiger finde ich gar nicht notwendig. M.E. ist Grundbesitz immer eine Veranlassung für das Nachlassgericht zum Tätigwerden, sei es durch das Fiskuserbrecht oder eine Nachlasspflegschaft. Die Argumente des Kaufinteressenten würde ich außer Acht lassen, da ich aus einem anderen Grund ein Sicherungsbedürfnis sehe: Die unbekannten Erben trifft die Verkehrssicherungspflicht, u.a. Winterdienst. Rutscht z. B. jemand auf dem Bürgersteig, den jene räumen müssen, aus und bricht sich etwas, wäre der Nachlass u.U. mit einem Schmerzensgeldanspruch belastet.

  • Sind die Erben nicht bekannt weil sie nicht ermittelt wurden oder blieb eine Ermittlung erfolglos?

    Sofern keine Erben ermittelt werden konnten, wäre m. E. n. die Feststellung des Fiskalerbrechts angebracht, da Nachlass vorhanden ist.

    Ein Nachlassverfahren war bisher nicht anhängig. Eine Sterbeurkunde des Erblassers konnte vorgelegt werden. Die Erben sind von Amts wegen bei uns nicht zu ermitteln. Die Fiskusfeststellung erfolgt nur wenn ein Bedürfnis dafür erkennbar ist.

    Der X trug vor das ein Dritter die Grundsteuern für das Grundstück entrichtet. Dieser ist aber nicht der Erbe des Erblassers. Wieso jemand die Grundsteuer ohne Verpflichtung hierzu bezahlt ist mir schleierhaft.

  • Die Suche nach einem Gläubiger finde ich gar nicht notwendig. M.E. ist Grundbesitz immer eine Veranlassung für das Nachlassgericht zum Tätigwerden, sei es durch das Fiskuserbrecht oder eine Nachlasspflegschaft. Die Argumente des Kaufinteressenten würde ich außer Acht lassen, da ich aus einem anderen Grund ein Sicherungsbedürfnis sehe: Die unbekannten Erben trifft die Verkehrssicherungspflicht, u.a. Winterdienst. Rutscht z. B. jemand auf dem Bürgersteig, den jene räumen müssen, aus und bricht sich etwas, wäre der Nachlass u.U. mit einem Schmerzensgeldanspruch belastet.

    Wegen den Verkehrssicherungspflichten sehe ich das grundsätzlich auch so. Es gibt aber auch Grundstücke, bei denen eine derartige nicht zum Tragen kommt.

  • Daran, dass demnächst Immo-Blase platzt und Wertverfall, glaubt der X ja wohl selber nicht. Dann würde er jetzt nicht kaufen wollen.

    Ein Sicherungsbedürfnis sehe ich aber auch. Der Dritte, der die Grundsteuer zahlt, wird das Grundstück wohl auch irgendwie nutzen und könnte dem Nachlass Pachtzahlungen schulden. Womöglich ist da schon einiges verjährt. Wenn der Dritte sich seit 1994 als Eigenbesitzer fühlt, dann ist es gar nicht mehr so lange, bis die 30 Jahre um sind.

  • Zurück zum Sachverhalt:

    Demnach sind die Erben nicht bekannt und es gibt eine Immobilie.

    Das alleine reicht schon aus, dass das Nachlassgericht von Amts wegen eine Nachlasspflegschaft anordnen muss. Ob ein Kaufinteressent ein Gläubiger nach § 1961 BGB ist (was er sicher nicht ist), muss deswegen nicht entschieden werden.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Ein Sicherungsbedürfnis sehe ich aber auch. Der Dritte, der die Grundsteuer zahlt, wird das Grundstück wohl auch irgendwie nutzen und könnte dem Nachlass Pachtzahlungen schulden. Womöglich ist da schon einiges verjährt. Wenn der Dritte sich seit 1994 als Eigenbesitzer fühlt, dann ist es gar nicht mehr so lange, bis die 30 Jahre um sind.

    Wenn ich nun eine Nachlasspflegschaft anordne steht aber die Frage im Raum, ob ein Verkauf des Grundstückes im Interesse der unbekannten Erben ist.

    Wenn tatsächlich die Ersitzung des Nachlasses im Raum steht und es Anhaltspunkte hierfür gibt(z. B. Zahlung der Grundsteuer) könnte ein Verkauf des Grundstückes im Interesse der unbekannten Erben sein, damit für das Grundstück im Rahmen des Verkaufes ein Gegenwert, sprich Kaufpreiserlös, erzielt wird.


    Im Rahmen der Ersitzung würde das Grundstück doch ohne jegliche Gegenleistung auf den"Ersitzer" übergehen, oder liege ich da falsch? Den unbekannten Erben würde hier ein Schaden im Vergleich zu einem entgeltlichen Verkauf entstehen.


  • Deine Frage ist zunächst nur, ob die Pflegschaft angeordnet wird, oder nicht.

    Die Frage, ob das GVrundstück veräußert wird, obliegt zunächst der Entscheidungsbefugnis des Nachlasspflegers. Hier sind aber Punkte wie "günstiger Zeitpunkt" unerheblich. Eher führen Dinge wie laufende Kosten, nicht bezahlbare Verbindlichkeiten, unliquider Nachlass oder vom Objekt ausgehende Gefahren dazu, dass eine Immobilie verkauft wird bzw. der Verkauf genehmigt werden kann. Verkauf nur des aktuell guten Marktes wegen ist kein Grund.

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  • [...] Die Argumente desKaufinteressenten würde ich außer Acht lassen, da ich aus einem anderen Grundein Sicherungsbedürfnis sehe: Die unbekannten Erben trifft die Verkehrssicherungspflicht

    , u.a.Winterdienst. Rutscht z. B. jemand auf dem Bürgersteig, den jene räumen müssen,aus und bricht sich etwas, wäre der Nachlass u.U. mit einemSchmerzensgeldanspruch belastet.


    Das Grundstück liegt im öffentlichen Verkehrsraum. Es führt ein Bürgersteig vor dem Grundstück entlang.

  • Wie gesagt und ganz einfach:

    Immobilie+unbekannte Erben = Anordnung der Nachlasspflegschaft

    Alles andere darf dann der Nachlasspfleger versuchen zu regeln und zu entscheiden. Ob und wann und zu welchem Preis er aufgrund welchen Umstandes er dann verkauft, wird man sehen. Vielleicht ermittelt er ja auch innerhalb von 4 Wochen die Erben?

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  • Ist eigentlich klar, welches Nachlassgericht nach § 343 FamfG für das Nachlassverfahren an sich zuständig ist? Letzter Wohnsitz? Offensichtlich liegt doch keine Sterbeurkunde vor. Also nur Sicherung des Nachlasses.

  • Ist eigentlich klar, welches Nachlassgericht nach § 343 FamfG für das Nachlassverfahren an sich zuständig ist? Letzter Wohnsitz? Offensichtlich liegt doch keine Sterbeurkunde vor. Also nur Sicherung des Nachlasses.

    Sterbeurkunde liegt nach Angaben vor. Es dürfte wohl auch ein Pachtverhältnis bestehen, sonst wäre in den vergangenen Jahren schon ein Sicherungsbedürfnis aufgetreten. Das Grundstück wird offensichtlich bewirtschaftet, sonst würde keine Grundsteuer bezahlt. Für mich ist derzeit kein Grund ersichtlich, eine NP anzuordnen. Als pot. Erbe würde ich es mir auch nicht gefallen lassen, dass nun auf Grund des Kaufinteressenten eine NP eingerichtet wird. Auch wenn es nicht ausdrücklich im Beschluss steht, einen anderen Grund gerade jetzt eine NP anzuordnen, gibt es nicht.

  • Es dürfte wohl auch ein Pachtverhältnis bestehen, sonst wäre in den vergangenen Jahren schon ein Sicherungsbedürfnis aufgetreten.

    Oder das Sicherungsbedürfnis (Einfordern der Pacht) bestand schon die ganzen Jahre. Es hat nur keiner gemerkt, weil irgend jemand (der Pächter ?) schlauerweise die Grundsteuer bezahlt hat, damit die schlafenden Hunde nicht aufwachen.

  • @uschi:

    Ein Grundstück bei dem die Erben seit 1994 (!!) unbekannt sind und das von jemandem bewirtschaftet wird, der den Eigentümer oder dessen Erben auch nicht kennt, stellt ganz sicher ein Bedürfnis für eine Nachlasspflegschaft dar, die dann bei Kenntnis von Amts wegen anzuordnen ist. Das ist doch eine völlig klare Sache.

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  • @uschi:

    Ein Grundstück bei dem die Erben seit 1994 (!!) unbekannt sind und das von jemandem bewirtschaftet wird, der den Eigentümer oder dessen Erben auch nicht kennt, stellt ganz sicher ein Bedürfnis für eine Nachlasspflegschaft dar, die dann bei Kenntnis von Amts wegen anzuordnen ist. Das ist doch eine völlig klare Sache.

    Aber selbst bei Anordnung der Nachlasspflegschaft wird der Nachlasspfleger -ohne sich einer hohen Haftung auszusetzen- die Immobilie nie verkaufen können bzw. wird das Nachlassgericht sich mit einer entsprechenden Genehmigung schwer tun. Ich denke da an den Gerichtsbeschluss beim Verkauf der Immobilie durch einen Abwesenheitspfleger, der trotz gerichtlicher Genehmigung in die Haftung genommen wurde. Der Fall lag ähnlich: der Nachbar wollte die Immobilie kaufen. Der Abwesende, als er wiede anwesend war, eben nicht.

    Was soll dann dann die Nachlasspflegschaft, ohne irgendwann einem evtl. ermittelten Erben (sofern dieser die Erbschaft nicht sofort aus Haftungsängsten ausschlägt) bzw.dem Fiskus zum Erbrecht bzw. zum Eigentum zu verhelfen.

    P.S: Mir liegt jetzt eine Beschwerde des Fiskus gegen die Feststellung des Fiskalerbrechts vor. Begründung: der Nachlasspfleger hätte nicht gründlich genug ermittelt. Der Fiskus will nicht Erben, trotz Grundstück im Nachlass. Die Sache geht jetzt zum OLG.

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